KULTUR – MUSEUM – TALK

Echt jetzt? – Authentizität im Museum – ein Tagungsbericht

Authentizität im Museum ist ein virulentes Thema. Am 3. und 4. März 2016 fand im Erbacher Hof in Mainz eine Tagung zur Thematik „Museen – Orte des Authentischen“ statt. Ausrichter der prominent besetzten Fachtagung war die Leibniz-Gesellschaft mit ihren Forschungsmuseen – hier speziell dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz – in Kooperation mit dem Deutschen Museumsbund und dem Mainzer Zentrum für Digitalität in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Was kam dabei heraus?

Es geht um die Glaubwürdigkeit – Impressionen aus dem Vortrag der Historic Royal Palaces (Great Britain). Authentizität im Museum. Foto: Sebastian Karnatz.

Was ist mit Authentizität im Museum gemeint?

Sind Museen Orte des Authentischen? Oftmals steht am Anfang der Beschäftigung mit einem Phänomen vor allem mal eine Frage. Am Ende von zwei langen Tagen des Nachdenkens und Diskutierens kann man in der Regel kaum Antworten erwarten, hat sich aber zumindest auf die Legitimität der Frage geeinigt. Gerade so scheint es mir allerdings bei der Museumstagung der Leibniz-Gesellschaft nicht gewesen zu sein. Zwar stand auch hier als Ausgangspunkt der Diskussion eine Frage, allerdings konnte man sich schlussendlich nicht nur auf die Relevanz der Frage, sondern auch auf grundlegende Leitlinien im Umgang mit dem Phänomen der „Authentizität“ im Museum einigen.

„Authentisch“ scheint eines der Trendwörter der Stunde zu sein. Egal ob es nun um die stadtteilprägende Eckkneipe geht oder um die Kleidung eines Fussballtrainers, die man natürlich für teures Geld auch im vereinseigenen Fan-Shop erwerben kann – alles hat zumindest vorgeblich authentisch zu sein.

Dass der Begriff der Authentizität zwar einen riesigen Assoziationsspielraum eröffnet, darüber hinaus aber kaum eine konkrete Handlungsanweisung für Museumspraktiker beinhaltet, war den Anwesenden eigentlich bereits nach wenigen Minuten klar. Die einfache Ineinssetzung von Original – noch so ein schwieriger Begriff – und Authentizität bietet für das Museum jedenfalls keinen nennenswerten Mehrwert. Was aber sollen wir dann mit der Authentizität anfangen?

Es geht um Objekte

Im Prinzip geht es im Museum nach wie vor primär um Objekte. Sie sind die Basis unseres „Geschäftsmodells“. Verlockend wäre es nun, Objekte in die zwei basalen Kategorien von „Original“ und „Reproduktion“ einzuteilen. Hier lauern allerdings ebenfalls Fallstricke. Wie ein kurzer Blick auf die berühmte Henlein-Uhr im Germanischen Nationalmuseum verdeutlicht, kann sich der Begriff des Originals zwar auf die gesamte Entität des Objekts – hier als ursprünglich aus dem frühen 16. Jahrhundert stammende Uhr – kaum jedoch auf das gesamte Objekt beziehen. Die Uhr ist ein Kompilat aus verschiedenen, zum Teil durchaus alten Bauteilen, die im 19. Jahrhundert wohl in bewusster Fälschungsabsicht zusammenmontiert wurden. Das macht sie allerdings als Ganzes nicht weniger Original – als Produkt des 19. Jahrhunderts, das auf Einzelteile des 16. Jahrhunderts zurückgreift. Selbiges ließe sich beispielsweise auch für ein Gemälde sagen, dass verschiedene Spuren späterer Restaurierungszustände – ganz ohne Fälschungsabsicht! – trägt.

Die Frage, was nun also eigentlich im Museum authentisch ist, kann nicht mit dem Hinweis auf das Original beantwortet werden, sondern viel eher mit der Offenlegung der Geschichte des „Originals“. Wer diese Bruchlinien des Originalen zeigt, der handelt – darauf einigte man sich ebenfalls schnell – im wahrsten Sinne des Wortes authentisch, also echt und zuverlässig.

