Neue Serie, neues Glück für die neue Blogkategorie „Kinder, Museum und Kultur“. Nach dem Besuch des Lenbachhauses ging es dieses Mal mit meiner Familie in das Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen. Das Objekt der Begierde: Ötzi. Just bevor das Museum schloss, standen wir davor und, oh Wunder, alle wollten hinein. Junior und Daddy begleiteten uns Mädels aus freien Stücken. Und? Operation Ötzi war ein herrlich kurzweiliger Speedy-Besuch mit ganz verschiedenen Wahrnehmungen und Interessen. Wie das?
Nun, wir hatten eine satte halbe Stunde uns die Ausstellung um den Gletschermann anzusehen – eine anfänglich recht textlastige Exposition, allerdings in kleinen Häppchen verpackt und somit für die Eltern, den zwölfjährigen Junior und die Vierjährige leicht bekömmlich. 18 Euro kostete der Eintritt für uns Erwachsene, die Kinder zahlten nichts. So weit, so gut. Aber Männer ins Museum verschleppt – geht das? Definitiv: Ja!
Mediale Aufbereitung der Entdeckung Ötzis
Schräg versetzt gestellte, fast vollständig bedruckte Ausstellungsflächen empfingen uns. Gefühlt wanderten wir durch eine Gletscherspalte im Gebirge, vollbeladen mit deutschen, italienischen und englischen Texten sowie Graphiken. Nachdem sich die erste Verwirrung legte, wussten wir, wo wir zuerst hinschauen mussten. Tatsächlich war es nicht zu viel Beschriftung. Wenige Aussagen pro Text erleichterten uns das Verständnis: Raum- (Historie) und Detailtexte mit einer einfach erfassbaren Botschaft boten einen guten Zugang zur Materie. Wie gesagt, wir hatten nur eine halbe Stunde zur Verfügung, ein Teil von uns wollte nicht wirklich hinein und wir konnten nicht alles wahrnehmen. Deshalb war es eine nette Idee, gleich zu Beginn der Ausstellung Videosequenzen über die Umstände der Entdeckung Ötzis zu bringen. Hier und im zweiten Stock durften wir noch fotografieren, im ersten Geschoss mit Ötzi und den Fundgegenständen herrschte Fotografieverbot.
Faszination Ötzi
Wir wollten sofort zu ihm. Eine geschlängelte Führung just vor dem „Kuckfenster“ mit Ötzi ließ erahnen wie es hier zur Hauptbesuchszeit zugeht. Für uns war es angenehm, wir mussten nicht warten und schauten uns die Mumie genau an. Für Junior und uns Eltern war die Präsentation der Leiche passend, für die Kleine jedoch nicht. Sie musste hochgehoben werden, um den 15 kg schweren Mann zu sehen. Angst bekam sie keine, obwohl die Gestalt doch recht schaurig wirkte. Ihre 15 kg machten sich auf dem Arm schnell bemerkbar. Lange lässt sich so dem Faszinosum Gletschermann nicht erliegen. Also, ab ging’s weiter durch die Ausstellung.
Bärenmütze, Lendenschurz, Sperrspitzen und Zwirn zwiebeln …
… waren für die Vierjährige spannend. Warum trägt er Bärenkleidung? Warum ist er gestorben? Was ist das? Diese Fragen kamen wie aus der Pistole geschossen und sollten sofort beantwortet werden. Junior hingegen fragte nichts. Ehrlich gesagt langweilte es ihn, wenngleich er immerhin die Texte las. Denn sobald wir etwas laut vorlasen, unterband er es umgehend „ich kann lesen, habe es bereits getan.“ Wir hatten uns für ihn eher auf die technischen Aspekte konzentriert, die Kleine interessierte das weniger. Ergo unterließen wir es aktiv mit ihm ins Gespräch zu kommen, sondern warteten ab was ihn „ansprang“. Mini war von der Mitmach-Station „Zwirn zwiebeln“ angetan. Also saßen wir zwei dort gemeinsam und zwirbelten. Das hätte sie wohl stundenlang durchgehalten, wenn wir nicht zum Gehen aufgefordert worden wären.
Multimedia – interaktive Touchstation: ein Operationstisch mit Ötzi
Hier war die Aufmerksamkeit von allen wieder da. Während ich noch anmerkte, „schaut euch mal den Operationstisch mit dem beleuchteten Ötzi an – so groß ist er in Wirklichkeit“ (pädagogisch sinnfrei, ich weiß), schnappte sich Sohnemann sogleich die DIN-A4 großen, multifunktionalen Blätter, wischte sie über Ötzi zu den für ihn interessanten Stellen und switchte zwischen den Funktionen (Röntgenblick, Gewebefokus, Knochenbau, Vergrößerung etc.) hin und her. Seine intuitive Erfassung der Funktionsweise erstaunte mich. Ich begriff es nicht so schnell. Mini ahmte Junior natürlich sofort nach – ein für sie schwieriges Unterfangen, da die Station nicht für Kleine konzipiert ist. Wo ein Wille ist, ist bekanntlich ein Weg. Also, hinaufklettern und den anderen Besuchern schnell das DIN-A4 Blatt rauben, hin und her wischen, ohne tatsächlich etwas wahrzunehmen, sondern einfach nur des Wischens und des Sehens wegen. Witzige und spannende Interaktion!
