Wie kam es zur Ausstellung „Allerbeste Aussichten“ im Kunstraum Alexander Bürkle in Freiburg? Was hat die „Generation Gegenwart“ mit Social Media zu tun? Das erzählt uns Eveline Weber in ihrem Gastbeitrag zur Blogparade #KultTrip. Spannend – der TweetWalk #raumsicht am 25.7.16.
„Allerbeste Aussichten“ (12.06.-18.09.2016) – die aktuelle Ausstellung im Kunstraum Alexander Bürkle in Freiburg – umzusetzen, war spannender als erwartet: erstmals sind ausschließlich junge Künstler eingeladen, erstmals wagen wir uns auf die Bretter des Social-Media-Marketings. Und wie sich das gelohnt hat!
Vorarbeit/ „Schatzsuche“
Um von vorne zu beginnen: Schon vor zwei Jahren war die Idee geboren, in einem Ausstellungsprojekt einmal den Blick auf ausschließlich junge Künstler zu richten. Damals (2014) feierten wir gerade das 10-jährige Bestehen des Kunstraums Alexander Bürkle und es war an der Zeit Überlegungen über die Zukunft der hier beherbergten Kunstsammlung der Ege Kunst- und Kulturstiftung anzustrengen. Die Klassiker der Sammlung, wie Donald Judd, Carl Andre, Marc Angeli, Rudolf de Crignis, Dan Flavin, Marcia Hafif, Sol LeWitt, Günter Umberg oder Fred Sandback bilden ein solides historisches Fundament. Aber wie kann bei den aktuellen Entwicklungen am Kunstmarkt solch eine Sammlung auch in der Zukunft lebendig bleiben und wachsen? Welche jungen Künstler beschäftigen sich mit denselben grundsätzlichen Fragen des Bildes?
Eine schwierige Frage -bei gehypter und überteuerter Messe- und Galeriepolitik. Der Lösungsversuch: Back to the roots. So beschloss unsere Kuratorin Dr. Julia Galandi-Pascual das Problem bei den Wurzeln zu packen und widmete sich den alt bewährten Akademierundgängen. Ihre Reiseroute führte sie durch die gesamte Republik: nach Karlsruhe, Stuttgart, Frankfurt, Leipzig, Berlin und Bremen.
Mission accomplished – Shortlist steht
Die Mühe hat sich in jeglicher Hinsicht gelohnt. Denn Dr. Galandi-Pascual entdeckte unter den Absolventen an den Akademien und in den Ateliers eine Generation junger Künstler, die sich auf eine sehr reflektierte Art und Weise mit dem Bild an sich auseinandersetzt und sich Fragen stellt, die auch in unserer wichtig sind: Was ist heute ein (Kunst)Bild? Wie entsteht es? Welche Erwartungen habe ich daran und wie nehme ich es wahr?
Soweit also wunderbar
Die Auswahl verfeinerte sich, Künstler wurden erneut in ihren Ateliers besucht und besichtigten den Kunstraum und die Ausstellungsräume in Freiburg – und irgendwann stand sie, die Shortlist: Werke von Julika Achtzig (*1977 in Berlin), Dave Bopp (*1988 in Basel), Sebastian Dannenberg (*1980 in Bottrop), Sandra Havlicek (*1984 in Frankfurt a.M.), Tobias Heine (*1984 in Magdeburg), Tobias Maring (*1976 in Hannover), Franziska Reinbothe (*1980 in Berlin), Ben Öztat (*1981 in Erlangen) und Astrid Schindler (*1983 in Augsburg) werden in der Ausstellung präsentiert.
Aufbauphase und Ziellinie
Zwei Wochen vor der Vernissage begann vor Ort der Ausstellungsaufbau. Und wir waren überwältigt von der Energie, die diese jungen Künstler in den Kunstraum mitbrachten. Einige waren bereits miteinander bekannt, andere lernten sich erst während des Aufbaus kennen. Und trotzdem schienen sich alle auf Anhieb sympathisch und bald sollte sich das Ganze wie ein Klassentreffen anfühlen. Inklusive morgendlichem Aufmarsch in kollektivem Sonnenbrillen-look, weil abends zuvor zu lange gefeiert wurde.
