Suchst du im Web nach „warum bloggen“, wimmelt es nur so von ultimativen Tipps zum erfolgreichen Bloggen. Interessiert dich das Bloggen im ursprünglichen Sinn als Verarbeitung von Ideen und Erlebnisse, dann vermittelt dir Sylvia Hubele auf Jaellekatz wunderbare Denkanstöße. Das Blog ist ihre Spielwiese für verschiedene Textsorten. Sie blickt gerne aus dem Katzenkorb in die Welt hinaus, schreibt über Kultur, Reisen, Bewegendes und mag das „Miteinander-Bloggen“ als Form des Gedankenaustausches. Sie stellte sich meinen Fragen im Montagsinterview.
Liebe Sylvia,
ich weiß nicht, wann wir uns im Netz zuerst begegneten. Kommt mir wie eine gefühlte Ewigkeit vor. Du hast bei meiner Blogparade „Kultur ist für mich … #KultDef“ (2015) mitgemacht und über den Kulturbeutel geschrieben. Unsere letzte gemeinsame Aktion war das #Lustwandeln in Schleißheim und auch beim #perlenfischen entdeckte ich dich – wie schön! Dein Blog www.jaellekatz.de zeigt eine weitere Facette des Bloggens. Für mich knüpft es wunderbar an das Montagsinterview mit Anke Gröner an – verwandt und doch ganz anders.
Warum bloggen? Nachgefragt bei Sylvia von Jaellekatz
1. Stell dich doch bitte kurz vor: Wer bist du? Was machst du beruflich? Wirkt sich dein Blog auf deinen Job aus und umgekehrt?
Ja, wer bin ich eigentlich? Ich fange mal mit der beruflichen Seite an: Studiert habe ich mal Informationsverarbeitung im Bauwesen, anschließend noch Sozialpädagogik. Nach dem zweiten Studium habe ich nur kurze Zeit im eigentlich studierten Fach gearbeitet, dann bekam ich mein drittes Kind, die gelegentlich erwähnte Lieblingshausziege, ich habe Kurse für Mütter (Pekip und starke Eltern-starke Kinder) gegeben und fast gleichzeitig angefangen, für die Lokalzeitung in Nordhessen zu schreiben. Beim Schreiben bin ich geblieben, auch als ich nach Franken gezogen bin. Allerdings schreibe ich jetzt größtenteils für Webseiten und Blogs, seltener noch für Print.
2. Du bloggst auf www.jaellekatz.de seit Juli 2012 – warum hast du angefangen zu bloggen? Ist es dein erstes Blog? Was bedeutet es dir?
Mit dem Bloggen habe ich 2007 angefangen, damals noch bei Blogspot. Der Blog existiert sogar noch, auch wenn ich dort nicht mehr weiterschreibe. Irgendwann wollte ich auf meiner eigenen Webadresse zu finden sein, damals habe ich mir die Domain geschnappt und dort mit dem Bloggen weitergemacht. Ich fand es spannend, über Dinge nachzudenken und darüber zu schreiben, einfach so. Und ich habe viele andere Blogs entdeckt, manchen folge ich bis heute.
3. Woher kommen dein Blogname „Jaellekatz“ und dein Motto „ein Blick aus dem Katzenkorb“?
Jaelle hieß tatsächlich eine Katze bei uns, die wir vor vielen Jahren namenlos aus dem Kasseler Tierheim geholt haben. Sie lebt allerdings schon lange nicht mehr. Der Name selbst kommt aus dem hebräischen, ist von Jael abgeleitet und bedeutet dort „Bergziege“. Der Katzenkorb sagt: Ich sehe Dinge ja zunächst aus meiner Sicht und lasse mich gleichzeitig darauf ein, sie auch mit anderen Augen zu sehen. Ich weiß selten, wohin mich eine solche Reise führt und lasse mich gerne überraschen.
4. Bei dir finde ich ganz unterschiedliche Geschichten. Genau darauf weist du in „Einzigartiges“ hin: „Ich brauche keine Dinge zum Glück, nur mich selbst. Mich und meine Phantasie: Daraus lassen sich Geschichten wie bunte Stoffe weben.“ Wunderbar lyrisch, so wie dein Blog – mal konkret „Stadtmantel“, dann wieder gänzlich anders . Deine Themen überraschen mich. Überraschen sie dich auch oder verbirgt sich dahinter eine Strategie? Wie kommst du zu ihnen oder kommen sie zu dir? Hast du einen Redaktionsplan?