Und was machte Daddy?
Er las die Raum- und Objekttexte und berichtete im Anschluss über Altersschwächen, Meniskusschäden und Rückenprobleme Ötzis (mehr zur Krankengeschichte Ötzis findet Ihr hier). Da wir anderen dazu keine Zeit hatten, war es klasse, dass er uns nach dem Museumsbesuch über seine Kenntnisse aufdatierte. Ich muss gestehen, es war eher für mich klasse, denn Mini und Junior interessierte jetzt nur noch der versprochene Kakao.
Was blieb den Kids nach fünf Tagen noch in Erinnerung?
Junior …
… wusste noch, dass Ötzi gekühlt wird, da er sonst zerfällt. Dass er eine Kopfverletzung hatte, der er erlegen war, weil er ermordet wurde. Ötzi hatte irgendetwas vom Bären an und führte einen Köcher mit sich. Den multifunktionalen Operationstisch, der ihn in der Ausstellung „ansprang“, hatte er komplett vergessen. Hm … wie war das noch mit Schnelllebigkeit der Medien bzw. Nachhaltigkeit klassischer versus moderner Ausstellungskonzepte?
Mini …
… gefiel besonders der braune Skelettmann und der Ötzi. Warum? Weil es der braunste Mensch war, den sie je gesehen hat (ähm, stimmt nicht ganz). Und noch etwas? – ja, die Schuhe, weil sie aus Fell waren … und der Gürtel … und der Knüppel. Mit dem Knüppel meinte sie das Beil, das beim Toten lag. Vor Ort schaute sie sich die erläuternden Zeichnungen sehr genau an und löcherte uns mit Fragen. Und genau das – unser Frage-Antwort-Spiel – blieb ihr neben der Mode in Erinnerung (Mädchen!), auch wenn diese nicht rosa und bunt war.
Das Südtiroler Archäologiemuseum und Bildrechte …
… ist vorbildlich. Auf Nachfragen, ob ich für einen Blogpost Fotos in der Ausstellung machen dürfte, erhielt ich die Visitenkarte der zuständigen Bearbeiterin für Foto- und Filmrechte. Sie beantwortete umgehend meine Anfrage via Mail. Eigene Fotos im Erdgeschoss und zweiten Geschoss darf ich veröffentlichen. Für Fundgegenstände und Ötzi muss eine schriftliche Vereinbarung unterschrieben werden. Das angeforderte Bild – das Beil Ötzis – erhielt ich subito – vielen herzlichen Dank für den schnellen und unkomplizierten Service!
Fazit
Der Museumsbesuch bildete einen prima Auftakt für unseren Familienurlaub. Ihr könnt den Spuren Ötzis auf der Facebookseite des Südtiroler Archäologiemuseums nachgehen. Unsere erste Station auf dem Weg in die Toskana war wunderbar, weitere Posts folgen noch.
Hier ein Teaser-Video des Museums – ein Appetithappen
Nachtrag – Blogtipp
Im Blog von Jenni Fuchs „Museums Diary“ gibt es eine sehr empfehlenswerte Kategorie „Kids in Museums“ – hier berichtet sie über die Museumsbesuche mit ihrem Kleinen – prima!
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Guten Tag !
wollen Sie wirklich wissen, wer Ötzi ist und was auf ihm steht, dann sollten Sie
wohl zunächst klären, wem „das Deutungsrecht“ zusteht.
Dann kann das „Geheimnis“ gelüftet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Thun
Guten Tag Frau Thun,
„das Deutungsrecht“ … hm … damit tue ich mich sehr schwer, es ist auch nicht Thema des Blogposts. Hier geht es schlicht darum, wie Kinder die Ausstellung um Ötzi wahrnehmen. Da spielt Deutungsrecht keine Rolle. Wichtiger ist für mich die Frage, wie erreichen Museen Jugendliche – ein schwieriges Unterfangen mitunter. Eine Vierjährige ist schnell zu begeistern, bei einem Zwölfjährigen sieht es anders aus. De facto fasziniert mich, was meine Kinder wie wahrnehmen. Dann kann ich mich komplett von meinem Ballast als Kunsthistorikerin, dem Wissen, befreien und mich selber wieder ganz unbedarft auf Kunst, Artefakte, Menschheitsgeschichte einlassen. Darum geht es mir hier und genau das Thema treibe ich voran. Wenn Sie meinen Lenbachpost dazu lesen, erhalten Sie einen Eindruck, wohin die Reise in der Kategorie „Kinder, Museum und Kultur“ geht: https://www.tanjapraske.de/2013/07/17/kindersicht-bei-sintflut-ins-lenbachhaus-tweetup-sei-dank/
Vielen Dank für Ihren Kommentar, somit konnte ich meine Zielsetzung nochmals schärfen.
Mit freundlichen Grüßen
Tanja Praske