Was bedeutet mir Europa? Kultur und Digitale Transformation – was können sie leisten? Die Meinungen und Posts zur Ausstellung und zur Blogparade #SalonEuropa des Museums Burg Posterstein mehren sich. Das freut mich sehr! Hätte ich diese doch alle bereits lesen können … Inspiriert von Barbara Fischer’s tollem ‚Eulenflug‚ wähle ich heute einen spielerischen Ansatz und bringe Eulen in diesen Salon! Eule, schenke uns Weisheit; Eule, öffne unsere Augen für das, was wirklich wichtig ist in diesem Europa …
Eule und Euro
Wer noch Münzgeld in der Tasche hat, trägt sie vielleicht bei sich, die Eule. Auf der griechischen 1-Euro-Münze ist sie abgebildet; und zwar der Steinkauz, die sprichwörtliche Eule aus Athen. Alte Tetradrachmen haben hier Pate gestanden. Und Europa persönlich lässt sich auf der 2-Euro-Münze graziös entführen. Bemerkenswert: ein Teil der griechischen Euromünzen wurde im Europäischen Ausland geprägt – auf gute Zusammenarbeit!
Europa: hier lebe und wohne ich
Was bedeutet mir Europa? Erstens: der ‚Ort‘, wo ich aufgewachsen bin und lebe. Ich bin geboren in Maastricht, die Stadt des berühmt-berüchtigten Maastrichter Vertrags. Ich bin stolz auf meine Herkunft! Ich habe in Frankfurt am Main und in Potsdam studiert, in Aachen gewohnt und gearbeitet. Dort habe ich meine Frau Ursula aus dem Rheingau kennengelernt. Sie hat in Mainz, Dijon und Yaoundé (Kamerun) studiert. Wir haben gemeinsam in Wien und in München gelebt und gearbeitet. Seit 2000 sind wir in Den Haag zuhause. Europäische Geschichte im Kleinen – ein Stückchen Weltgeschichte sogar!
Wir wissen um unterschiedliche Währungen, Gesetzgebung, Sprachen und Gewohnheiten. Wir haben uns damit herumgeschlagen, aber lieben sie auch. Sprachen und Dialekte sind im Grunde etwas Schönes, weil sich darin der Mensch widerspiegelt, individuell und als kulturell mehr oder weniger einheitliche Gruppe. In Wien bestellen wir immer noch gerne Wurstsemmel, Palatschinken, 10 Deka Liptauer oder einen Grüner Veltliner. Im Rheingau natürlich den Riesling! In Aachen verlangen wir Belgischen Reisfladen. In Ludwigsburg schmecken die Maultaschen wunderbar, aber die kroketjes in Den Haag sind meiner Ursula nach 18 Jahren immer noch ein Graus (genau wie das Knatschbrot). Das gehört alles zum tagtäglichen Leben und ist alles Europa für mich. Jeder hat sein ‚Europa-für-mich‘! Es ist toll, dass durch Blogparade #SalonEuropa diese ‚kleinen, unbedeutenden Geschichten‘ erzählt und gehört werden. Europa ist nicht nur Politik!
Europa: Politik, uiuiui …
In Sachen Politik kann ich nur um den heißen Brei herumreden. Einerseits ist die Europäische Union wunderbar: Jahrzehnte keinen Krieg mehr in Europa (vom Balkan abgesehen). Währungsunion. Offene Grenzen. Andererseits: offene Grenzen heißt auch immer mehr: für bedürftige nicht-Europäer verschlossene Grenzen. Dominanz von ‚Brüssel‘, Dominanz von Geld und Wirtschaft. Unzufriedenheit und nationalistische Tendenzen. Verlust der Menschlichkeit, Mangel an Zusammenhalt. ‚Jeder für sich‘. Wird manchmal kollektiv der Mensch vergessen? Ich kann es nicht so richtig beurteilen, wie gewissenhaft es da zugeht. Eule, wo bist Du?
