Klar, dass ich bei Mike Schnoors Blogparade über Blogger Relations (#bpbr13) mitmache. Zum Thema schrieb ich immer wieder, zuletzt hier. Warum müssen sich Kulturinstitutionen darüber Gedanken machen – Ressourcen, Budgets hin oder her? Ganz einfach: Blogger erreichen über ihre Leserschaft viele, ihnen wird vertraut und ihre Posts bleiben dauerhaft im Netz auffindbar. Das ist aber nicht alles. Ihr unmittelbares Feedback vermag dabei helfen, den Tunnelblick auf die eigene Policy, das Vermittlungsprogramm, aufzubrechen, sofern dafür Offenheit besteht, es erwünscht ist. Aha, wozu soll das gut sein?
Leser-/Besucherbindung, Authentizität, crowd curation, Partizipation, Dialog, Ernsthaftigkeit, Experimente, neue Wege … die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Über Blogposts ist das Haus in „aller Munde“. Das Potential von Blogger Relations ist groß. Die Voraussetzung dazu ist aber tatsächlich gewollte Kommunikation mit den Bloggern. Diese als reine Werbeschleudern zu „missbrauchen“ funktioniert nicht und zwar zu Recht!
Museen denken um – Bloggertreffen
Richtig. Museen nehmen Blogger wahr und wertschätzen sie zunehmend. Einige von ihnen äußerten sich sehr eindeutig über den Stellenwert von Bloggern für die Kommunikationsarbeit beim #askacurator. Das Thema beschäftigt mich seit dem ersten Bloggertreffen in einem deutschen Ausstellungshaus. Die Schirn organisierte es im Sommer 2012, um zu erfragen, was sich Blogger von den Museen wünschen.
Ein weiteres Bloggertreffen folgte 2013, initiiert vom Universalmuseum Joanneum. Ihr Fazit und die gemeinschaftlich erarbeiteten Punkte zur Blogger Relations sind ein absolutes Lesemuss für jede Kultureinrichtung, die sich ernsthaft mit dem Thema auseinander und entsprechende Maßnahmen umsetzen möchte. Sehr empfehlenswert als Best Practice mit vielen Anregungen im Umgang mit Bloggern ist der Beitrag des Joanneums zur Blogparade von Mike Schnoor #AufbrechenTunnelblick #crowdcuration. Fakt ist, Blogger Relations ist kein Selbstläufer. Sie verlangt Zeit, bedeutet ein wechselseitiges sich-aufeinander-einlassen. Dazu zählt, dass das Museum die für sie relevante Blogosphäre sondiert, die Blogs liest, liked, retweeted, plussed und kommentiert – es geht um Vernetzung und darum eine Beziehung und Vertrauen aufzubauen. Also nichts für Schnellschüsse und kurzfristige Aktionen. Warum?
Das Bloggertreffen in der Schirn 2012
Das Bloggertreffen in der Schirn führte mir die Brisanz im Miteinander vor Augen. Zusammen mit 55 weiteren Bloggern erhielt ich vom Ausstellungshaus eine Einladung zur Veranstaltung. Uns erwarteten zwei Impulsvorträge von Mercedes Bunz (Blog verschwunden, 2018) und Matthias Planitzer von „Castor und Pollux“ (Vortrag hier) mit Diskussionsrunde. Anschließend führte uns der Kurator durch die Koons-Ausstellung in der Schirn, bevor es dann zum Tweetup ins Liebieghaus ging. Eine ausführliche Analyse und die Bedeutung des Events findet Ihr hier. Die Blogger reagierten positiv, verwirrt, ablehnend, frustriert und freudig überrascht. Die ganze Bandbreite der Emotionen und subjektiven Empfindungen traten vor Ort und in den Blogposts danach auf. Die Schirn sammelte die Artikel (leider verschwunden, 2018).