Ich habe weder eine ausgeklügelte Strategie, noch einen Redaktionsplan. Es gibt Zeiten, da schaffe ich es, zweidreivier Mal in der Woche zu bloggen, aber es gibt auch Zeiten, da schaffe ich nur den einen Blogpost pro Woche, der mir die fünf Euro für die Bierkasse erspart. Ironblogger Franken, you know ;-)
Wenn es danach ginge, was ich gerne würde, könnte ich ja jeden Tag bloggen, leider fehlt mir oft die Zeit. Die Themen selbst kommen zu mir, sie drängeln sich gewissermaßen auf. Und ich sehe den Blog auch als Spielwiese für ganz unterschiedliche Textsorten.
Ich habe beispielsweise von meiner Mutter die Briefe bekommen, die mein Großvater aus dem Krieg an die Großmutter schrieb und übertrage sie aus Sütterlin in ein leserliches Deutsch. Zwar hatte ich gedacht, sie – vor allem für die Verwandtschaft – im Blog lesbar zu machen, das fanden aber meine Tanten nicht so toll. Dabei sind sie – in der Menge betrachtet – relativ langweilig zu lesen. Aber darum geht es nicht. Ich habe parallel eine Menge andere Dinge darüber gelesen, Wochenschauen angeguckt und erfinde gewissermaßen Episoden, die mein Großvater so erlebt haben könnte, auch wenn sie in seinen Briefen überhaupt nicht beschrieben sind. Manchmal schaffen es Szenen davon unter dem Punkt „Großvatergeschichten“ bis in den Blog.
5. Es gibt einige Eckpunkte, wiederkehrende Themen bei dir – wie beispielsweise das Tagebuchbloggen am 5. eines Monats – warum machst du das? Welche Themenschwerpunkte sind dir aus welchen Beweggründen besonders wichtig?
Das Tagebuchbloggen und die 12 Bilder am 12. jeden Monats sind zwei Fixpunkte, zwei große Blogparaden, an denen ich gerne teilnehme und dann abends staunend in völlig anderen Universen abtauche.
Der Blog selbst ist meine Spielwiese, an der ich andere Menschen teilhaben lassen möchte, ebenso wie ich gerne auf anderen Blogs stöbere. Ich lasse Menschen bei mir zu Besuch sein und ich besuche andere. Ich mache mir hier keine Gedanken über Suchmaschinen, Optimierung oder andere Dinge. Dass ich davon trotzdem eine Menge verstehe, ist eine andere Baustelle.
6. Bei dir fehlen die Social Share Möglichkeiten – warum? Ist dir das Verbreiten deiner Gedanken und ihre Diskussion im Social Web einerlei? Daran schließt sich natürlich umgehend die Frage an, warum du passwortgeschützte Beiträge hast? Was verbirgt sich dahinter?
Hm. Bei anderen nutze ich diese Social Share Möglichkeiten selbst nicht. Wenn ich etwas teile, dann direkt über Twitter oder Facebook, wenn ich etwas sagen möchte, kommentiere ich im jeweiligen Blog. Ich kam noch nicht darauf, dass ich diese Möglichkeiten in meinem Blog brauchen könnte.
7. Vernetzung treibst du voran, insofern du am Ende eines Artikels „verbunden bist mit“: meistens sind es Initiativen von Bloggerkollegen, Themenvorgaben oder Blogparaden – das gefällt mir richtig gut, da es tatsächlich gelebte Vernetzung ist, eben das, was Bloggen ausmachen kann. Was reizt dich daran?
Initiativen und Themenvorgaben reizen mich, wenn mich das Thema selbst interessiert, anspricht und Gedanken auslöst. Dann empfinde ich ein solches „Miteinander-Bloggen“ wie einen Gedankenaustausch, oder eine Diskussion, die zwar online und oft mit weit entfernten Menschen stattfindet, aber dank Internet trotzdem möglich ist.
Ob Gedanken über Heimat, über Kleidungsstücke oder Fotos von rostigen Dingen: Solange es Vergnügen macht, mache ich gerne mit. Meine neueste Entdeckung sind die abc.etüden: Sonntags gibt es drei Wörter als Vorgabe, daraus darf eine Geschichte mit maximal zehn Sätzen entstehen.