Wer sich als Gedankenspiel einmal andere Europäische Strukturen überlegen möchte, könnte sich mit den von Ulrike Guérot vertretenen Positionen beschäftigen: die ‚Utopie‘ einer Europäischen Republik, worin von einer quasi-einheitlichen Kultur geprägten Regionen eine entscheidende Rolle spielen. Ich habe mich nicht eingehend mit ihren Ideen beschäftigt, aber ich habe gute Erinnerungen an eine Fernsehsendung über ihre Thesen. Hätte Ulrike Guérot im frühen 19. Jahrhundert gelebt, wäre sie bestimmt Gast in dem Salon der Herzogin Dorothea von Kurland gewesen. Hätte Ernst Welker dann vielleicht auch sie als Eule porträttiert?
Europa: von Migration geprägt
Grundsätzlich sind wir alle Migranten oder von Migration geprägt. Wer sich mit den Blogposts von #SalonEuropa oder mit Geschichte allgemein befasst, lernt, wie oft in der Geschichte kleine oder große Völkerwanderungen, individuelle Umzüge oder auch Zwangsumsiedlungen stattgefunden haben. Daher gibt es einfach keine ’sauber trennbare‘, nationale kulturelle Identität. „Our national cultural heritage is but a patchwork of various cultural influences, hailing from all over the Europe“ meint Uldis Zariņš aus Lettland in seinem #SalonEuropa-Blogpost. Und Karin Svadlenak aus Wien sagt in ihrem Beitrag: „In fact our present cultures are historically grown conglomerates constructed from hundreds of years of people´s migrations and re-settlement“. Salon Europa ist eine Schatztruhe mit Belegen dafür, auch wie sich diese Konstellation auf manche Familiengeschichte auswirkt!
Außerdem versucht u.a. Europeana dies zu dokumentieren in der Migration Collection. Hier können wir auch selbst online unsere eigenen Migrationsgeschichten einbringen.
Europa, Europeana, Digitale Transformation – muss das sein?
Ich fühle mich der Europeana sehr verbunden. Ich liebe es, Kunst und Kultur nicht ausschließlich in bestimmten Sprachbereichen zu genießen, zu diskutieren und zu verbreiten, sondern über Sprachbarrieren hinweg, europa- und weltweit. Die Möglichkeiten, die die digitale Welt uns dazu bietet, sind quasi unbegrenzt. Auch in Sachen Kultur ist die Entfernung zwischen europäischen oder auch nationalen Entscheidungsträgern einerseits und Kulturliebhabern und Bloggern andererseits viel zu groß. Die verwendete Sprache und Begrifflichkeit klafft manchmal sehr auseinander, wobei im Grunde manchmal dasselbe gemeint wird.
In der Europäischen Kommission ist die „Digital Transformation“ der Gesellschaft ein großes Thema; viele Geldmittel werden dafür in 2021-2027 freigemacht – auch für Kultur. Haut der Begriff ‚Digital Transformation‘ uns vom Hocker? So schön abstrakt und abgehoben? Wir brauchen Dolmetscher!
Harry Verwayen, Direktor von Europeana, macht einen Versuch in einem Blogpost, wo er sich fragt: „When we discuss the digital transformation, sometimes it is difficult to pinpoint just what that means – let alone what it means for citizens in their daily lives.“ Aha, es sollte also gehen um etwas, das Bedeutung hat für die Bürger Europas, und zwar in ihrem tagtäglichen Leben. Bravo! Verwayen gibt dann einige Beispiele aus der Praxis der Europeana. Lesen wir daraufhin Blogpost „Culture, impact and artistic expression in the digital transformation of society“ von Professor Pier Luigi Sacco, begegnet uns auf einmal unvermutet eine tolle Definition von Blogparaden: „the meaning in a digital space comes from the shared experience of many people using digital tools to create content at the same time“. Für wen sich darauf einlässt, IST Blogparade #SalonEuropa ‚Digital Transformation‘ … Wir ziehen schon an einen Strang!
