Die Cadolzburg ist als neues Burgerlebnismuseum in Franken seit dem 23. Juni 2017 für die Besucher eröffnet. Das späte Mittelalter präsentiert sich hier fesselnd, spielerisch, klangvoll, nachdenklich, duftend – mal gut, mal weniger appetitlich – und ja, auch kämpferisch. Wie kam es aber dazu? Wie entsteht ein Museum und was macht der Kurator? Dr. Sebastian Karnatz, einer der beiden Kuratoren der Cadolzburg und Autor bei mir im Blog, stellte sich meinen Fragen im Montagsinterview. Die Stichworte: Chancen und Risiken von Neuen Medien, Berufsperspektiven, Persönliches und viel Leidenschaft!
Nachgefragt bei Sebastian Karnatz: die Cadolzburg – was macht der Kurator?
Lieber Sebastian,
wir kennen uns seit unserer gemeinsamen Volontärszeit in der Museumsabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung. Du warst damals für die Neugestaltung der Burg Prunn zuständig und ich fing mit dem Texten für die Ludwig II.-App an. Ich denke immer sehr gerne an unsere gemeinsame Zeit zurück, vor allem aber verfolge ich mit Spannung deine Projekte, wie jetzt die Cadolzburg.
1. Stell dich doch bitte einmal kurz vor: Wer bist du? Was ist dein beruflicher Hintergrund?
Mein Name ist Sebastian Karnatz. Ich bin geboren im schönen Burglengenfeld an der Naab nahe Regensburg. Dort habe ich auch Kunstgeschichte und Germanistik studiert. Anschließend wurde ich mit einer Arbeit zu Max Beckmanns Dramen bei Prof. Dr. Albert Dietl promoviert. Seit dieser Zeit haben sich auch meine Forschungsschwerpunkte langsam herausgebildet. Ich beschäftige mich vor allem mit Bild-Text-Relationen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, seit einigen Jahren aber auch sehr intensiv mit Burgen, denkmalpflegerischen und museumspraktischen Fragen. Nach meinem Volontariat war ich für ein Jahr am Zentralinstitut für Kunstgeschichte und bin nun schon seit fast 5 Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bayerischen Schlösserverwaltung, wo ich zusammen mit Dr. Uta Piereth das neue Museum auf der Cadolzburg konzipiert habe.
Privat wohne ich seit geraumer Zeit wieder in Burglengenfeld, pendle zwischen München, Cadolzburg und Burglengenfeld und bin seit wenigen Wochen stolzer Vater eines kleinen Maximilian.
2. Du bist sehr vielseitig unterwegs, auch außerhalb der Schlösserverwaltung. Magst du etwas mehr über dich und deine Projekte, die außerhalb der Kuratorenwelt liegen, erzählen?
So richtig, vermute ich, gibt es bei mir kein großes „Außerhalb“ der Kuratorenwelt. Irgendwie spielt dann doch alles zusammen. Ich bin wissenschaftlich immer noch sehr aktiv, versuche aber meine Kräfte insofern zu bündeln, als dass ich die mir naheliegenden Themen – also die Themen, die auch in den Ausstellungen bearbeitet werden – aufgreife. Jüngst ist so etwas wie mein erstes populäres Sachbuch erschienen. Eine Reise zu den Orten der Hohenzollern in Franken – also auch wieder ganz nah zu dem, was wir im Museum besprechen.
Eine Ausnahme ist vielleicht die Musik. Die pflege ich sozusagen völlig losgelöst vom späten Mittelalter – Jazz, Rock und Gospel waren da noch nicht so angesagt. Allerdings sind auch diese Kontakte immer wieder hilfreich. So hat uns beispielsweise der herausragende Regensburger Musiker Johannes Molz als Toningenieur bei der Aufnahme spätmittelalterlicher Musikstücke geholfen. Und ich muss sagen: Das ist wirklich gut geworden. So kommt dann doch wieder alles zum Anfang zurück: Es gibt kein wirkliches “Außerhalb“ bei meinen Aktivitäten.
3. Du bist unter anderem in der Lehre tätig und gibst Kurse an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Was hältst du von der digitalen Kunstgeschichte? Und welche Tipps kannst du Student*innen mitgeben, wie sie sich für die Berufswelt fitmachen können?
Die Kurse finden im Rahmen unserer Arbeit an der Cadolzburg statt. Wir haben in einem mehrsemestrigen Programm mit den Studierenden über das Museum an sich, Mittelalterausstellungen im Speziellen und natürlich auch über digitale Kulturvermittlung gesprochen. Das Ganze mündet jetzt in eine kleine, aber sehr feine Sonderausstellung auf der Cadolzburg mit Graphiken von Dürer und Zeitgenossen. Die Ausstellung wird im Rahmen eines normalen Burgbesuchs zu sehen sein. So lernen die Studierenden natürlich – so unsere Hoffnung – den Museumsbetrieb noch etwas intensiver kennen, als in einem normalen Seminar, das Wissen vor allem theoretisch vermittelt.
