Lieblingsfotograf, Mittelalter für Kinder, Verschwörungstheorien und Tänzerin | #Museumswelt – KW 22/2020

Jedes Mal fällt es mir schwer, die Auswahl der Blogartikel zur Museumswelt zu treffen. Eintauchen in Alltag und Gedankenwelt der Museen versetzt mich in einen heilsamen und inspirierenden Ruhezustand. Nebenbei tut das Schreiben gut. Erneut habe ich einen bunten Themenstrauß für dich: Hannah Arendt und ihr Lieblingsfotograf, das Kinderblog des Museums Burg Posterstein, ein Workshop für Jugendliche wie aus einem Holzklotz geschnitzt, Privatsphäre, einem frustrierten Degas und vier Verschwörungstheorien. Happy reading an Pfingsten!

Museum Burg Posterstein - Blogartikel im Mai 2020 zur Museumswelt
Das Museum Burg Posterstein hat zusätzlich zum Museumsblog ein Kinderblog. Hier beantworten Post und Stein Fragen, die kleine und große Besucher ans Museum stellten. Wunderbare News aus der Museumswelt.

Fred Stein – Hannah Arendts Lieblingsfotograf – Deutsches Historisches Museum (25.5.2020)

Fred Stein fotografierte Hannah Arendt ab 1944 mehrfach. Er orientierte sich zunächst an seinem Vater, der empfahl, die Kunden zunächst zu Hause in ihrem gewohnten Umfeld zu fotografieren, bevor andere Aufnahmesituationen hinzukamen. Die Biographien von Hannah Arendt und Fred Stein sind sehr ähnlich. Beide flohen mit ihren Familien nach Paris, bevor sie 1941 nach Amerika auswanderten und sich hier eine Karriere aufbauten. Wohl erst in New York lernten sie sich kennen. Fred Stein war gesundheitsbedingt ab 1950er Jahren ausschließlich als Porträtfotograf tätig.

Mitunter fotografierte er auch Klaus Mann – et voilà, schon bin ich wieder bei #ErikaMann. Das Thema Demokratie verbindet beide Frauen. Hier zitiere ich gerne aus dem nachfolgenden Blogpost des DHMs Hannah Arendt hinsichtlich ihrer Lehren aus dem Nationalsozialismus:

Nicht mitmachen, selber urteilen: dass man nicht Wir sagt, sondern dass man Ich sagt, dass man selbst urteilt.

Warum heißt das Mittelalter eigentlich „Mittelalter“? – Burg Posterstein (26.5.2020)

Das Kinderblog erklärt den Begriff „Mittelalter“. Tatsächlich erzählen die Burggeister Posti und Stein wunderbar eingänglich für Kinder, was das Mittelalter ausmachte, etwa was das Wort „Mittelalter“ bedeutet, wann es wer erstmals benutzte und wie die geographische Verortung war. Begleitet wird der Artikel mit einem YouTube-Video. Es beschreibt anschaulich und gut nachvollziehbar die Zeit – eine herrliche Kombination. Und ich wette, Erwachsene lesen und sehen auch gerne diese Ausführungen – zumindest erging es mir so.

Und das Schöne am Kinderblog: Deine Kinder und du können Fragen an Posti und Stein im Kommentar oder via E-Mail stellen. Das Museum beantwortet sie – fünf Sterne dafür!

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Museum Burg Posterstein erklärt das Mittelalter.

Und wer noch mehr über die Arbeit des Museums im Digitalen erfahren möchte, der liest mein Montagsinterview mit Marlene Hoffmann: „Warum Social Media mit Bloggen im Museum?“.