In der Europeana Communicators Community versuchen wir, gerade diese „Übersetzungstätigkeit‘ zu unterstützen, z.B. durch das europa-, sogar weltweite Austauschen von und über Erfolgsrezepte im (hauptsächlich digitalen) Kulturbereich. Ich würde behaupten: in der gut bewährten Tradition des Salons, worin europaweite Verbindungen keine Seltenheit waren. Europeana hat sich mit bisher drei Blogposts an #SalonEuropa beteiligt, und mehrere Mitglieder vom Europeana Netzwerk haben privat Posts beigesteuert – ‚der Groschen ist gefallen‘. :) Daher erhoffe ich mir, dass unser Aufruf an Kulturschaffenden fruchtet; herzlich willkommen in unsere Community / ‚Salon‘ (zur Zeit 54 Personen)!
Die Vermittlungsarbeit zwischen Entscheidungsträgern und im Kulturbereich Tätigen soll geleistet werden, sie muss einfach sein! Austausch vice versa ist von Nöten; lässt uns Brücken bauen!
Bin ich ein Europäer? Ich will Mensch sein!
Ja, ich bin schon ein Europäer! Ich bin aber vor allem Mensch. Letzteres ist bei weitem das Wichtigste. In der offiziellen Verlautbarung „Ziele und Werte der EU“ steht bei den Werten an oberster Stelle: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Als Europäer tragen wir Verantwortung für die Würde und auch für die kulturelle Eigenart eines jeden Menschen, wo auch immer auf der Welt. Für mich gibt es diesbezüglich kein schöneres Manifest als das kurze „Europeana Dream„-Video von Nick Poole.
Europa = Zusammen
Wir brauchen nicht tatenlos abzuwarten. Wir können uns politisch engagieren und gemeinsam mit Gleichgesinnten kleine Schritte als ‚kluger, gewaltloser Aktivist‘ machen. In „Practivisme – Handboek voor heimelijke rebellen“ (Praktivismus – Anleitung für heimliche Rebellen; leider noch nicht in deutscher Übersetzung), versucht Kulturhistorikerin Eva Rovers ‚Wohnzimmer-Aktivisten‘ wie mich dazu zu ermutigen, ein in der Gesellschaft sichtbarer Weltverbesserer zu werden; einer, der etwas mehr tut, als nur im stillen Kämmerlein Petitionen unterschreiben und Müll trennen.
Auch wenn die Zukunft Europas und der Welt manchmal etwas düster erscheint, möchte ich auch weiterhin in die Zukunft blicken wie diese junge Eulen von Loes Botman: aufmerksam, neugierig, erwartungsvoll – ZUSAMMEN!
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Pingback: „Diese Pluralität der Perspektiven ist Europa“ – Auswertung #SalonEuropa 4: Die Blogparade – Geschichte & Geschichten
Hallo, sehr schön geschriebener Artikel, danke dafür!
Auch wenn ich denke, dass diverse Themen nichts unmittelbar mit Europa zu tun haben.
– Menschlichkeit bewahre ich mir selber, kein Europa wird mir reinreden, wie ich mit anderen Menschen umgehe
– Digitalisierung? Na ja, nun wirklich kein rein europäisches Thema.
– Politk und Druck aus Brüssel? Ja, sicherlich und auch oft nicht verständlich. Andererseits… wann hat mich das jemals direkt betroffen? Man liest davon, viele meckern rum… aber kann mir jemand auf Anhieb ein Beispiel nennen, wo wir davon akut negativ betroffen sind?
Liebe Grüße
Sabrina
Hallo Sabrina,
danke schön!
Eben, Digitalisierung ist ein weltweites Thema. Die Beiträge Nummer 1 („Europa ist für mich kein Ersatz für Weltbürgertum„) und 59 („#SalonEuropa. Die zwei Gesichter des Eurozentrismus„) fordern auch eine Weitung des Blickfeldes in Bezug auf Europeana. Trotzdem ist es schon schwierig genug, innerhalb Europas einheitliche Datenformate und Sprachenübergreifende Informationen anbieten zu können. Es bleibt noch viel zu tun.
Ich bin selber auch noch nicht deutlich negativ von Massnahmen aus Brüssel betroffen worden. Aber ich keine einige Bauern, da sieht es schon anders aus – trotz Subventionen.
Liebe Grüsse!
