Wie das? Vom anonymen Museumsbesucher zur Partizipation – Teil 2 #KultDef

Nachdem ich in meinem ersten Beitrag zur Blogparade #KultDef darüber schrieb, warum Kultur mein Herz weitet, geht es heute um die Frage: Gestalte ich Kultur? Wenn ja, warum und wie? OpenGlam, Europeana, Museumsleute und Hintme spielen darin eine große Rolle. Sie brachten mich vom anonymen Museumsbesucher hin zur Partizipation und damit liefere ich euch ein weiteres Mosaiksteinchen für das Gesamtkunstwerk: Kultur gestalten? Lasst es uns gemeinsam tun!

Merete Sanderhoff; Hintme; Kopenhagen; Hirschsprung Museum

Hintme-Tweetup mit Merete Sanderhoff im Hirschsprung Museum, Kopenhagen, 04.11.2014. Bild: Peter Soemers, CC-BY

Gestalte ich Kultur?

Das hatte ich mich bisher noch nie gefragt: Gestalte ich Kultur? … Jedenfalls gestalte ich nicht Kultur in dem Sinne, dass ich Kunstwerke erschaffe. Aber ich bringe mich immer mehr ein in Debatten über Kunst und Kultur: über Social Media, Kommentare zu Blogposts, gelegentlich auch durch Präsentationen auf stARTcamps und sogenannte Ignites während Museumskonferenzen. Und in diesem Blogpost! Vielleicht sollte ich dann doch mal öfters einen Blogpost schreiben und mich in mehr als den üblichen 140 Zeichen äußern? Ja, ein wenig gestalte ich schon Kultur!

Warum gestalte ich Kultur?

Weil ich Initiativen in der Museumwelt entdeckt habe, die ich von Herzen unterstützen und weiter vorantreiben möchte. Und ebenso, weil ich erfahren habe, dass es Museumsleute, Kunsthistoriker und Blogger gibt, die an meiner Meinung interessiert sind. Ich bin ja nicht ‚vom Fach‘ und arbeite nicht im Kulturbereich (Gruß an @Mikelbower). Diese Einsichten verdanke ich den tollen Möglichkeiten der Social Media, und dem Willen und der Bereitschaft von Menschen, diese als Mittel zum Dialog zu nutzen. In der Weise habe ich viel Neues erfahren und viele Museumsleute und Kulturvermittler kennengelernt. Ohne sie wäre ich jetzt immer noch ein anonymer Museumsbesucher, der in Ausstellungen geht, den Katalog kauft und zuhause seine Bücher studiert – auch schön, aber eben doch ein Einsiedlerdasein. Da fehlt der Austausch, und das bescheidene Gestalten von Kultur …

Wie unterstützt man Museen?

Ich bin der Meinung, dass Fortschritt nur dann gegeben sein kann, wenn nicht nur Museen neue Wege gehen und den Besuchern vor Ort und im Netz ein breit gefächertes Angebot präsentieren, sondern auch eben diese Besucher und ‚Nutzer‘ sich genauso engagieren und bereit sind, ‚Ihre‘ Museen tatkräftig zu unterstützen und Sachen gemeinsam zu machen – participatory heißt das manchmal auf Twitter. Weshalb haut das manchmal noch nicht so richtig hin? Weshalb engagieren sich Besucher zwar vor Ort in Museen (ehrenamtliche Mitarbeit, Mitgliedschaft im Freundeskreis) und nicht digital? Es fehlt anscheinend weitgehend ein digitales Pendant für den digitalen ‚Nutzer‘? Muss es noch erfunden werden?

Nun, in den Sozialen Medien ist der ‚digitale Freundeskreis‚ manchmal bereits da! Aber: diese etwas lockere ‚community‚ könnte von den Museen noch viel mehr als eine Möglichkeit zur Unterstützung und Kooperation betrachtet, dargelegt und genutzt werden. Im Schnitt sind die Themen im ‚Unterstützen Sie uns‘-Part von Museumswebsites immer noch ausschließlich Spenden, Schenkungen, Firmensponsoring und Mitgliedschaft im Freundeskreis. Der Hinweis auf Präsenz in Social Media dagegen ist meistens nur anderswo zu finden, unter dem Nenner ‚Folgen Sie uns‘.

