Jedes Unternehmen, jede Kulturinstitution muss die Website optimieren, bevor eine weitere Positionierung im digitalen Raum erfolgen kann. Was muss das Museum tun? Das zu klären, nahm sich die Bayerische Museumsakademie vor in „Der ‚Anker‘ im digitalen Raum“ am 30. Juni 2015 – eine Weiterbildung für Museumsleute und Kulturschaffende. Fünf Redner, fünf Stichworte: Kommunikation, rechtssicherer Internetauftritt, Accessible Web, Verortung interaktiver Inhalte, Usability. Fazit für mich: Mobile, Mobile, Mobile!
Web-Visitenkarte und Konkurrenz
Die Website ist die Visitenkarte im digitalen Raum. Sie macht Lust, das Museum zu besuchen oder sie schreckt ab und treibt den „Sucher“ in die Arme der Konkurrenz. Das kann ein anderes Museum oder ein anderes Freizeitangebot, das sich im Netz verlockender darbietet, sein. Museen konkurrieren nun mal damit, ob sie es wollen oder nicht. Christian Gries aka @cogries (Gründungsmitglied der Kulturkonsorten) grub tief, um die Normalität von Websites darzulegen: Gab es in den Anfängen des Internets, sprich 1993 erst 130 Websites, so explodierte ihre Zahl 2015 auf 950 Millionen. Was bedeutet das?
Professionalisierung des Webauftritts
Professionalisierung ist gefragt, um sich aus der enormen Masse abzusetzen. Die Suchabfragen via Google sind kontinuierlich gestiegen, erst in den letzten zwei Jahren stagnieren sie bzw. verzeichnen einen kleinen Einbruch, der keiner ist, weil weitere Player hinzugekommen sind, wie Facebook oder Youtube. Auf Google Trends spielt der Suchbegriff „museum“ (global) für Deutschland kaum eine Rolle, d.h. es wird nicht so viel danach gesucht, während das in den Vereinigten Staaten ganz anders ist. @cogries macht die andere Wertigkeit dafür verantwortlich und genau hier ist anzusetzen, hier bietet sich viel Potential für Museen, sich zu professionalisieren. Sein Vortrag „Das Herzstück des Ankers: digitale Kommunikation über die Website“ ist via Slideshare einsehbar und Pflichtlektüre.
Ein Blick auf die Vergleichszahlen des Metropolitan Museum of Art offenbart das Potential der Internetpräsenz (@cogries, Slideshare „Ankers“, S. 31, letzter Zugriff 8.7.15):
- Besucher im Museum: 6 Mio
- Besucher auf Website: 29 Mio
- Follower auf Facebook: 90 Mio
Aussagekräftig, oder? Das Internet als „Neuland“ abzutun, ist definitiv keine Lösung für Museen, ähnlich verhält es sich mit Social Media. Auch daran kommt das Museum nicht vorbei. Es ist da, wird genutzt, und entweder das Museum professionalisiert sich hier und setzt die neuen Medien strategisch ein oder es muss hinnehmen, dass die Menschen ihnen andere Freizeitangebote vorziehen, weil diese besser im Netz auffindbar und appetitlicher sind – Stichwort „googeln“. Nachtigall ich hör dich trapsen oder wie war das noch gleich mit den „14 Gründe(n), warum Museen kein Social Media brauchen„?
Mobile – responsive Website
Bevor sich ein Museum auf Social Media stürzt, sollte es zuerst seine Hausaufgaben erledigt haben. Die Website muss optimiert sein: Eine einfache Usabalitity – Benutzerfreundlichkeit – ist vorausgesetzt, ebenso wie ein responsives Design, d.h. die Website passt sich dem zugreifenden Endgerät an, das zunehmend mobile ist: Smartphone und Tablets. Mittlerweile rankt google Websites schlechter, die nicht responsive sind. Das Aufkommen der mobilen Endgeräte verändert die Zugriffsgewohnheiten der Menschen. Während sie morgens in der Bahn ihr Smartphone nutzen, auf der Arbeit vor dem Desktop sitzen, nutzen sie abends wieder ihr Smartphone oder Tablet, um sich zu informieren. Genau darauf verwies @cogries. Andreas Schäfer wartete mit Zahlen auf, die eine klare Sprache sprechen:
- 6,8 Milliarden Menschen
- 1,6 Milliarden Menschen mit Bankkonto
- 4,6 Milliarden Menschen mit Handy
- 77 % der Google-Suche erfolgt mobil
Noch Fragen? Die Website muss auf die veränderten Nutzergewohnheiten reagieren. Erst wenn das getan ist, kann über Social Media und Co weiter nachgedacht werden. Diese vom Museum bespielten Kanäle müssen nach Sybille Greisinger (Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern) auf der Website sichtbar sein. Ihre Spiegelung ist eine Chance für das Museum, mit dem Nutzer in den Dialog zu treten. Dynamisch und individuell informiert er sich so über oder tauscht sich mit dem Museum aus. Die Inhalte lassen sich via Widgets oder Aggregatoren-Seiten wunderbar „appetitlich“ auf der Website einbinden. Für kleinere Museen in Bayern, die noch keine Website besitzen, empfiehlt sich das BYSEUM der Landesstelle zu nutzen: ein CMS basierter Bausteinkasten für Museumswebsites.