Aus dem Homeoffice (8) – Wie aus einem Holzklotz ein Workshop wird – Jüdisches Museum München (27.5.2020)

Kerstin Baur vom Jüdischen Museum sitzt daheim im Homeoffice und bastelt an einem Workshop für Jugendliche, nicht allein. Sie schnitzt sich diesen ähnlich wie eine Figur, die aus einem Holzklotz entsteht. Dazu nutzt sie Passagen aus Sofia Sokolov und Viktoria Lewowsky Theaterprojekt „Sheyn vi di zibn veltn“. Diese unterhalten sie dabei mit verschiedenen Interviewpartner*innen über Themen des jüdischen Lebens und Kultur. Jugendliche kannten bisher in der Schule überwiegend die historische Perspektive, nicht aber die aktuelle. Darum geht es im Workshop: gegenwärtiges jüdisches Leben, Selbstwahrnehmungen und Lebensentwürfe greifbar zu machen.

Wie ist das machbar in Zeiten von Covid 19 mit Social Distancing? Hier wirkt jetzt Comiczeichnerin Barbara Yelin mit: Sie fertigt Illustrationen zu den Interviewpartner*innen an und lässt tief blicken in deren Gedankenwelt. Der Workshop soll im neuen Schuljahr zur Verfügung stehen. Das Konzept klingt klasse und die Illustrationen sind wunderbar.

Programmentwicklung in Zeiten von Social Distancing fordert heraus, darauf geht das Museums in einem weiteren, inputreichen Blogpost ein: „6484 Kilometer „physical distance“ – Oder: welche der während der Corona-Krise entwickelten neuen Alltagserfahrungen können für unsere kuratorische Arbeit übernommen werden?

Jetzt erschlagt mich nicht: Positiv an Covid 19 ist für mich die zunehmende Digitalisierung. Sie lässt Museen erfinderisch und betriebsamer im Digitalen werden, oft entblößen sie ihre Gedankenwelt, lassen uns teilhaben an ihren Herausforderung und bloggen mehr. Mein Appell: Bewahrt euch das unbedingt, auch in ruhigeren, „normalen“ Zeiten. Wobei … was vor Covid „normal“ war, wird anders nach „Covid“ sein. Also, lasst uns uns gegenseitig wahrnehmen: ein vorurteilsfreies Miteinander, geprägt von Respekt und Achtung vor der Menschenwürde.

Privatsphäre „Nur ein Zimmerchen irgendwo …“ – Germanisches Nationalmuseum (28.5.2020)

Das GNM_Blog bedeutet mir persönlich viel – warum schrieb ich in der Museumswelt KW21. Bloggt Thomas Aufleger, dann schaue ich noch genauer hin, da er es wunderbar schafft, Gegenwart mit Vergangenheit in lockerer Art und Weise zu verbinden. Gerne verweise ich auf „Mit Reifrock auf Abstand“. Ganz „nebenbei“ erhalten wir einen Exkurs in die Kulturgeschichte bzw. Phänomene der Kunstgeschichte. Hier die Interieurmalerei, die zwar schon in der flämischen Malerei bekannt, im Biedermeier nochmals eine andere Wendung erfuhr.

Gerichtet an einen erlauchten Kreis der höfischen Kultur, zeigte es wie einst Herzogin Auguste von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1757-1831) lebte. Beiläufig erfahren wir, wer von ihr abstammt und dass die Graphik – Auslöser des Artikels – nach ihrem Tod angefertigt wurde.

Kleine Tänzerin – großer Skandal – Städelmuseum (28.5.2020)

Oha, als Skulpturenfrau muss ich es irgendwie schaffen in die Ausstellung „Impressionismus in Skulptur“ des Städelmuseums zu gehen, die bis zum 25. Oktober dort läuft. Die Geschichte um die Skulptur Degas fesselt mich. Anlässlich der 6. Ausstellung der Impressionisten fertigte er die Skulptur der 14-jährigen Ballettelevin Marie van Goethem nach zahlreichen zeichnerischen Vorstudien an. Diese beschwor für ihn unerwartete Kritik hervor. Zunächst stieß Kritiker seine unorthodoxe Materialwahl auf: eine „Mischung aus Eisen, Draht, Holz, Seilen, Ton und zur Stabilisierung in die Arme der Figur eingearbeiteter Malerpinsel“. Eine Skulptur aus Wachs entsprach zuvor nur Vorstudien, nicht aber das tatsächliche Werk.