Liebe Museumsleute, nutzt die Stunde, fangt an, den Dialog auf Blogs und Social Media auch als Chance zum Unterstützt-werden zu werten, als solche auf Eurer Website zu präsentieren und die ‚Nutzer‘ dazu aufzurufen! Gebt ihnen das Gefühl, dass nicht nur ihr Geld sondern auch ihre Meinung und Ideen Euch unterstützen können! Lasst uns gemeinsam Kultur gestalten!

Ein Beispiel? Das Twitter-Profil vom Ribe Kunstmuseum (@RibeKunstmuseum): sagt: „We tweet about our house, our garden and our collection of Danish Art (1750-1950) – feel free to ask and to comment

Warum OpenGLAM und Europeana für mich wichtig sind

Ich fühle mich sehr der sogenannten OpenGLAM Bewegung verpflichtet. GLAM steht für Galleries, Libraries, Archives, Museums. Openglam.org gehört der Open Knowledge Foundation an und bemüht sich weltweit um freien Zugang zum digitalisierten kulturellen Erbe, das in diesen Institutionen aufbewahrt wird – bzw. eben noch nicht digitalisert worden ist. (Es gibt auch eine OpenGLAM Deutschland , z.B. Stichwort Coding da Vinci). Europeana ist sozusagen ‚Europa’s digitale Bibliothek‚, die dieses digitale kulturelle Erbe strukturiert und auch für Rechner lesbar anbietet.

Schön und gut – war und ist diese lobenswerte Idee im Stande mich vom Sessel zu reißen? Bin ich so faul und ‚Bilder-geil‚, dass ich mir alles im Internet angucken will? Interessiert ‚the real thing‘ mich nicht mehr und schaue ich mir Kunstwerke nur noch im Netz an??

Peter Soemers; Faaborg Museum; #KultDef

Peter Soemers im Faaborg Museum vor dem Gemälde: Gründungsversammlung am 24.06.1910, Foto: Ursula Oberst, CC-BY.

Nein, meine Motivation ist eine andere. Ich bin richtig erstaunt über und berührt von dem, was die Menschen hinter OpenGLAM und Europeana antreibt. Auch das weitet mein Herz. Und lieber als hier den Inhalt von Public Domain, Creative Commons-Lizenzen, Metadata usw. zu erklären, möchte ich Euch die Motivation und Inspiration einiger führender Leute ansprechend, in kurzen Videos, präsentieren: die Menschen, deren Inspiration, deren #KultDef! Ich verzichte hier auf das Erwähnen von Funktionen und Palmares, die könnt Ihr unten bei den Literaturangaben finden.

Merete Sanderhoff

Merete Sanderhoff (@MSanderhoff) von der Dänischen Nationalgalerie in Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, hört nicht auf zu verkünden: Diese Kunstwerke gehören Euch! Wir sind nur Verwalter! Betrachtet sie, nehmt sie in digitaler Form und nutzt sie für Bildung, Forschung, eigene Kreativität, Spass, kommerzielle Zwecke, remixt sie, was Ihr wollt! Gebt den Kunstwerken ein neues Leben, integriert sie in Euren Alltag! (Meine Formulierung, teilweise sinngemäße Zitate). Ist das keine tolle #KultDef?

Video Merete’s Traum:

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Ich möchte kurz einzoomen auf eines der Projekte von Merete: Hintme – ein Modellversuch von neun Dänischen Museen. Die Website Hintme bietet die Möglichkeit, über Twitter Gedanken zu Gemälden in Dänischen Museen zu äußern, Fragen zu adressieren an Kuratoren und an Tweeps, außerdem die Bilder in hoher Auflösung zu downloaden. Das liebe ich! Als ich Hintme entdeckt habe, hat es bei mir gezündet! Es passt genau zu den Ingredienzen eines prägenden Kulturgenusses, wie beschrieben in Teil 1.