Als Best Practices wurden die Webseiten des Städelmuseums, des Hauses der Kunst, des Lenbachhauses und auch das Online-Magazin der Kunstsammlung NRW genannt.
Website optimieren: Tipps für die Usability
Andreas Schäfers (Senior UX Architect bei DieProduktMacher) Ausführungen zur „guten Usability“ einer Website schlug alle in den Bann, erfrischend und sehr klar mit einer Checkliste für uns Teilnehmer – toll und danke dafür! Bevor ich auf die Tipps zur Usability konkret eingehe, stelle ich Leitsätze zur Usability von Steve Krug voran – lesen und hinter die Ohren schreiben:
„Wir befassen uns nicht damit, wie etwas funktioniert, sondern wursteln uns durch“
„Werfen Sie die Hälfte aller Wörter auf jeder Seite raus und vom Rest noch die Hälfte.“
Es geht um Einfachheit. Der Nutzer scannt Webseiten, die Aufmerksamkeitsspanne ist sehr gering und genau die gilt es zu fesseln. Einige Punkte, die ich zum Bloggen schrieb „7 Tipps für den erfolgreichen Blogartikel: Struktur und Leserlichkeit„, führte Andreas Schäfer auf. Wonach suchen die Nutzer? Das muss das Unternehmen, die Kulturinstitution wissen und darauf muss die Website ausgerichtet sein. Es muss schnell klar sein, was den Nutzer erwartet. Vor allem aber muss die Website benutzerfreundlich, intuitiv sein, auf Gewohnheiten eingehen und Informationen leicht zugänglich präsentieren. Hier nun einige Tipps von Andreas Schäfer:
- gelernte Muster führen den Nutzer
- Struktur und Ordnung: Z-Leserichtung beachten. Wichtiges zuerst: Öffnungszeiten, Anfahrt
- Beachten der natürlichen Blickrichtung des Auges
- einheitliche Struktur, Layout, Grid (= visuelle Führung, Zusammenhänge vermitteln)
- eine angemessene Sprache für den Nutzer, keine Schachtelsätze
- umgekehrte Pyramide der Informationen
- klare Hauptüberschriften der Seiten (Titel)
- Zwischenüberschriften
- angemessenen Zeilenabstand
- kein Blocksatz oder zentrierte Sätze
- Links sollten herausstechen und klar sein, was interne oder externe Links sind
- sprechende Links (nicht „hier“, „mehr“)
- Systemzustand sollte gekennzeichnet sein, welche Seiten wurden besucht
- in welcher Navigation befindet man sich
- flache Navigation, Einheitlichkeit
- Audio, Video, Animation mit Bedacht einsetzen, kein Autoplay
- Bilder müssen komprimiert sein (Stichwort: Ladezeit)
- Bilder sind kein Selbstzweck oder Deko, sondern müssen zum Inhalt passen
Die Veranstaltung der Bayerischen Museumsakademie habe ich in Auszügen besprochen. Was fehlt sind die Punkte zum rechtssicheren Internetauftritt sowie zum Accessiblen Web. Hier verweise ich auf die Website von Carl Christian Müller sowie auf Kerstin Probiesch, Jan Erich Hellbusch „Barrierefreiheit verstehen und umsetzen. Webstandards für ein zugängliches und nutzbares Internet“, 2011.
So, das war’s vorerst von der Weiterbildungsfront. Haben dir die Tipps geholfen? Was möchtest du ergänzen?
Nachtrag
Christian Gries fasste seinen Vortrag zu #bmaWeb zusammen, in: „Mobile first – die Zukunft der Museumswebsite“ [letzter Zugriff 9.7.15]
Newsletter KULTUR-MUSEO-TALK
Abonniere meinen monatlichen Newsletter und empfange jeden Blog-Artikel von mir.
