Kurz vor Weihnachten werden die Krippen aufgebaut. Sie wecken die Vorfreude auf die Geburt Jesu. So war es ursprünglich angedacht. So entwickelte sich eine Tradition, die in München besonders mit dem Sammler Max Schmederer verbunden ist. Ihm ist die Ausstellung „Der Herr der Krippen. Max Schmederer – Sammler, Stifter, Visionär“ (bis 4. März 2018) im Bayerischen Nationalmuseum gewidmet. Wer aber war der „Herr der Krippen“? Was haben die Krippen mit Theater und Leidenschaften zu tun? Das verrät dir Dr. Thomas Schindler, Konservator und Referent für Volkskunde am Museum, im ersten Teil seiner Serie zu den faszinierenden Weihnachtskrippen des Museum.
Weihnachtskrippen im Museum – Stippvisite mit der Familie
In der Vor- und Nachweihnachtszeit wird es in der Krippensammlung des Bayerischen Nationalmuseums eng. Dann begegnen Schulklassen andächtigen Besuchern, bei denen die regelmäßige Stippvisite mit Familie im Museum fast schon zur guten Tradition geworden ist. Sie treffen auf entzückte Krippensammlerinnen und -sammler aus der ganzen Welt. Alle vereint die Faszination für die außergewöhnlich schönen Figuren und Krippenbilder, die seit 1900 zum festen Rundgang der Dauerausstellung dazugehört. Doch wem ist dieses Vergnügen für Jung und Alt zu verdanken?
Herr der Krippen oder „Kripperlvater“
Seine Sammlung und die grandiose Inszenierung der Krippenfiguren in dreidimensionalen Bildern verdankt das Museum einem bis heute berühmten Krippensammler und Visionär des Krippenbaus um 1900, dem Münchener Bankier Max Schmederer (1854–1917). Dieser begann im jungen Erwachsenenalter krankheitsbedingt, wie er selbst betonte, mit wachsendem Eifer seiner Leidenschaft für Krippen nachzugehen: Später bekam er als ewiger Junggeselle deshalb die durchaus respektvoll und wohlgemeinten Spitznamen „Kripperlvater“ und „Puppenspieler“ weg.
Krippensammlung des Max Schmederer im Bayerischen Nationalmuseum
Seit dem Jahr 1881 beteiligte sich Max Schmederer an der damals noch jungen Tradition der häuslichen Münchener Krippenschauen. Hierbei öffnete er seine Wohnung für interessierte Münchnerinnen und Münchner. Sie mussten sich allerdings mit Visitenkarten ausweisen. Zu diesem Zeitpunkt bestand seine Sammlung vor allem aus bedeutenden Figuren örtlicher Krippenschnitzer. Spätestens zwei Jahre später hatte er seinen Sammelradius jedoch bereits stark erweitert. Nun zeigte er auch sogenannte alpenländische Krippen, vor allem mit Tiroler Provenienz. Darunter befand sich die wegen ihrer kuriosen Architekturen berühmte „Moserkrippe“, die um 1835/40 von dem Bozener Gerbermeister Karl Sigismund Moser geschaffen und bereits in zeitgenössischen Reiseführern als Spitzenattraktion vor Ort gepriesen wurde.
Als Schmederer seine Sammlung dem Bayerischen Nationalmuseum 1892 übergab, war aus der lokalen und regionalen Sammlung mit rund 2.000 Stücken längst die kunst- und kulturhistorisch wertvollste Kollektion weltweit geworden. Und die Krippensammlung wuchs weiter stark an, hauptsächlich weil Max Schmederer nun auch Italien mit seinen Krippenzentren in Neapel und auf Sizilien für sich entdeckt hatte.
Der Krippenintendant mit theatralischem Talent
Bei der Neueinrichtung des Museums im Jahr 1900 entfaltete Max Schmederer seinen Genius bei der innovativen musealen Inszenierung von Krippenszenerien. Denn er war nicht nur ein wohlhabender und feinsinniger Sammler mit glücklichem Händchen, vielmehr besaß er auch die Gabe sein theatralisches Talent mit seinem ausgeprägten Hang zum technischen Perfektionismus zu kombinieren.
Sein Wirken zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er ein breites thematisches Spektrum an überzeugenden Szenen in der Art von eingefrorenen Theaterbildern schuf. Hierzu inszenierte er einen großen Teil seiner rund 6.000 hochklassigen Figuren in bis dahin nicht gekannten Dimensionen: In halbkuppelförmigen Vitrinen ließ er an exakt berechneten Positionen metergroße Straßenzüge, Ruinen, Paläste oder Höhlen stellen, bevölkert vonteilweise mehreren hundert Figuren. Besonders eindrücklich gelang ihm dies bei den neapolitanischen Krippen: Sie sind bis heute das Herz- und Glanzstück der Dauerausstellung.
Autor: Dr. Thomas Schindler
Konservator und Referent für Volkskunde, Bayerisches Nationalmuseum
Informationen zum Bayerischen Nationalmuseum
Prinzregentenstraße 3
80538 München
Telefon +49 (0)89 21 12 40 1
bay.nationalmuseum@bnm.mwn.de
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Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr
Donnerstag 10 – 20 Uhr
Montag geschlossen
Eintrittspreis für Museum und Ausstellung
Erwachsene 7 Euro / Ermäßigt 6 Euro
Sonntags 1 Euro
Freier Eintritt für Mitglieder und Besucher bis zum vollendeten 18. Lebensjahr.
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Das war der erste Teil der Krippen-Serie aus dem Bayerischen Nationalmuseum. Wenn du mehr über Kurioses erfahren möchtest, dann lies Teil 2 über die Wuselbilder in 3-D am 3. Advent.
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Sehr geehrter Herr Dr. Schindler, liebe Tanja,
Vielen Dank für den interessanten Beitrag! Menschen mit einer solchen Sammlerleidenschaft sind sehr faszinierend! Obwohl das Museum Burg Posterstein im protestantisch geprägten Thüringen liegt, hat sich bei uns seit 1994 auch eine Tradition entwickelt, jedes Jahr in der Adventszeit eine Auswahl aus unserer Krippensammlung zu zeigen. Wir haben im Laufe der Jahre zwei private Sammlungen geschenkt bekommen und es kommen immer mehr Krippen dazu. Auch die Besucher finden es eine schöne weihnachtliche Tradition. Wir sollten unbedingt einmal eine Exkursion nach München machen!
Herzliche Grüße,
Marlene Hofmann / Museum Burg Posterstein
Liebe Marlene,
ein herzliches Dankeschön für deinen Zuspruch hier! Ich werde Herrn Schindler noch informieren. Ja, die Krippen sind ein verbindenes Element von Klein und Groß. Hier nimmt man sich Zeit füreinander. Umso wichtiger ist es da, das Museen hier Möglichkeiten des Zusammenseins und des gemeinsam Erkundens schaffen.
Ich wünsche euch ganz viel Erfolg bei allem!
Herzlich,
Tanja