Nicholas Poole

Ich verbiete es mir, zu Nick Poole aus England auch nur ein Wort zu sagen. Das Video reicht meiner Meinung nach mehr als dicke!

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Michael Peter Edson

Michael Peter Edson (@mpedson) aus den Vereinigten Staaten ist in meinen Augen ‚der Prophet‚ der OpenGLAM-Bewegung. Propheten haben eine Vision, und die Fähigkeit, Menschen davon zu überzeugen. Manchmal sind sie auch nicht zufrieden mit dem, was die Menschen damit in der Praxis tun: Sie sind fördernd aber auch fordernd. Dies trifft auf Michael zu. Er lässt nicht ab, zu verkünden, wie viel mehr die GLAM’s in Sachen Kultur und Bildung bewirken könnten, wenn sie das ungeheure Potential der Nicht-Professionals im Internet (‚die Dunkle Materie‚ des Internet-Alls ) besser wahrnehmen, schätzen, inspirieren, herausfordern und nutzen würden: „The Internet is different than what came before: everyone can consume, but just as easily, everyone can also contribute, teach, and share. The Internet, like culture, is read and write!“ (Zitat Europeana Dream).

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Ein klasse Beispiel dafür? Wikipedia. Braucht Ihr mehr Beispiele? Blättert einmal im Schnellverfahren diese 231 Slides von Michael durch!

Kultur gemeinsam gestalten – Fazit

Sind wir mittlerweile mit diesen #KultDef’s bei einem naiven Weltverbesserungsoptimismus angelangt? Einem digitalen Kulturoptimismus? Das mag jeder selbst entscheiden. Mich inspirieren diese Menschen und Gedanken. Es ist an uns, etwas daraus zu machen.

Hinter jedem erfolgreichen Mann (für den Fall, das ich das bin) steht eine starke Frau. Die Meinige hat eine ganz eigene Art der Kulturgestaltung – eine mit Humor: Friedeltje at the Gallery. Dann und wann wird mir erlaubt, da mitzumachen. Gestalten wir Kultur gemeinsam!

Die Literaturangaben von Peter Soemers (@PSoemers) sind essentiell für Museen, deshalb habe ich sie auf die Seite „Literatur“ aufgenommen! – Lieber Peter, ein ganz herzliches Dankeschön für diesen fundamentalen Beitrag – ich bin begeistert und habe viel gelernt!


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11 Kommentare

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  7. Prof. Andreas Mayer-Brennenstuhl

    sehr engagierter beitrag, dankeschön. Es gab übrigens von 2000 bis 2010 einen bacghelor-Studiengang „KULTURGESTALTUNG“ in Deutschland.

  8. Pingback: Museum Future | Pearltrees

  9. *winkt zurück! Ein toller Artikel. Nur! Eigentlich brauchen Museen engagierte Leute wie dich weniger, als Menschen und Institutionen, die nicht museale Kunst gestalten, sondern gerade dabei sind welche zu gestalten. Ich meine damit nicht „Berühmtheiten“, die Großgallerien oder sonstiges, sondern die kleinen Kunsthäuser, die Kunstvereine, sonstige „Freie“. Da tut sich eigentlich viel zu wenig. Und ja, das gilt auch für Musik und Literatur etc. Kultur ist so viel mehr! Der Austausch via SM ist dabei generell viel zu gering… #zaunpfahlwinkt

    • Peter Soemers

      Du hast Recht, Michael, Kultur ist soviel mehr – und es gibt sehr viel Gutes und Schönes in der ‚dunklen Materie‘ der nicht-kanonisierten Kunst. Die gegenwärtigen Maler, mit denen ich gelegentlich spreche, befinden sich sozusagen in der Mitte: bereits arriviert in lokalen Galerien, sie können sogar (fast) von ihrer Kunst leben, sind jedoch ’normal‘ geblieben :) Das mag ich! Facebook ist deren bevorzugtes Soziales Medium und sie sind erfreulicherweise dialogbereit!

  10. Pingback: Blogparade: "Kultur ist für mich ..." - Aufruf #KultDef

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