Bewerbung 4.0? Was ist das denn schon wieder? Das Web 2.0 ist doch noch längst nicht überall angekommen, oder? Nun. Bewerbung 4.0 lautete die Auftaktveranstaltung der Digital Media Women München (#DMWMuc) zur Münchner Webwoche 2015 (#mww15). Da ich, wie ihr wisst, wieder auf der Suche nach einer „neuen beruflichen Herausforderung“ bin, besuchte ich den Themenabend – eine Podiumsdiskussion mit hochrangigen Damen aus der Wirtschaft – im O2-Turm in München. Inspirierend und Stoff zum Nachdenken – und ja: Frauen, traut euch endlich!
Mich eingeschlossen. Tatsächlich können wir Frauen mehr als wir vielleicht meinen. Nicht nur dass die Menschen defizitär erzogen werden – d.h. fokussiert auf Schwächen, eine Aussage des Abends -, nein, sondern wir Frauen haben das noch mehr verinnerlicht als die Herren der Schöpfung. Schaut euch mal Videos von Frauen an, wenn sie interviewt werden. Was fällt euch daran auf? Damit sich keiner bloßgestellt fühlt, nehme ich mal ein Interview von mir aus dem Jahr 2012 – war übrigens mein erster Youtube-Auftritt, also, bitte Nachsicht üben – ich nenne es nur: das „orangene Monster“. Was fällt euch daran auf?
Ja, ja … Orange steht mir nicht, ich weiß! Darum geht es aber nicht. Irgendwann halte ich meinen Kopf doch noch schräg, zeige meinen entblößten Hals. Was heißt das? „Beiß mich nicht, ich unterwerfe mich dir, schließlich entblöße ich dir meine schwächste Stelle – den Hals!“ Wie ich in einem Profilingkurs vom Arbeitsamt 2011 erfuhr, ist diese unterwürfige Haltung typisch für Frauen. Wir machen das ganz unbewusst. Die Erstversuche des Videos waren noch extremer … puh! Ich kann es auch anders (siehe Vortragsvideo zur Nymphenburg App) Mein Tipp an dich, achte auf deine Körperhaltung bei Interviews, in Bewerbungsgespächen. Aber jetzt schweife ich ab. Thema ist die Bewerbung 4.0 der #DMW-s.
Hartfacts zu „Bewerbung 4.0“ des Abends
Die Podiumsdiskussion ist via Periscope gestreamt worden.
Was sind die Hartfacts?
- sei mutig: nimm ruhig mal einen Job an, der scheinbar ein, zwei Nummern zu groß ist
- netzwerke und zwar digital UND analog: „never lunch alone“ (geflügeltes Wort)
- sammle keine Visitenkarten, sondern netzwerke richtig
- besinne dich auf deine Stärken: du kannst was, fokussiere darauf
- auch Unternehmen müssen sich modernisieren: digitaler Auftritt, Cultural
Fit (erkläre ich weiter unten) - sei digital auf den Kanälen präsent, die zu dir passen, baue dort ein Storytelling auf, fasziniere so
- bitte dein Netzwerk um Unterstützung, wenn du einen scheinbar „zu großen“ Job annimmst
- sei offen für Brüche und Veränderungen im Lebenslauf, vertrete diese selbstbewusst
- sei mit Leidenschaft dabei. Sieht ein Personaler den Funken in deinen Augen, dann schaut er genauer hin.
- rede im Bewerbungsgespräch ruhig mal über scheinbare Nebensächlichkeiten, wie Hobbys, ehrenamtliche Tätigkeiten etc. => Cultural Fit
Cultural Fit – was ist das?
Beim Cultural Fit geht es darum, dass der Bewerber zur Kultur des Unternehmens und vice versa passen. Gerade das wird für Unternehmen zunehmend wichtiger vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. Genau das bietet Bewerbern heute große Chancen, sich auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren, denn auch Unternehmen müssen sich anstrengen, geeignete Kanditaten für sich zu gewinnen.