Die digitale Kunstgeschichte ist ja inzwischen fester Bestandteil unserer Arbeit. Ich denke, da muss man nicht allzu viele Worte darüber verlieren. Sie bietet mannigfaltige Chancen, aber natürlich auch Risiken. Wenn wir beginnen alles nach neopositivistischen Mustern zu durchforsten – beispielsweise anfangen alle Bilder mit Hunden zu vernetzen –, dann ist das ja noch kein Wert an sich. Der Wert stellt sich erst in der Fragestellung und in der Betrachtung durch gut ausgebildete Forscherinnen und Forscher heraus. Gleiches gilt bei der digitalen Kulturvermittlung. Sie bietet uns wunderbare Möglichkeiten, sie darf aber nicht von unserem Markenkern, dem Umgang mit Kultur und ihrer Manifestation in Objekten, ablenken.
Mit den Tipps für die Berufswelt ist es immer so eine Sache. Es gibt, denke ich, nicht den einen richtigen Weg, sondern viele Wege. In der Hauptsache muss man großes Interesse und viel Willen mitbringen, dann wird man sich seinen Weg bahnen. Der darf übrigens durchaus auch mal krumm sein und Abweichungen von der Norm beinhalten. Ein schönes, mit Herzblut selbstgemachtes Projekt kann manchmal besser als das zwanzigste unbezahlte Praktikum.
4. Mit Dr. Uta Piereth hast du für die Schlösserverwaltung bereits die Burg Prunn neugestaltet. Inwiefern half dir dieses Projekt für die Cadolzburg? Siehst du verbindende Elemente oder nicht?
Am geschicktesten ist es immer am Anfang eines Projektes wirklich gedanklich tabula rasa zu machen und neu zu denken. Insofern nimmt man die gemachten Erfahrungen natürlich mit ins Gepäck bei der nächsten Ausstellung. Man steht aber immer wieder vor neuen Herausforderungen. In Größe, Erhaltungszustand und Flair sind es auch tatsächlich zwei völlig unterschiedliche Burganalgen. Die bestens erhaltene Burg Prunn erforderte eine schlanke, nicht zu aufdringliche Ausstellung, während wir in der teilzerstörten Cadolzburg mit all ihren Brüchen natürlich etwas mehr Erklärungsbedarf haben. Dafür treffen sich hier auf engstem Raum historische Architekturformen mit wirklich spannender aktueller Architektur.
5. Was dachtest du bei deinem ersten Besuch der Cadolzburg? Wie wirkte die Burg auf dich? Wie fühlst du dich zum Ende des Projektes, wenn Raum für Raum konkrete Formen annimmt? Gibt es da Aha-Momente? Verändert ihr kurz vor Schluss noch etwas?
Die einstige Bedeutung der Burg und ihre Größe werden einem tatsächlich vor Ort sehr schnell bewusst. Von daher hatte ich schon gleich zu Beginn gehörigen Respekt und eine gewisse Demut vor der Aufgabe, hier in ein paar Jahren ein Museum zu eröffnen.
Gearbeitet wurde in der Burg bis kurz vor Schluss. Sonst wäre es ja nicht spannend… Die Aha-Momente stellen sich immer dann ein, wenn man beginnt zu sehen, dass das, was man bisher nur auf dem Papier kannte, plötzlich Wirklichkeit wird. Zufriedenheit wird aber erst ein paar Wochen später einkehren. Wir haben schließlich noch ein großes Veranstaltungsprogramm bis Oktober vor uns. Dann gehe ich übrigens in Elternzeit und werde erstmal wirklich abschalten.
6. Was war für dich die größte Herausforderung für die Cadolzburg? Was berührte dich besonders?
Die größte Herausforderung ist sicherlich mit diesen wirklich irren und hochinteressanten Brüchen, die uns die Architektur vorgibt, umzugehen. Ich kann versprechen, dass man so ein Gesamtpaket in Deutschland kein zweites Mal sehen wird.
Besonders berührt hat mich der Moment, als ich zum ersten Mal die Klanginstallation des Augsburger Künstlers Gerald Fiebig im Neuen Schloss gehört habe. Das war ein wirklich toller, erhebender Moment. Es hat sich gezeigt, dass die Entscheidung, diesen Raum nur mit Klängen zu bespielen, die richtige war.
7. Wie darf man sich eine Neugestaltung eines Erlebnismuseums vorstellen? Welche Schritte sind einzuhalten, bevor die Burg wiedereröffnet wird? Du merkst, ich möchte mehr über euer Projektmanagement erfahren. Habt ihr euch die Arbeit aufgeteilt? Wer von euch war für was zuständig?
