KULTUR – MUSEUM – TALK

Soziale Medien im Museum? Hauptsache, unter sich bleiben | #KultBlick

Eine Erwiderung auf „Hauptsache, gelikt“, Larissa Kikols Warnung vor sozialen Medien im Museum in der ZEIT vom 14.9.2017. Beitrag zur Blogparade #KultBlick des Archäologischen Museums Hamburg.

Sehnsuchtsort Museum: Besucher vs. Elfenbeinturm

Die adelige Kunst- und Wunderkammer scheint für viele zeitgenössische Beobachter der Kunst- und Museumsszene ein regelrechter Sehnsuchtsort zu sein. Dies aber weniger wegen der durchaus diskussionswürdigen Gruppierung von Objekten, die heutigen Ordnungsschemata scheinbar zuwider läuft, sondern vor allem wegen der streng reglementierten Zugänglichkeit dieser Orte des Staunens und Bewunderns: Die Kunst- und Wunderkammern standen in der Regel nur den Fürsten und deren Besuchern offen, mithin also dem engsten Zirkel kunstsinniger, wohlhabender und selbstredend wohlerzogener Stützen des Alten Reichs.

Soziale Medien im Museum? Ist doch Schmarrn, gell? So die Meinung einiger Feuilletonisten. Der #HohenzollernWalk auf der Cadolzburg mit Dr. Sebastian Karnatz widerlegt das. Foto: Gesine Zenker, Bayerische Schlösserverwaltung.


Wahrscheinlich wurde in diesem erlauchten Kreise auch gerne über „tiefere Erfahrungsmöglichkeiten“ (Zitat Kikol) von Kunst, über hehre Ideale und vom „sich innerlich treiben lassen“ (Zitat Kikol) gesprochen. Die Realität heutiger Museen sieht allerdings anders aus: Sie sind zumeist nicht mehr Privatvergnügen der Mächtigen, sondern Einrichtungen der öffentlichen Hand mit einem dezidierten Bildungsauftrag – und zwar für alle, nicht nur für das schon per se kulturaffine Publikum. Natürlich sollte sich die Einrichtung Museum nicht ausschließlich an Besucherzahlen und an Sichtbarkeit im öffentlichen Diskurs messen lassen. Trotzdem dürfen die Bürgerinnen und Bürger des Landes durchaus auch erwarten, dass sich Ausstellungen nicht im Elfenbeinturm der eigenen Gelehr- und Empfindsamkeit verstecken und auch jenen neue Anregungen geben, die diese nicht zuallererst im Museum gesucht hätten.

Soziale Medien im Museum und Partizipation – zurecht ungeliebt?

Der Prozess hin zu einem offeneren Museumsbegriff ist vielerorts bereits in vollem Gange. Die von Kikol erwähnten Instawalks und Social-Media-Aktionen sind nur ein Teil dieser Bewegung, die flächendeckende Digitalisierung und Zugänglichmachung der Sammlungen im Netz beispielsweise ein weiterer. Dass nicht jede dieser Aktionen automatisch auch einen Erkenntniszugewinn mit sich bringt, versteht sich von selbst. Mir scheint es allerdings in der aktuellen Museumsszene gerade nicht an Mahnern und Besonnenen zu mangeln. Niemand wäre ernsthaft gewillt, das Primat des Objekts und seiner Sammlungszusammenhänge auf dem Altar der Digitalisierung zu opfern.

Larissa Kikol ist aber nicht die einzige Stimme, die neuen Ansätzen in der Museumsarbeit kritisch gegenüber steht. In der Süddeutschen Zeitung wunderte sich Joseph Hanimann jüngst darüber, dass die Museen von Rouen das Publikum an der Werkauswahl aus den Depots beteiligen. Das modische Zauberwort der „Partizipation“ wird bei ihm zu einer handfesten Bedrohung für das Museum an sich: Die Besucherinnen und Besucher erlauben es sich doch tatsächlich, den letzten Kitsch aus den Depots räumen lassen zu lassen und ins Museum zu verfrachten.

Natürlich haben viele Museen mit partizipativen Projekten unvorhergesehene und vielleicht auch ungewollte Erfahrungen gemacht. Aber es geht hier zumeist wohlgemerkt nicht um hunderte von Objekten, sondern um einige wenige. Auch sind am offensichtlich so geschmackssicheren Urteil der Kuratoren ebenfalls durchaus Zweifel angebracht. Natürlich unterliegen auch die kuratorischen und kunsthistorischen Konzepte zeittypischen Moden. Man muss sich nur einmal die geschmäcklerische Abwertung des 19. Jahrhunderts in der Zeit der Nachkriegsmoderne ansehen, um Zweifel an der Unfehlbarkeit der Urteilskraft unserer Zunft zu bekommen. Mehr zur Diskussion von Kikols Artikel in: „Ask A Curator – banalisiert digitale Kulturvermittlung Museen?„.

Inszenierung der Instagrammer – die Cadolzburg via Linse anders entdecken. #HohenzollernWalk. Foto: Gesine Zenker, Bayerische Schlösserverwaltung.

Begriffsverwirrung: Kulturvermittlung vs. Ausstellungskonzept

Überhaupt vermengen die Apologeten der neuen reinen Ästhetik in ihren Lobliedern auf den guten Geschmack ein ums andere Mal die Ebene der Kunst- und Kulturvermittlung mit Ausstellungskonzepten. Wie man auch wissenschaftlich weithin beachtete Ausstellungen initiieren und trotzdem die neuen Medien mit frischen Konzepten für Marketing- und Vermittlungsprogramme nutzen kann, haben doch nicht zuletzt die Frankfurter Museen unter Max Hollein in den letzten Jahren geradewegs paradigmatisch vorgemacht.

Selbstverständlich ist es erlaubt, zu fragen, ob ein Instawalk oder Social-Walk wirklich zu einem großen Erkenntnisgewinn für ein Museum oder eine Sammlung führt. Allein – das ist gar nicht das Ziel solcher Aktionen. Sie sind Exklusivführungen mit besonderen Einblicken, so geschehen beim #HohenzollernWalk auf der Cadolzburg, um auf diese Weise (und durch die zum Teil immensen Followerzahlen der Teilnehmer) ein Publikum für die eigenen Inhalte zu interessieren, das vielleicht nicht immer das Museum ganz oben auf seiner Liste der liebsten Freizeitaktivitäten hat.

Das Kuratoren-Team zum #HohenzollernWalk auf der Cadolzbug. Von links: Dr. Sebastian Karnatz, Dr. Uta Piereth und Dr. Angelika Merk. Foto: Gesine Zenker, Bayerische Schlösserverwaltung.

Ähnliche Begriffsverwirrungen gibt es auch bei zeitgenössischen Vermittlungsaktionen. Das eigene Nachempfinden spezifischer bildnerischer Aufgaben nach dem Motto „Poste deine besten Landschaftsaufnahmen“ gehört zur zeitgenössischen Kunstvermittlung. Es steht nicht gegen die Inhalte einer Ausstellung, sondern ergänzt sie im Idealfall. Im schlechtesten Fall ist solch eine Vermittlungsaktion misslungen. Warum sollte man dieses Wagnis also nicht mal eingehen?

Wer das Museum vor neuen Wegen im Marketing und in der Vermittlung abschotten will, der schottet es zugleich vor neuen Besucherschichten ab. Und das kann eigentlich niemand ernsthaft wollen.

 
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