Nicht wenige der jungen Künstler produzierten neue Arbeiten für die Ausstellung. So bauten diese quasi ihre eigene Werkstatt auf um Holz zu sägen und Löcher zu bohren, Wände zu streichen und Rohre quer durch die Räume zu verlegen. Entsprechend brummte der Laden im wahrsten Sinne des Wortes. Sidespecific eben. Und jeder Künstler nutzte individuell Zeit und Raum, so wie seine Werkentwicklung diese eben benötigte. Für manche glich der Aufbau einem Marathon, manche legten kurz vor Schluss noch einen Sprint ein: Werktitel finden sich am besten unter Zeitdruck.
Was ist denn nun zu sehen? Ausblicke in die Ausstellung
Die Werke in #allerbesteaussichten umfassen das breite Gattungsspektrum von Malerei bis Skulptur, von Zeichnung bis Video und Installation. Die Künstler und Künstlerinnen bedienen sich ganz unterschiedlicher Materialien und finden unterschiedliche Mittel und Wege um sich auszudrücken. Anscheinend zeichnen sie sich gemeinsam gerade dadurch aus, dass sie keine absolute Haltung annehmen wollen, sondern ungeahnte und teils subversive Ideen in ihre Werke einbringen. Vielleicht ist der kleinste gemeinsame Nenner, dass sie alle eingehend untersuchen was heute eigentlich ein Kunstbild ist oder alles sein kann. Es geht in den Arbeiten um das Bild an sich: um seine Entstehung, seine Bedingungen, seine Wahrnehmung, sein Wesen.
Franziska Reinbothe hat einen geradezu zerstörerischen Umgang mit ihren Gemälden. Die bemalten Flächen werden geklappt, gefaltet, zerknautscht, ja sogar ausgeschnitten, sodass sie keine Bildfläche mehr darstellen, sondern als Objekt immer mehr Raum einnehmen. Ein Keilrahmen wird so eingeknickt, dass die Leinwand in der Mitte beschädigt ist und wie eine dreieckige Skulptur aussieht. Der Titel lautet Walroß mit Rückenleiden! Und plötzlich wird eine ganz neue eigenlogische Realität im „Bild“ sichtbar.
Dave Bopp ist ein klassischer zeitgenössischer Maler. Für seine Bilder kombiniert er digitale Medientechnik mit klassischer Farbmalerei, also analoger Technik. Träger bildet eine geschliffene und grundierte Aluminiumverbundplatte. Darauf wird Acrylharzfarbe geschüttet, gestrichen oder mit anderen Werkzeugen aufgebracht, sodass eine erste Formschablone entsteht. Diese fotografiert Dave Bopp und abstrahiert das digitale Abbild am Computer in Form und Farbe. Dieses nun entstandene Bild wird danach auf Klebefolie und wiederum auf die bestehende Bildgrundlage aufgebracht. Schicht um Schicht werden so neue Bildebenen aufgetan, die nie identisch, aber dennoch ähnlich aussehen.
Die Arbeiten von Astrid Schindler bestehen aus alltäglichen, industriell gefertigten Materialien, wie Klebefolien, Bodenbelägen oder Abdeckplane. Diese verarbeitet sie zu Bildobjekten, die sich stets zwischen Fläche und Raum bewegen und so unterschiedliche Bildebenen aufzeigen. Sie schneidet zum Beispiel horizontale Schnitte in eine zweifarbige Gewebeplane. Dadurch wird nicht nur der Blick auf die Wand dahinter ermöglicht sondern es werden auch traditionelle Bildgrenzen in Frage gestellt.
„Generation Gegenwart“ und Social Media – muss das sein?!
Ein Großteil der beteiligten Künstler wurde in den 1980er Jahren geboren und begreift Smartphone und Online-Marketing quasi als Alltagsgeschäft. Aber das muss für unser Ausstellungshaus ja noch lange nicht dasselbe bedeuten? Und haben wirklich alle ein Smartphone? Nein, natürlich nicht. Wir haben auch noch den Nokia Original-„Schlagstock“ gesehen. Und dennoch kamen wir zum Entschluss, dass diese Ausstellung der richtige Zeitpunkt ist, die Bilderflut via Instagram, Pinterest und Co. und die ständige Verfügbarkeit von Bildern als Chance für unsere Zwecke aufzufassen. Wir interagieren und informieren über Instagram, facebook, und Pinterest und haben eine eigene Microsite www.allerbeste-aussichten.de zur Ausstellung eingerichtet.