Pingback: Community-Aufbau - was leisten SocialWalks, Blogger Relations & Blogparaden dafür? - Teil 2: Digitale Kulturvermittlung| #digkv
Pingback: Urlaubslektüre für Blogger, Frauen, Kinder und den Strand – 2017
Pingback: Blog & Online-Magazin: warum & wie bloggen? Contentstrategie |#Anker16
Pingback: Digitale Reiseplanung: Zur neuen (Museums-) Website in 7 Schritten – MusErMeKu
Pingback: Caritas Ausstellung Paderborn - ein Blog verrät Insiderwissen
Eine Optimierung der eigenen Website ist unerlässlich. Gerade die Mobiloptimierung hat dabei einen sehr hohen Stellenwert, vor allem, seit Google seinen Suchalgorithmus vor einiger Zeit zugunsten der mobiloptimierten Seiten geändert hat.
Lieber Patrick,
yep – genau das kam während der Tagung raus und genau das fasste ich zusammen. Ein gewichtiger Punkt ist tatsächlich die Suchalgorithmus-Änderung von Google bzgl. mobiloptimierter Seiten. Darüber hinaus muss die Performance der Website beachtet werden, d.h. wie schnell baut sie sich auf. Eine schlechte Performance wird abgestraft, aber das ist dir bekannt.
Danke für deinen Kommentar, somit kenne ich nun dein Blog!
Beste Grüße,
Tanja
Pingback: Mobile first - die Zukunft der Museumswebsite
Liebe Tanja,
vielen Dank für die Zusammenfassung – das sind in der Tat die wichtigsten Punkte, die man bei einem Website-Relaunch beachten sollte.
Mittlerweile habe ich seit 2011 schon mehrere Websites beim Relaunch begleitet – auch für mich war das Umdenken auf responsive zunächst schwer. Was früher im Layout alles möglich war, geht heute nicht mehr. Als Design-Fan wird man da ein bisschen wehmütig, aber wenn es um mobile Optimierung geht ist wirklich das Motto: Weniger ist mehr! Der einzige Weg für Museen ist daher: Umfangreiche Inhalte ausgliedern – Storys z.B. in ein Blog, Objektbestände in Datenbanken usw. Nur so kann die eigentliche Website so schlank wie möglich gehalten werden – und so nutzerfreundlich wie möglich.
Für mich persönlich heißt es bei der Konzeption neuer Websites jetzt immer: Mobile first. Das ist zwar sehr minimalistisch auf dem Desktop – aber die blitzschnelle Ladezeit und die einfache Menübedienung (und damit schnelle Orientierung) auf dem Mobilgerät sind einfach zu wichtig – und werden in Zukunft immer wichtiger.
Viele Grüße
Angelika
Liebe Angelika,
du sprichst sehr wichtige Punkte und Lösungen an: Storytelling auslagern, wenn sie trotzdem noch auf der Website gespiegelt werden bzw. auf ihr erkennbar ist, dass es diese gibt, wie Sybille herausstellte.
Aber klar, Blogs, Objektdatenbanken, Pinterest und Co sind sehr gute Möglichkeiten sich zielgruppenspezifisch mit den Menschen auszutauschen. Diese Kanäle erhalten so ein ganz anderes Gewicht als zu sagen „Wir sind dann mal auch auf Facebook“. Es geht um eine allumfassende Kommunikationsstrategie: die Base ist die Website, das Herz das Blog und die Kinderchen die einzelnen Kanäle. Auch hier muss priorisiert werden, was geht und was passt. Auf allen Hochzeiten zu tanzen ist suboptimal.
Danke, dass du aus deinem Erfahrungsschatz mit Websites berichtest – sehr elementar!
Liebe Grüße
Tanja
liebe tanja,
vielen dank für den tollen artikel. das beispiel am metropolitan museum of art zeigt deutlich, dass sogar so ein großes museum fast 5mal so viele webseiten-besucher hat als tatsächliche besucher vor ort. es wäre interessant zu wissen, welchen stellenwert die online-besucher im vergleich haben und in wiefern das met es schafft vermehrt besuche vor ort über die webseite und social media zu akquirieren. weißt du ob es dazu berichte gibt?
ich habe vor kurzem selbst UX tests nach steve krug durchgeführt, meiner meinung nach ein pflichtprogramm für jeden web-developer und redakteur!