Microsoft ist hier sehr innovativ. Ist eine Stelle zu besetzen, wird ein 2-minütiger Video Clip mit dem zukünftigen Fachvorgesetzten gedreht. Er stellt heraus, was erwartet wird und wie der Job konkret ausschaut. Dadurch kommt es weniger zu Missverständnissen. Ein Bewerber kann so für sich abschätzen, ob der Job und DIESER Fachvorgesetzte etwas für ihn sind. Das böse Erwachen im und Frustrationen über den gerade angetretenen Job können somit eliminiert werden. Kandidaten bewerben sich mit Video Clips zurück – spannend! Für Microsoft ist der Cultural Fit ausschlaggebend für die Stellenbesetzung.
Ich fände es fein, jemand aus der Wirtschaft beteiligt sich mit dem Aspekt des Cultural Fits an meiner Blogparade #KultDef, auch das ist eine Form des Kulturverständnisses für mich.
Bewerbung 4.0 – was ist das?
Einiges ist in den Hartfacts schon angeklungen, es geht nicht nur um eine digitale Präsens des Bewerbers, sondern um mehr. Gleichwohl kam die Frage in den Gesprächen nach der Bezeichnung 4.0 auf. Was bedeutet diese? Ein modischer Begriff? Irgendwann sind wir dann bei 10.0 und Co. Nun. Ich ergoogelte mir die Begriffe des Webs. Zutreffend mit Videos und Infografiken dazu sind die Definitionen von „The flat business“(2011) in: „Web 1.0 vs Web 2.0 vs Web 3.0 vs Web 4.0 vs Web 5.0 – A bird eye on the definition„. Demnach ist das …
- Web 0.0 – Developping the internet
- Web 1.0 – The shopping carts & static web
- Web 2.0 – The writing and participating web
- Web 3.0 – The semantic executing web
- Web 4.0 – “Mobile Web”
- Web 5.0 – Open, Linked and Intelligent Web = Emotional Web
Alles klar, oder?
Web Tourismus erklärt das Web 4.0 schon 2010 sehr treffend:[letzter Zugriff 17.6.15]
„Web 4.0: Das „Internet wird zum Outernet“
Im Web 2.0 wurde der passive Nutzer, der sich Informationen aus dem Web zieht, zum aktiven Mitgestalter des Mediums durch Podcasts, Blogs etc. Mit „Web 3.0 ging der User noch einen Schritt weiter, er tauchte in die virtuelle Welt des Webs ein, der sog. „jump-in-modus“. Diese Entwicklung wurde maßgeblich von der Gaming-Industrie beeinflusst, wird aber bereits genauso in der Arbeitswelt, dem “Virtual Workplace“ genutzt, bei dem man sich im virtuellen Raum verabredet. Außerdem ist das Web 3.0 das „semantische Web“, das sich durch intelligente Informationsverarbeitung und intelligente Suchmaschinen, das sog. „Smart Targeting“ auszeichnet. Maschinen nutzen die semantischen Informationen von Daten, vernetzten diese intelligent und stellen sie bereit.Im Web 4.0 verschmelzen nun Realität und virtuelle Welt, das Internet wird zum Outernet und legt sich über die reale Welt. Das Web 4.0 wird daher auch das „allgegenwärtige Web“ (ubiquitous web) genannt. Die „virtual reality“ wird zur „augmented reality“, die „online“ die passenden Informationen zum Geschehen in der realen Welt einblendet. Realität und virtuelle Welt verschmelzen zur „mixed reality“. Die sog. „Smartphones“ mit ihren „Apps“ sind nur ein Teil der Realisation des „Outernet“. Andere sind z.B. Brillen mit Projektionen, die sowohl für „Infotainment“ als auch im Beruf genutzt werden können.“
So viel jetzt dazu.
Wo bleibt der Kultursektor im Web 4.0?