InstaWalk #raumsicht am 25.7.16
Am 25.07. findet vor Ort ein. Instawalk #raumsicht statt. Die Exponate können so ganz genau unter die Lupe genommen werden. Die Instagrammer und Blogger können sie in die individuelle Kommunikation und Lebenswelt integrieren. Außerdem ist der Wechsel und Unterschied zwischen unterschiedlichen Qualitäten von Bildern oder eben dem Original direkt erfahrbar.
Unter uns gestanden: der Arbeitsalltag in unserem kleinen Museumsteam wurde durch die Social-Media-Kampagne bunter und spannender. Zum Beispiel erwarteten wir die Einladungsflyer sehnsüchtigst. Endlich im Kunstraum eingetroffen, konnten wir diesen Moment und die Vorfreude teilen. Die Social Media Kanäle zu bespielen animiert uns immer wieder aufs Neue uns intensiv mit den Kunstwerken und den Ideen der Künstler auseinanderzusetzen.
Über facebook oder pinterest lassen sich ganz wunderbare Bezüge zwischen der Sammlung, den jungen Künstlern und deren Künstlerprofessoren aufzeigen. Über animierte Gifs zu den Künstlern und deren konzeptuelle Werkhintergründe werden wiederum Inhalte vermittelt.
Zudem haben wir als Pendant zu einem Ausstellungskatalog mit der Microsite www.allerbeste-aussichten.de eine wunderbare Möglichkeit Konzept und Künstlerinfos zu verbreiten, eingerichtet. Künftig werden dort auch Künstlerinterviews und Teaser –Videos zu finden sein.
Allerbeste Aussichten – und nun? Ergebnisse?
Nach vier Wochen wagen wir eine Bestandsaufnahme: die Künstler sind happy, die Besucher sind es auch, Galeristen suchen bei uns nach jungen Talenten und online stimmt die Resonanz auch. Was will man mehr?
Ende gut, alles gut!
Zusätzlich: Wir sind von der spannenden und erfrischenden Arbeit mit den jungen Künstlern sogar so angetan, dass aus der Ausstellung „Allerbeste Aussichten“ vermutlich eine Reihe wird. Wir freuen uns also auf die kommenden Jahre. Auf die Frage „was die Kunst mach?“ können wir nur antworten. Allerbeste Aussichten!
Autorin: Eveline Weber M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Kunstraum Alexander Bürkle, Freiburg
Fakten zum Kunstraum Alexander Bürkle
Programm vor Ort
25.7.2016, 19 Uhr: Instawalk #raumsicht
22.8.2016, 19 Uhr: Öffentliche Führung
12.9.2016, 19 Uhr: Kunstgespräch „Generation Gegenwart?“, Dave Bopp, Sandra Havlicek und Ben Öztat im Gespräch mit Dr. Julia Galandi-Pascual
18.9.2016, 11.30 Uhr: Öffentliche Führung
Informationen
Kunstraum Alexander Bürkle
Robert-Bunsen-Str. 5
79108 Freiburg
Telefon: +49 (0) 761 5106 606
Fax: +49 (0) 761 5106 609
E-Mail: kunstraum@alexander-buerkle.de
Öffnungszeiten
Di-Fr 11-17 Uhr
Sonn- und Feiertage 11-17 Uhr
Eintritt immer frei.
Links
http://allerbeste-aussichten.de/
http://kunstraum-alexander-buerkle.de/
https://www.facebook.com/kunstraum.alexander.buerkle/
https://www.instagram.com/kunstraumalexanderbuerkle/
Nun, wie gefiel dir dieser Blick hinter die Kulissen einer Ausstellung? Mich freut der vielfache Mut der Macher von „Beste Aussichten“: Mut pro junge Künstler, Mut pro Social Media mit InstaWalk #raumsicht am 25.7.16. Werde letzteres aus der Ferne verfolgen.
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