Und die beiden passwortgeschützten Beiträge sind als kleine Szenen mit Hilfe der drei Vorgabewörter entstanden, da ich aber gleichzeitig an einem Kurzkrimi saß, passten sie ganz wunderbar dort hinein. Ähm. Da ich diesen aber zu einem Wettbewerb eingereicht habe, darf davon erst einmal nichts online stehen. Deswegen der Schutz ;-)
8. Wir haben uns zum ersten Mal real beim Tweetwalk #Lustwandeln in Schleißheim kennengelernt. Für mich ist es immer wunderbar, meine digitalen Austauschpartner schließlich zu treffen und zu erkennen, dass Digital sehr authentisch sein kann. Deinen Post zum Lustwandeln – ein Zwiegespräch mit dem Kurfürsten – fand ich einfach nur großartig. Wie bist du darauf gekommen? Wie empfandest du das #Lustwandeln jetzt aus der Rückblende betrachtet?
Ich fand zunächst die Idee des Lustwandelns so großartig. Dazu muss ich ein wenig ausholen: Ich habe in Kassel Sozialpädagogik zu einer Zeit studiert, in der es nicht nur möglich, sondern ausdrücklich erwünscht war, in anderen Fachbereichen zu schnuppern. Eine Professorin für Kinderpsychoanalyse hielt gemeinsam mit einem Stadtplaner beispielsweise eine Vorlesungsreihe über Architektur, Stadt- und Raumplanung und die Position des Menschen darin. Kassel mit seiner auf Schloss Wilhelmshöhe ausgerichteten Zentralperspektive ist natürlich ein wunderbares Beispiel. Aber damals wurde auch darüber diskutiert, wann ein Haus einladend und wann es abweisend wirkt. Und während manchen Menschen (Dienstboten einst, beispielsweise) das Konzept des Spazierens und Flanierens erst beigebracht werden musste, nutzten es ja die Philosophen der Antike zur Erinnerung und als Denkanstoß. Das ist jetzt alles ziemlich verkürzt, vielleicht gibt das mal wieder einen Anstoß zu einem längeren Blogpost, mal sehen.
Die Idee mit dem Zwiegespräch war einfach da. Vielleicht gab es eine Bemerkung während des Lustwandelns, die mich darauf gebracht hat, ich weiß es nicht mehr. Aber ich habe von Anfang an immer daran überlegt, wie es wäre, wenn der Kurfürst tatsächlich noch da wäre und uns etwas erzählen könnte.
Überhaupt fand ich das gemeinsame Lustwandeln großartig, schließlich macht es viel mehr Spaß, mit mehreren Menschen unterwegs zu sein, Dinge zu entdecken, sich gegenseitig auf Sachen aufmerksam zu machen und so weiter. Wir Menschen sind schon Gesellschaftstierchen – und die schönsten Sachen können dann entstehen, wenn man sich gegenseitig ansteckt und inspiriert, statt immer nur ängstlich darauf zu gucken, dass einem der Nebenmann nicht die Ideen maust.
9. Kultur-Museum-Frage: Kultur gehört zu dir. Du schreibst oft und gerne über Kulturthemen, Kulturreisen sowie Museumsbesuchen. Liest du Museumsblogs? Welche Geschichten möchtest du dort gerne in welcher Form erfahren? Gibt es etwas, dass du dir von Museen oder allgemein von Kulturinstitutionen wünschst?
Kultur gehört doch zu jedem Menschen, oder?
Ich habe für die nordhessische Lokalzeitung immer wieder über Kultur geschrieben, über Konzerte, über Ausstellungen oder Aufführungen. Die Lieblingshausziege hat mich gerne begleitet, damals war sie noch im Grundschulalter. Oft war sie allerdings das einzig anwesende Kind – und die Besucher fast sämtlich im Rentenalter. Ich habe mich damals schon gefragt, wie wir jemals die nächsten Generationen für Kunst und Kultur begeistern wollen und immer wieder angeregt, dass doch Kinder bis 12 Jahre einfach keinen Eintritt zahlen sollten. Dann können Eltern oder Großeltern ihre Kinder oder Enkel einfach in ein Konzert mitnehmen… falls es den Kindern dort etwas langweilig wird, gibt es meistens irgendwie eine Möglichkeit, wo sie sich beschäftigen könnten und alle anderen in Ruhe weiter lauschen.
Was Museen betrifft: Oft sind es nur einzelne Exponate, die begeistern. Als meine älteste Tochter vier oder fünf Jahre alt war, wohnten wir in Weimar. Sie ist drei Tage lang hintereinander in das Museum für Ur- und Frühgeschichte gegangen, einfach weil dort ein Schädel mit Trepanationsnarben zu sehen war. Völlig unspektakulär, aber für ein Kind spannend genug.