Es gibt natürlich für alles recht verbindliche Regeln. Aber, wie so oft, ist man in der Praxis recht schnell gezwungen, die Pfade des Museumshandbuchs zu verlassen. Was aber in jedem Fall zuerst stehen sollte und auch bei uns zuerst stand, ist die entscheidende Frage des Konzeptes. Was wollen wir zeigen? Was sind unsere Alleinstellungsmerkmale, sprich: Warum sollen die Besucherinnen und Besucher ausgerechnet zu uns kommen? Und auch ganz wichtig: Wen möchte man mit dem Museum ansprechen? Ansonsten beginnt man dann ganz natürlich aufzuteilen.
Medien- und Bauangelegenheiten waren dann eher bei mir, allgemeine Koordination und viel viel inhaltliche Arbeit zu den historischen Inhalten bei Uta Piereth. Im Prinzip wussten wir aber beide zu jederzeit recht gut über alles Bescheid. Anders wäre es auch gar nicht gegangen. Zudem hatten wir fast die ganze Zeit Unterstützung von Monika Dreykorn an der museumspädagogischen Front und seit gut einem Jahr von unserer Volontärin Dr. Angelika Merk. Im Endspurt ist nun auch noch Maximilian Keck, ebenfalls als Kulturvermittler, zu uns gestoßen. Wirklich ein tolles Team!
8. Wann und wie habt Ihr – Dr. Piereth und du – die Ideen für das Ausstellungskonzept entwickelt? Von wem habt ihr Impulse bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung erhalten? Warum setzt ihr Hightech mit Virtual Reality, Augmented Reality, 3-D und Comic in der Vermittlung von Inhalten ein? Was versprecht ihr euch davon?
Ideen entwickelt man natürlich in der intensiven Vorbereitung eines Konzepts viele. Das fällt uns beiden auch tatsächlich relativ leicht. Die Frage ist eher, welche Ideen wirklich umsetzbar sind. Da gibt es dann irgendwann einen Abgleich von Wunsch und Wirklichkeit. Aber es sind wirklich extrem viele dieser ersten Ideen auch in die Ausstellung eingeflossen. Da standen wir auch recht bald im Austausch mit unseren Ausstellungsgestaltern, dem Büro Würth & Winderoll, das unter anderem auch schon für so große Projekte wie das Haus der Geschichte in Bonn und das Jüdische Museum in Berlin verantwortlich zeichnete. In zahlreichen Sitzungen trennte sich dann ideentechnisch sozusagen die Spreu vom Weizen.
Die vielen Medien helfen uns zum einen nicht mehr Sichtbares zu visualisieren und verbeitern zum anderen gleichsam unsere Ausstellungsfläche in den virtuellen Raum. Sie sollen aber niemals Selbstzweck sein, sondern vertiefen das Angebot. Dabei kommt natürlich auch der spielerische Aspekt nicht zu kurz.
9. Was erwartet den Museumsbesucher? Hast du eine Lieblingsstation im Museum – welche?
Ehrlich gesagt, werde ich wahrscheinlich erst in ein paar Wochen wirklich sagen können, was mein persönliches Highlight ist. So oder so finde ich gerade den Abschluss im Neuen Schloss mit Gerald Fiebigs Klanginstallation und Pavel Franzusovs Medieninstallation mit Zeitzeugen der Cadolzburg im Nationalsozialismus sehr wichtig und enorm gut gelungen.
10. Dein Lebensmotto für die Leser: Was möchtest du uns mitgeben?
Frag mich mal in 30 Jahren wieder. Vielleicht kann ich dann etwas Klügeres als „Immer weiter“ dazu sagen ;-)
Lieber Sebastian,
ein großartiges Montagsinterview – vielen herzlichen Dank dafür! Auch dafür, dass du hier im Blog immer wieder mal über den Fortschritt der Cadolzburg berichtet hast!
#HohenzollernWalk auf der Cadolzburg, 1. Juli 2017
Jetzt gilt’s für den #HohenzollernWalk auf der Cadolzburg am 1.7.17 ab 18:15: Die beiden Kuratoren – Sebastian und Uta Piereth – führen die Blogger und Twitter-Gruppe, während Angelika Merk die Instagramer begleitet. Folgt dem Hashtag #HohenzollenWalk, lest, fragt im Netz auf Twitter nach, ich leite die Fragen an die beiden Kuratoren weiter.
Mitlesen:
Twitterwall: http://hohenzollernwalk.tweetwally.com/
Storify: Vorglühen: #HohenzollernWalk auf der Cadolzburg am 1.7.2017
Mitmachen im Netz:
Fragen stellen – Bilder von Hohenzollernorte zeigen auf Instagram, Twitter, Facebook:
Hashtag: #HohenzollernWalk
Wir freuen uns auf dich! Und ja, schau am 28. Juni 2017 um 8:00 hier im Blog vorbei, das Bayerische Nationalmuseum bietet dir wieder einen spannenden Kunstblick – Thema: die Leihgaben für die Cadolzburg – sehr gefährlich!
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