Positive Reaktionen
Der Grundtenor war positiv, weil die Blogger:
- sich ernst genommen fühlten
- die gleichen Rechte erhielten wie Journalisten, sprich Fotoerlaubnis in der Ausstellung
- grundsätzlich bei Anmeldung einen Pressestatus erhalten und die Fotos via Blog veröffentlichen dürfen
- ihnen ein besonderes Package geboten wurde: Treffen, Führung, Diskussion, geselliges Beisammensein mit einem Absacker am Ende der Veranstaltung – auch das ist wichtig!
Negative Reaktionen
Aber auch kritische Stimmen kamen auf:
- bei den Bloggern untereinander: professionelle, geldverdienende Blogger vs. Gelegenheitsblogger, die aus Idealismus schreiben
- wenige fühlten sich als „Werbebotschafter“ der Ausstellung gezielt missbraucht und zerrissen das Event im Nachhinein
Empfindlichkeiten wurden hier berührt und demonstrieren, dass Blogger mitunter sehr sensibel reagieren. Es gibt ihn, den Graben zwischen geldverdienenden und „idealistischen“ Bloggern. Sie können und wollen nicht über einen Kamm geschert werden. Eine individuelle Ansprache ist verlangt. Sie sind keine Journalisten, sondern schreiben aus subjektiven Gründen. Sie wollen zwar dieselben Rechte erhalten wie diese, nicht aber als solche behandelt werden. Kein nicht bezahlter Blogger kommt in der Woche um 11:00 zu einer Pressekonferenz, zumal wenn zum Event via anonymisierter Massenmail eingeladen wird.
Offene Karten in der Kommunikation
Das Meinungsbild des Bloggers ist nicht kontrollierbar. Für ihn steht grundsätzlich die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Sie entscheidet über die Leserschaft und die Reichweite des Blogs. Deshalb wird den Bloggern großes Vertrauen von ihren Stammlesern entgegengebracht. Sie sind nicht manipulierbar. Genau das ist zu akzeptieren und als Chance zu begreifen. Wenn ein Blogger schreibt, dann vertritt er seine Meinung und die muss nicht immer schmeichelhaft für das Haus sein. Damit muss souverän umgegangen werden. Konstruktive Kritik hilft allen Seiten weiter. Gleichzeitig kann nicht erwartet werden, dass der Blogger, obwohl er die Ausstellung besuchte, auch tatsächlich darüber schreibt. Es kann aber auch sein, dass er viel später, gar Jahre später sein Erlebnis in der Ausstellung verbloggt (siehe den Beitrag zu #KulturEr über Ai Weiwei im Haus der Kunst)
Mehrwert bieten
Was ist der Mehrwert für Blogger, wenn sie über die Ausstellung, das Museum schreiben? Hierzu sollten sämtliche Punkte des Bloggerrelations Arbeitskreises berücksichtigt werden. Macht es ihnen einfach: freien Eintritt, Pressestatus, spezielle Vergünstigungen, Bewerbung der Blogposts auf den eigenen Plattformen, kommentieren, bedanken – eben die ganz normale Palette respektvoller Kommunikation. Überlegt, ob Bloggerthemen, Beauty, Familien, Reisen etc. nicht auch Themen für ein Gemeinschaftsprojekt sein können oder sich in speziellen Führungen widerspiegeln. Denn was bringen besondere Bloggerevents, wenn das Haus nicht grundsätzlich ein spannendes Vermittlungsprogramm bereithält, das eventuell über Blogs erreichte neue Zielgruppen empfängt und fesselt? Die Enttäuschung ist groß, wenn es das nicht gibt. Werden Wiedergänger oder Empfehler so gewonnen? Wohl kaum. Gerade darüber muss nachgedacht werden – dialogische Blogger Relations als Chance für die Kulturinstitution? In meinen Augen, ja!
Vernetzen – Museen, werdet Blogger!