Die Museen und Universitäten? Weit abgeschlagen. Traurig ist, dass ihnen die Hände gebunden sind, neue Wege zu gehen bzw. ihnen nicht selten dazu das Verständnis fehlt. Vielleicht ist hier auch mal über ein Change Management nachzudenken, um freie Kapazitäten wieder zu schaffen. Museen und Kulturinstitutionen bilden gute Leute aus, die sich in das Social Web und dessen Chancen hineingefuchst haben. Am Ende lassen sie oder müssen diese wieder gehen lassen und fangen wieder von vorne an, statt eine digitale Strategie zu erarbeiten und sich zu professionalisieren. Einige von uns landen dann in der Wirtschaft und sind dort sehr erfolgreich. Tja, vielleicht muss ich hier auch umdenken und einen Cut hinnehmen. Nun. Ich musste das jetzt mal sagen. Ich weiß, dass es aktuell ein langsam einsetzendes Umdenken gibt (es gibt Gegenbewegungen und Best Practices) und das ich de facto hier ein neues Fass aufmache. Aber ihr wisst ja, ich pienze schon mal gerne. Manches Mal ist Provokation wichtig, so wie es Wolfgang Ullrich hinsichtlich der Kunstvermittlung tat.
Ein herzliches Dankeschön an das Münchner Quartier der #DMW-s für diesen prima organisierten und inputreichen Abend! Vielen Dank für unser leibliches Wohl und den sehr schönen Ausblick an den Gastgeber „Telefonica“ !
Und? Was sagst du dazu? Hast du dich schon in der Bewerbung 4.0 versucht? Wie schaut es bei dir aus, wenn du „Kulturarbeiter“ bist?
Pingback: Digital Media Women » Rückblick auf den Themenabend „Bewerbung 4.0″ der #DMWmuc
Liebe Tanja!
Danke für deinen wertvollen Tipps! Und ja, du hast Recht, mir ist selbst aufgefallen, dass ich auch bei dem Interview am Mittwoch meinen Kopf schief gelegt habe!
Liebe Katharina,
hihi … yep, passiert mir auch immer wieder. Mag auch an der Frisur liegen, wenn wir einen Seitenscheitel haben – who knows!
Sensibilisiert habe ich dich wohlt, alles gut also!
Herzlich,
Tanja
Hallo Anke, hallo Tanja,
das war ein interessanter Post! Ich hab auch experimentiert bei Bewerbungen, z.B. mit schickem Grafikdesign und Links in Social Web, gerade, wenn es um die Besetzung von Stellen zur Social Media-Kommunikation ging. Aber ich hab das Gefühl, das prallt bei deutschen Kultureinrichtungen oder gar Stadtverwaltungen derzeit noch ab, damit können die gar nichts anfangen. Die Erste Hürde ist also schon einmal, mit der Bewerbung die richtige Unternehmenskultur zu treffen. Dazu kommt, dass ich mich nicht verbiegen möchte. Je klarer diese Erkenntnis wird, desto selbstbewusster kann ich (als eigentlich sehr zurückhaltender Mensch) auftreten. Für mich persönlich habe ich entschieden, dass ich mich am besten verkaufen kann, wenn ich von Anfang an durchblicken lasse, dass man es mit einem eher introverten Typ zu tun hat, dann braucht sich auch später niemand darüber zu wundern.
Viele Grüsse,
Marlene
Liebe Marlene,
vielen Dank für deine Meldung hier! Ja, das mit dem sich-nicht-mehr-Verbiegen passt gut hierher! Wissen beide Seiten, was auf sie zukommt, dann klappt’s. Und ja, Kulturinstitutionen gehen wohl weniger moderne Bewerbungswege.
Herzlich,
Tanja
Liebe Tanja,
lustig, das mit dem schief gucken kenne ich von meinen Treffen in so Frauenrunden. Das ist der Klassiker. Stimmt vielleicht. Ich frage mich aber schon immer, ob alles besser wird, wenn man starr geradeaus guckt. Man muss halt authentisch bleiben.