Die Exponate müssen auch nicht unbedingt speziell für Kinder aufbereitet sein. Ich glaube, dass Kinder viel mehr verstehen, als wir oft denken, vor allen Dingen dann, wenn sie sehen, dass uns die Dinge begeistern. Ich habe auch schon Audio-Guides und andere Hilfsmittel abgelehnt, weil ich denke, wenn mich die ausgestellten Dinge nicht ansprechen, dann brauche ich auch keine ausführlichen Informationen darüber, die vergesse ich ohnehin wieder.
Sind Exponate dagegen klug inszeniert und erklären einen Zusammenhang, vielleicht auch etwas, das ich so noch nicht wusste, dann bleibt mir das eher im Gedächtnis als eine reine Aufzählung von Jahreszahlen und Fakten. Hach – und eigentlich wünsche ich mir viel mehr Zeit, um Ausstellungen und anderes zu besuchen. Manchmal würde ich mir allerdings auch Gespräche wünschen, einen Austausch über die ausgestellten Dinge, wie ein zwangloses Plaudern, zu dem jedem etwas einfällt und über die unterschiedlichen Assoziationen ergeben sich wieder neue Sichtweisen…
10. Dein Lebensmotto für die LeserInnen: Was möchtest du ihnen mitgeben?
Neugierig bleiben. Überraschen lassen. Staunen. Immer nach dem Motto des Sokrates Ich weiß, dass ich nicht weiß.
Du findest Sylvia Hubele auf:
Blog | Twitter
Liebe Sylvia, vielen herzlichen Dank für das klasse Montagsinterview. Je mehr Blogger ich befrage, umso mehr denke ich über das eigene Bloggen nach. Ein großen Merci für die Impulse!
Jetzt bist du dran: Frag oder sag, was dich bewegt!
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Hallo Tanja,
dann wechsle ich doch mal von der Twitter-Unterhaltung hierher. ;-)
Das Interview mit Sylvia hat bei mir tatsächlich eine Menge Ideen in Gang gesetzt. Angefangen damit, dass ich das Tagebuchbloggen einmal ausprobieren möchte und auch die Blogparade 12 von 12 finde ich sehr spannend. Man könnte z.B. an jedem 12. ein Museum besuchen o.ä.
Insgesamt ist mir aber auch bereits durch die anderen Montagsinterviews bewusst geworden, dass ich die Vernetzung innerhalb der Bloggerlandschaft bisher einfach nicht ausreichend berücksichtigt habe. Das sollte ich dringend ändern.
Und vielleicht klappt es ja auch demnächst mit einer eigenen Blogparade. Wer weiß.
Liebe Anja,
prima, dass du deine Gedanken hierhin verlagert hast. So sind sie für alle transparent und verschwinden nicht im Nirvana der Social Streams. Gleichzeitig startet so schon die Vernetzung ;-) – da andere so bei dir ebenso spickern können.
Es freut mich sehr, wenn die Montagsserie Denkprozesse auslöst, das war meine Absicht. Mich erwischt es ebenso. Ich bin jedes Mal erneut völlig geplättet, wenn ich die Antworten meiner Interviewpartner erhalte, so wie hier von Sylvia, letzte Woche von Anke, davor von Björn, Sylvia, Nadja, …
Schön wäre es, wenn untereinander noch mehr Verbindung entsteht. Jeder hat seine Verpflichtungen, ich weiß, ergeht mir nicht anders. Auch ich kommentiere zu wenig, aber ich denke, auch das sollte nicht in Stress ausarten. Nur, weil ich das nicht tue, heißt es nicht, dass ich nicht lese und mir keine Gedanken dazu mache, Fehlanzeige. Natürlich nehme ich mir die Chance, über das Kommentieren weitere Ideen zu entwickeln.
Dann ping mich gerne mal an, was du aus den Gedankenanstößen machst. Das Tagebuchbloggen am 5. eines Monats finde ich auch verführerisch. Mal schaun. Und klar, her mit einer Blogparade. Habe gerade gestern nach Blogparaden gesucht. Noch sprach mich kein weiteres Thema an, Kulturblogparaden sind rar. Wie du eine solche erfolgreich organisierst findest du hier: https://www.tanjapraske.de/digitale-kommunikation/bloggen/10-tipps-fur-die-erfolgreiche-durchfuhrung-einer-kultur-blogparade/
Meine nächste Blogparade erarbeite ich für ein Museum im Spätsommer. Infos gehen dazu noch raus.
Alles Gute für dich!
Herzlich,
Tanja