Moralisch verwerflich galt zudem das Sujet der Tänzerin, da die Theater- und Opernwelt hier Prostitution hervorbrachte. So eine Darstellung konnte also per se kaum goutiert werden. Die harsche Kritik traf Degas sehr, so dass er zu Lebzeiten nie wieder eine Skulptur ausstellte. Das Städelmuseum zeigt einen Bronzeguss der 14-jährigen Tänzerin.

Fake News und Verschwörungstheorien um den Corona-Virus – Deutsches Spionagemuseum (29.5.2020)

Das Deutsche Spionagemuseum nimmt sich vier Theorien an, die Inhalte von Fake News und Verschwörungstheorien sind. Zunächst stellt es diese vor und unterzieht ihnen anschließend einen Faktencheck. Dieser spricht gegen sie. Tatsächlich werden diese Verschwörungstheorien immer präsenter und provozieren innerfamiliäre Parteinahme für oder gegen diese Theorien. Ich finde es heilsam, diese kursierenden Meinungsbilder im Überblick gebündelt zu lesen. Diese sind:

  1. Das Corona-Virus stammt aus einem Geheimlabor
  2. Corona-Maßnahmen als Weg in die Bill Gates-Diktatur
  3. Corona ist ein Ablenkungsmanöver des US-Präsidenten
  4. 5G-Mobilfunk verbreitet Corona-Virus

In einem nächsten Blogpost bespricht das Deutsche Spionagemuseum, wie wir Verschwörungstheorien und Fake News von realen Meldungen unterscheiden können.

Für jedes Kleid den passenden Körper – Landesmuseum Stuttgart (29.5.2020)

Kleider machen Leute – daran musste ich sofort denken, als ich den Titel des Blogartikels des Landesmuseums Stuttgart las, die abgebildeten Figurinen zogen mich zudem an – et voilà, ich las einen spannenden Bericht, was alles hinter einer Szenographie der Ausstellung „Fashion?! Was Mode zu Mode macht“ (läuft bis 24. Oktober 2020) steckt.

Die Figurinen sind individuell für die Kleidungsstücke von einem Hersteller für Museumsfigurinen angefertigt. Damit sind diese schadstofffrei und ungefährlich für die Kleidung, auch in der Größe. Die erste Frauenjeans aus den 1950er Jahren besitzt so schlanke Beine, die keine bestehende Figurine hatte oder das Kleid einer Dragqueen, die weder einer Frauen- noch einer Männgerfigurine gepasst hätte. Interessant auch, warum in der Schau manche Figurinen mit Kopf, andere hingegen kopflos andere ausgestellt sind. Ich mag diese Blicke hinter die Kulissen sehr.

Es gab noch einige andere Artikel, die ich gerne las. Wenn du Zeit hast, dann pflege doch mal die Museumsblogs in dein Feedly ein und du bist immer up-to-date, was in der Museumswelt gerade passiert. Oder aber: Lese regelmäßig meine sonntägliche Auswahl dazu!


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4 Kommentare

  1. Liebe Tanja,
    Wir haben uns sehr über dein Lob und die Erwähnung gefreut!!! Wir sind gerade dabei, den Kinderblog mit einfachen Mitteln und kleinem Budget um Ton/Video-Elemente zu erweitern. Spannende Fragen gibt es viele! Und die nächste Familienausstellung in der Burg wird sich mit dem Alltag eines Burgherrn im Mittelalter beschäftigen. Sie soll im Oktober eröffnet werden :)
    Auch die anderen Beispiele für tolle Museumsblogthemen hast du super ausgewählt – vielen Dank für die Tipps!
    Ganz liebe Grüße aus Posterstein,
    Marlene

    • Liebe Marlene,

      wunderbar, dass du die Kommentar-Funktion nutzt – etwas, was mich sehr freut, da das doch nachgelassen und sich ins Social Web verlagert hat. Damit entginge den Lesern Eure Planungen fürs Kinderblog. Wollt ihr das per se Ton über Video einbringen oder plant ihr so etwas wie einen Blogcasts eventuell gar einen Podcast?