Tja, das, was da über die Bewerbung 4.0 an Stichworten aufgetan wurde, gilt für alle möglichen Jobs. Nur für die Kultur nicht. Ist mein Eindruck. Oder könntest du dir vorstellen, dass man mit einem proaktiven Bewerbungsvideo an einem Museum auf Interesse stößt. Vielleicht wird sich da irgendwann mal was ändern. Wichtig ist sicherlich immer noch das private Netzwerk. Da sollte man seine Energie investieren. Dieses auch um Entscheider etc. zu erweitern.
Ist jetzt mal so eine Einschätzung von mir, die sich ja vor 12 Jahren entschlossen hat, den Bewerbungszirkus nicht mehr mit zu machen. Und sich bewusst für die Selbständigkeit entschieden hat. Ein Grund war sicher auch, dass ich als Mutter nicht so flexibel durch die Republik reisen konnte, um meine Zelte mal in einer ganz anderen Stadt aufzuschlagen. Das ist leider ein riesen Hemmschuh!
In jedem Fall ist es gut, wenn man immer auch an Selbstmarketing denkt. Und das ständig optimiert. Ich nehme mich da übrigens nicht aus. Bin da längst nicht perfekt. Hänge immer in den jeweiligen Jobs fest, da bleibt so wenig Zeit, sich um die Darstellung und Dokumentation der eigenen Leistungen zu kümmern. Und dann vergesse ich es manchmal wieder, was ich alles gemacht habe.
Du machst das schon alles sehr gut. Bewundere auch deine Power, die du hier in das Blog steckst!! Das wird sich auszahlen!
Herzliche Grüße
Anke
Liebe Anke,
merci für deine Einschätzungen hier! Ja, das mit dem „schiefen“ Hals stimmt so schon und ja, es geht nicht darum, starr geradeaus zu schauen. Ich denke nur, es ist schon richtig, immer mal wieder auf die eigene Haltung zu achten, selbstbewusst zu sein etc.
Nun. Museen und Kulturinstitutionen werden sicherlich nicht so viel mit modernen Bewerbungsmethoden vertraut sein. Der Punkt ist der, dass wir Bewerber ruhig erhobenen Kopfes unser Auftreten gestalten können. Das bedeutet auch, dass wir uns nicht unter Wert präsentieren sollten. Wie ich oben schon schrieb, wünschte ich mir mehr Erkenntnis und Mut sich auf neue Vermittlungsmethoden strategisch einzulassen. Es gibt hier enorme Chancen und es gibt hier auch gute Leute, die beide Seiten – museal und kommunikationstechnisch – vereinen können, ohne dass sie analoge Vermittlungsmethoden ersetzen wollten. Am Ende zählt der Besucher und seine Bedürfnisse.
Mir ergeht es ähnlich wie dir. Ich bin als Mutter von zwei Kindern gebunden, sowohl arbeitszeittechnisch als auch ortsgebunden. Mit der Nymphenburg App konnte ich sicherlich zeigen, dass frau auch so ein gigantisches Projekt in Teilzeit stemmen kann, wenn es teambasiert aufgebaut ist. Ich habe mit einem super Team zusammengearbeitet, jeder trug seinen Beitrag zum Gelingen bei. Vertrauen und Verlass und eine gehörige Portion Leidenschaft waren im Boot – und es funktionierte!!!
Ich weiß nicht, ob du so viel Selbstmarketing machen musst, schließlich bist du mit Jobs versorgt, aber klar, muss etwas diesbezüglich getan werden, um diesen Zustand weiterhin zu halten und da gefällt es mir sehr gut, was du machst!
Tja, was mit mir ist, wird sich zeigen. Die Orientierungsphase tut mir vorerst gut und vor allem kommt jetzt mal mehr Ruhe in die Familie hinein, was sehr wichtig ist. Aber klar ist, dass ich auch wieder durchstarten werde.
Also, alles liebe für deine aufbauenden Worte hier!
Herzlich,
Tanja