Vernetzung ist ein Dauerthema im Verhältnis von Blogger Relations und Kulturinstitution. Bloggt ein Haus, kennt es die Sorgen und Nöte von Bloggern, spricht fast deren Sprache und wird ernst genommen. 64 Museumsblogs 97 [Stand: 11.12.15] stehen über 6000 deutschsprachigen Museen gegenüber – eine unglaublich schwindend geringe Zahl. Da geht noch mehr, denn die Storys sind da! Die meisten von ihnen bloggen vor sich hin, schauen weniger auf das, was die Kollegen in den anderen Häusern machen, vernetzen sich untereinander kaum. Aber gerade das ist wichtig, um die Sichtbarkeit von Museumsblogs zu erhöhen. Es gibt hier positive Gegenbeispiele, die die Vernetzung mit Bloggern und Museumsblogs vorbildlich umsetzen. Da wird dann schon einmal ein Blogstöckchen aufgefangen oder bei Blogparaden mitgemacht – prima Instrumente, sich zu vernetzen. Was meint Ihr?
Lieber Mike Schnoor – merci für die Blogparade!
Update Bloggertreffen und Blogger Relations
Heute, am 11.12.15 findet das 2. große Bloggertreffen im Museum Kunstplast und im NRW-Forum in Düsseldorf statt. Es gibt ab 16:00 einen Impulsvortrag, dann geht es in die Ausstellungen „ZURBARÁN. Meister der Details“ (Link verschwunden, 2018) und später ins „Ego Update. Die Zukunft der digitalen Identität“ (NRW-Forum). Hier wird das Selfie aus etwas anderer Sicht als die zeitgleiche, themenverwandte Ausstellung in Karlsruhe beleuchtet – Zu Karlsruhe siehe meinen Beitrag zur Blogparade #Selfierade.
Faszinierende Action – einen Hashtag zur Veranstaltung gibt es nicht, wohl darf man gespannt über die Berichterstattung der Blogger sein. Unter ihnen wird auch @CastorundPollux sein, der schon einen der zwei Impulsvorträge auf dem Bloggertreffen der Schirn hielt und ganz aktuell seinen Blog wiederbelebt hat. Keep in action!
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Interessant, was du über die Kultur-Blogger erzählst. In Zahlen könnte ich es gar nicht benennen, wieviele Gesundheitsblogger es im Vergleich zu der Anzahl der Firmen gibt, die mit Gesundheitsprodukten ihr Geld verdienen. Der prozentsatz wird aber wahrscheinlich noch viel geringer ausfallen als in deiner Branche. Vielleicht ist aber auch genau das der Grund, warum sich die Pressestellen zwar mit den Bedürfnissen und Wünschen der Journalisten auskennen, aber leider noch nicht so genau wissen, wie sie mit den Bloggern umgehen sollen. Am besten auf Augenhöhe wie im ganz normalen Leben, denn warum sollten Blogger da vollkommen anders ticken als alle anderen Menschen?
Liebe Karin,
das Stichwort ist ernst gemeinte Kommunikation. Solange das nur eine leere Worthülse ist und ausschließlich als Vermarktungsschleuder von Produkten begriffen wird, ist Blogger Relations inexistent. Das zeigen die vielen Beiträge der Blogparade von Mike Schnoor. Ja, du hast recht: Kommunikation muss auf Augenhöhe erfolgen, sonst läuft sie ins Leere #verschwendeteZeit.
Wünsche Dir ein schönes Wochenende und danke für deinen Kommentar hier. Beim nächsten Blogger Stammtisch bin ich dabei. Dieses Mal musste ich mich mit Gamification und Weltrettung beschäftigen ;-).
Herzlich,
Tanja
Dann freue ich mich aufs persönliche Kennenlernen!
Sonnige Grüße von Karin
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Hallo Tanja,
ich will gar nicht den Eindruck erwecken, hier den neuen Kommentar-Rekord brechen zu wollen, aber ich kann mir nicht verkneifen wieder zu schreiben.