liebe grüße aus graz,
anita
Liebe Antia, den Bericht zum MET kann man hier nachlesen: http://www.nytimes.com/2014/03/20/arts/artsspecial/the-mets-director-looks-ahead.html. Spannendes zur Entwicklung der digitalen Strategie des Hauses gibt’s auf einem hauseigenen Blog des MET, das insbesondere Digital Media gewidmet ist: http://www.metmuseum.org/blogs/listing?dept=Digital+Media&st=department. Elementar für mich die kluge Konsequenz (bzw. Frage) des MET zu den Zahlen: „the Met draws about six million physical visitors a year but also has 29 million visits to its website and reaches 92 million people through its Facebook page, which raises interesting questions about what we mean when we speak of “the museum”“. Diese Frage wäre wohl sogar einmal eine eigene Konferenz wert. Ich ahne dann nur, dass diese womöglich nicht in Deutschland stattfinden wird …
.
Liebe Anita, lieber Christian,
ich habe Christian angefunkt via Twitter, hier nun seine Antwort und sie hat es in sich! Danke @cogriesfür die weiterführenden Links! In deinen Vorträgen bist du immer sehr klar, deine Antwort ist es hier auch: Ja, es gibt Stoff zum Nachdenken und ja, ich teile deine Zweifel hinsichtlich der digitalen Präsenz und Innovationsfreude in Deutschland. Trotzdem ist es wichtig, immer wieder den Finger in die Wunde zu legen, wenn es konstruktiv ist und auch das machst du – bitte, bitte weiter so!
Und ja, Anita, dank deines Kommentars, sind wir hier einen Schritt weiter. Nur so funktioniert das und mich freut es sehr, dass der Artikel dich zum Kommentieren anregte. Ich beobachte schon länger eure – @Joanneum – Fortschritte im Web. Im Blog konnte ich schon sehen, dass ihr einiges von UX realisiert habt. Tatsächlich schaue ich weniger auf eure Website nach, sondern lese eher eure Blogposts – oh, wunder, gell?!
Ich denke Angelika von @musermeku spricht auch ganz wichtige Punkte an. Werde bei ihr noch passend antworten.
Ich hoffe, dass einige sich angesprochen fühlen, für ihr Haus weiteres überlegen. Dazu benötigen sie hausinteren Unterstützung und zwar auf allen Ebenen, klar ausgehend von oben, der Museumsleitung. Das Web bietet enorme Chancen. Amerikaner und andere haben es erkannt. Also, es geht doch! Warum nicht aus den Erfahrungen anderer profitieren und auf die eigenen Bedürfnisse anwenden?
Vielen Dank euch beiden!
Herzlich,
Tanja
lieber christian, liebe tanja,
vielen dank für die interessanten links! ich finde die fragestellung nach „was ist museum“ und „was sind unsere besucher“ im digitalen zeitalter sehr wichtig. natürlich geht es um fördergelder die anhand von realen personen argumentiert werden, aber ich glaube es ist wichtig die digitalen besucher auch ins boot zu holen, genauso wie die musik-industrie mittlerweile die downloads in die charts einfließen lässt. aber das ging ja auch nicht von heute auf morgen und wir werden hoffentlich auch einmal an dem punkt ankommen, wo wir unsere online besucher als offiziellen und nicht nur persönlichen erfolg ansehen.
liebe grüße,
anita
Liebe Tanja,
da es zur Weiterbildung „Der ‚Anker‘ im digitalen Raum“ von der Bayerischen Museumsakademie in München doch zu weit war, danke ich Dir für diese schöne Zusammenfassung!
Viele Grüße aus Hamburg
Katrin
Liebe Katrin,
gerne geschehen! Tatsächlich lag es an deiner Bitte auf Twitter, dass ich #bmaweb zusammenfasste. Vor allem das Buch von Steve Krug „Don’t make me think“ finde ich sehr spannend!
Herzlich,
Tanja
Dann bin ich ja froh, dass ich auf Twitter nachgefragt habe ;)! Der Museumsblog vom Archäologischen Museum Hamburg http://www.blog.amh.de hat seinen Relaunch nun erfolgreich geschafft, nun wird langsam Richtung Website geschielt ;) Noch einmal danke für die wunderbaren Tipps!
Liebe Katrin,
bitteschön! Ich werde in der Museumsblogroll euer Blog richtig abändern. Das Design gefällt mir sehr gut!
Bin schon gespannt, was ihr mit der Website machen werdet – sicherlich ändert sie sich auch zum besten!
Herzlich,
Tanja