      Beschäftige mich auch gerade mit dem Thema und Museumscast hat mi r da schon hervorragende Tipps gegeben. Jetzt habe ich ein H6 Zoom daheim mitsamt vier Kopfhörern – Frau kann ja nie wissen, gell?

      Heute drehe ich erneut ein Video mit Frido Mann, morgen schneiden und dem Buddenbrookhaus für das Livestreaming am 6. Juni, ab 19:30 zusenden und danach hoffentlich die Zeit finden, endlich unseren Video-Rundgang mit Frido Mann aus Dezember als Audio über Soundcloud zur Verfügung stellen.

      Also, gerne her mit euren Plänen und viel Erfolg dabei!

      Herzlich,
      Tanja

      • Liebe Tanja,
        ich glaube, wir setzen erst einmal darauf, dass die Blogposts im Kinderblog, die vorher eine Frage nur in Text beantwortet haben, nun durch ein Video in Bild und Ton ergänzt werden. Wer weiß, vielleicht entsteht dann parallel auf YouTube auch eine ganz eigene Zielgruppe, doch das ist nicht gesagt.
        Schön finde ich, dass bei unserem „Warum heißt das Mittelalter Mittelalter?“-Video auf Twitter auch ein paar fachliche Ergänzungen (die für die Kinder natürlich zu weit gehen) dazu kamen.
        Ich finde es auch schön, dass bisher alle recht tolerant auf unsere hausgemachten Filmchen reagiert haben, denn professionelle Video-Produzenten können wir uns im Moment leider nicht leisten und wir wollen auch erst einmal nur testen und unseren Horizont erweitern.
        Gerade hat mich natürlich der Alltag eingeholt und es ist noch nichts Neues entstanden, aber das heißt nicht, dass wir aufgegeben haben.

        Ganz liebe Grüße, Marlene

        P.S.: Ja, die Kommentare verlagern sich immer weiter ins Social Netz. Da kommt vielleicht ein schnellerer Austausch zustande, aber dafür vergisst man sie auch schneller und findet sie langfristig schwer wieder. Wie oft hab ich schon Twitter durchwühlt auf der Suche nach Kommentaren, die ich zitieren wollte…

        • Ja, liebe Marlene, Kommentare in Blogs sind dauerhauft sichtbar. Ich finde es klasse, dass du dir die Zeit dafür nimmst. Meine Kommentare sind aktuell die Zusammenstellungen zur Museumswelt – eine Memofunktion für mich und zugleich zu zeigen, was Museen umtreibt, welche Lösungen sie für was gefunden haben – dadurch können sie einerseits andere Museums*kolleginnen inspirieren, andererseits den Interessierten für sich einnehmen.

          Wer sagt eigentlich, dass alles perfekt sein muss? Ich finde euren Ansatz erfrischend und richtig. Will ich alles perfekt machen, dann komme ich nicht voran, wenn ich es selber umsetzen muss. Im Gegenteil, learning by doing – das dürfen Museen vor allem. Ich nehme mir auch das Recht dazu heraus. Manches Mal ist es besser, einfach zu machen. Klar liefern Profis etwas anderes ab, dazu bedarf es aber Geld und das ist aktuell für Kulturinstitutionen und nicht nur für diese Mangelware.

          Informiere mich gerne, wie eure Erfahrungen mit dem Medium sind. Ich teste auch gerade einiges mit Videos, vor allem auch in verschiedenen Formaten, auch wenn es ein und dasselbe Thema ist. Die Plattformen haben nur ganz verschiedene Bedürfnisse.

          Dir und euch alles Gute!

          herzlich,
          Tanja

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