Mit der Formulierung „eben die ganz normale Palette respektvoller Kommunikation“ sprichst du mir aus der Seele! Warum ist bei so vielen (nicht nur Kulturinstitutionen) noch nicht angekommen, dass für die Kommunikation im Internet die gleichen Höflichkeitsformen wie im Offline gelten sollten? Dazu zählt, dass auf E-Mails (zügig) geantwortet wird (immer noch keine Selbstverständlichkeit) und genauso auf Kommentare und auf Anfragen auf Facebook, Twitter, etc. Erst wenn das routinemäßig klappt, sollte man als Kulturinstitution einen Schritt weiter gehen und sich daran wagen, Blogger einzuladen. Sonst kann sicherlich einiges schief gehen…
Viele Grüße,
Marlene
Liebe Marlene,
sicherlich ist einiges hier noch zu tun und die Defizite in der Kommunikation sind keine museumsspezifische Phänomene, wenn ich mir die anderen Beiträge zu Mike Schnoors Blogparade so anschaue. Hier gibt es anscheinend sehr viel Entwicklungsbedarf. Neue Kommunikationsmedien erfordern neue Kommunikationsstrukturen, die erst einmal verinnerlicht werden müssen. Gänge Muster greifen dann nicht. Schemata sind etwas für Maschinen, nicht für Menschen und das muss verstanden werden. Wir „sprechen miteinander“ und instrumentalisieren uns nicht, wenn wir nachhaltig kommunizieren wollen.
Lichtblicke gibt es im Zusammenhang mit Blogger Relations im Kultursektor. So erfuhr ich über diesen Post auf Twitter, dass das Lindenmuseum in Stuttgart nächstes Jahr einen Museumsblog starten wird – hervorragend. Auch wir Blogger und Kulturinteressierten können aktiv auf die Museen zutreten. Vielleicht ergeben sich überraschende, aufbauende Gespräche. Wer nicht wagt, nicht gewinnt. Wir beide und andere wissen das. Vielleicht ist gerade auch das seitens der Museen zu kommunizieren, dass man sie ruhig ansprechen darf. Hier gibt es noch jede Menge Stoff für weitere Blogposts.
Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende!
Herzlich
Tanja
Liebe Tanja, du bist einfach spitze! Du hast den Dialog Museum – Blogger so gut analysiert! Ich arbeite freiberuflich als Guide in Stuttgarter Museen und anderswo und führe meinen Blog kunstundreisen.com – Stuttgart bezeichnet sich gerne als Medienstadt. Aber gerade hier haben die Museen und Kultureinrichtungen die Zeichen der Zeit noch längst nicht erkannt und pflegen keineswegs den Dialog mit Bloggern. Das Lindenmuseum ist eine Ausnahme, sie haben Twitterer zum ersten #kultup #tweetup eingeladen. Immerhin ein Anfang! Das Landesmuseum verwehrt mir als Bloggerin dagegen den Zugang zum Pressebereich, schade! Hoffentlich tut sich hier bald was! Liebe Grüsse aus Stuttgart, Andrea
Liebe Andrea,
merci für das Lob! Ja, hier ist bei Museen noch Luft nach oben, einige haben es erkannt und sie werden mehr. Stuttgart kenne ich zu wenig. Außer dem Lindenmuseum ist mir noch das Stadtmuseum Stuttgart sehr positiv hinsichtlich Blogger Relations aufgefallen. Sie führen gleich zwei Museumsblogs, machten bei meiner Blogparade #KulturEr (http://www.stadtmuseum-stuttgart.de/blog/wherearethehorses/2013/11/blogparade-statt-hengstparade/) mit und fingen das Blogstöckchen (http://www.stadtmuseum-stuttgart.de/blog/stadtmuseum/2013/11/15/20-ungeheime-geheimnisse/) vom Historischen Museum Frankfurt auf. Wäre interessant zu erfahren, was Markus Speidel vom Stadtmuseum dazu sagt.
Mache auf jeden Fall weiter, kontaktiere die Museen, frage an, ob du Fotos machen kannst etc. Bei mir ging es nicht immer, aber überwiegend positiv aus.
Herzliche Grüße aus dem frostigen München
Tanja
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