Peter
Liebe Tanja,
Wow, das sind wirklich interessante Gedanken zu Europa und den roten Faden mit den Eulen finde ich persönlich super spannend. Du trägst für #SalonEuropa wirklich keine Eulen nach Athen. Die Schilderung der persönlichen Erfahrungen mit verschiedenen Studien- und Lebensorten in unterschiedlichen Ländern hat auch in mir eine Seite zum Klingen gebracht. Ja es ist unendlich bereichernd, nicht nur in einem fremden Land zu reisen, sondern auch darin zu leben. Für uns Süddeutsche ist ja auch schon Norddeutschland richtig „fremd“. In Schleswig-Holstein, Spanien und Schottland durfte ich Erfahrungen sammeln. Es ist gut, sich daran zu erinnern, wie wichtig Europa ist, für uns selbst und für die Welt wie wir sie kennen.
LG Katja (aus der schönen Pfalz)
Hallo liebe Katja,
es freut mich sehr, dass die Eulen und die Geschichte die sie erzählen, Dir gefallen haben! Ich (Peter) durfte diesen Blogpost bei Tanja veröffentlichen – für einen eigenen Blog reichen meine Schreibfähigkeiten und vor allem die Schreibschnelligkeit nicht aus. Mein Schwiegervater ist übrigens in der Pfalz (Langenlonsheim, Nähe Bad Kreuznach) geboren und aufgewachsen. Gerne lese ich nun Deinen Beitrag und melde mich dort.:)
Übrigens habe ich im Nachinein in einem Beitrag der Europeana (Beth Daley – Nr. 8 der Blogparade) im eingebundenen Video auch noch eine Eule entdeckt! Eine Dame trägt sie auf Ihrem Kleid.
Danke und liebe Grüsse,
Peter Soemers
Lieber Peter, das ist mir dann aufgefallen als ich losgeschickt habe, sorry dass ich Dich umgewandelt habe. Klasse die Verbindung in meine Heimat. Ich freue mich schon auf Deinen Kommentar. Lieben Gruß Katja
Mit Tanja Praske verwechselt zu werden ist mir eine grosse Ehre! :)
Pingback: 58. Peter Soemers: Ich trage Eulen nach Europa! Digitale Transformation & #SalonEuropa //@psoemers (21.10.2018) – Salon Europa
Pingback: Einladung zur Blogparade “#SalonEuropa – Europa ist für mich…” – Geschichte & Geschichten
Lieber Peter,
Vielen lieben Dank für diesen eulenreichen Beitrag zur Blogparade #SalonEuropa! Ich mag es, dass du Position beziehst, aber auch das ambivalente Gefühl widerspiegelst, was womöglich viele Menschen mit sich tragen. Werden auch alle mitgenommen? Bleiben manche wichtigen Probleme gerade auf der Strecke? Toll finde ich den Verweis auf das Handbuch für Wohnzimmeraktivisten, denn nichts anderes als das können wir aus dem Wohnzimmer-Salon und digitalen Salon heraus machen, uns austauschen, Probleme ansprechen und uns eine Stimme geben.
Viele Grüße, Marlene
Liebe Marlene,
die Teilnahme an diese Blogparade war für mich Freude und ‚moralische Pflicht‘ zugleich. Das Thema is zu wichtig. Nun kann ich das Lesen der übrigen Beiträgen wieder aufnehmen, das kam zu kurz. Schön wäre es, wenn nach Ende der Blogparade ‚die Beiträge‘ miteinander das Gespräch im Salon fortführen würden. Ich nehme mir vor, wo möglich vorherige Tweets als Kommentar einzuarbeiten, damit das Ganze beieinander bleibt.
Ja, Eva Rovers‘ Büchlein ist sehr lesenwert und gibt praktische Ratschläge, wie man sich allmählich klug, gewaltlos und wirksam ‚aus dem Schneckenhaus‘ hervorwagen könnte. Vielleicht gibt es irgendwann wenigstens eine englische Übersetzung?
Ganz vielen Dank, dass Ihr Euch so toll mit diesem Thema in die Öffentlichkeit begeben habt, vor Ort und überall, analog und digital! Eva Rovers ist bestimmt stolz auf Euch, und Herzogin Dorothea ebenso! :)
Liebe Grüsse,
Peter