Bruchlinien des Authentischen

Ich möchte diese Bruchlinien der Authentizität noch kurz an drei anschaulichen Vorträgen aus der Sektion „Authentizität musealer Orte“ verdeutlichen. Wie Dr. Gudrun Kruip vom Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus eindrucksvoll belegte, steht auch bei sogenannten biographischen Museen hinter der scheinbaren Authentizität ein großes Fragenzeichen. Solche Museen, in vielen Fällen Gründungen des national- und geniebewegten 19. Jahrhunderts, leben zwar geradewegs von der Authentizität – als wäre Max Reger gerade noch da gewesen! –, nehmen es allerdings mit dem biographischen Original nicht immer ganz ernst. Oftmals sind die Möbel aufgrund der zwischenzeitlichen Nutzung solcher Wohn-, Sterbe- und Geburtshäuser verloren und mussten durch ähnliche Möbel ersetzt werden. Im Fall des völlig zerstörten Goethe-Hauses in Frankfurt durchwandert man heute gar einen Neubau. Was hier vermeintlich bleibt, ist die Aura des Authentischen, auch wenn diese Aura, wie wir seit Walter Benjamin wissen, eher dazu angetan ist, die Betrachter in Ehrfurcht erstarren zu lassen, als sie wirklich zu bilden. Wie sich Authentizität ohne eine derartige Scharade erzeugen lässt, zeigt das Geburtshaus von Egon Schiele in Tulln: Dort erscheint, was im Geiste des damaligen Zeitkolorits hinzugefügt wurde, als graue Vorstellungshilfe – plastisch, aber sicher nicht original. So viel Mut ist nichts weniger als authentisch.

Ähnliche Befunde zeigten sich auch bei Prof. Dr. Anja Grebe von der Universität Krems: Die seit kurzem allerorten wieder zu bestaunenden Kunst-und-Wunderkammer-Installationen sagen uns letztlich mehr über heutige Seh- und Konservierungspraktiken als über das frühneuzeitliche Phänomen der Kunst- und Wunderkammer, die im Gegensatz zu heutigen Varianten eher etwas unordentlich und ganz sicher nicht hinter Glas im wohltemperierten Museumsraum daherkam. Nicht zuletzt deswegen schlug Grebe u.a. vor, dem Besucher mit Reproduktionen eine Vorstellungshilfe zu geben, wie es sich nach unserem Wissensstand tatsächlich angefühlt haben muss, in einer Kunst- und Wunderkammer zu sein. Auch hier gilt etwas durchaus Paradoxes: Es wäre authentischer, an ausgewählten Punkten auch einmal mit Reproduktionen zu arbeiten.

Abschließend zeigte Dr. Dorothea Parak anhand der Planungen zur Archäologischen Zone des Jüdischen Museum Köln, dass die Offenlegung aktueller Forschungsfragen und die Umsetzung mit zeitgenössischen Medien oftmals sprechender und somit authentischer sein kann, als das bloße Ausstellen eines archäologischen Befunds, der bei den Besuchern kaum jene Reflexionsprozesse in Gang bringen könnte, wie es die partizipative Teilhabe an Forschungsfragen vermag. Auch meine Kolleginnen Dr. Uta Piereth, Dipl.Rest. Inga Pelludat und ich durften zu dieser Sektion einen kleinen Teil hinzufügen – trägt doch auch die Cadolzburg deutlich die Spuren jener Bruchlinien der Authentizität. Aber das ist noch einmal ein anderes Thema… (Literatur-Tipp: „Jugend entwirft …“ und „Buch oder nicht Buch – …„)

Das Neue Schloss der Cadolzburg – Bruchlinien der Authentizität. Mehr ab Sommer 2017! Foto: Sebastian Karnatz.

Authentizität im Museum und moderne Medien

Man sieht: Es bleibt, auch wenn große Einigkeit unter den Teilnehmern herrschte, schwierig, immer authentisch zu sein und authentisch auszustellen. Das stete Hinterfragen eigener kuratorischer Praktiken und das Ernstnehmen des Besucherinteresses scheint hier jedenfalls der Königsweg zu sein.

Ein kurzer Seitenblick sei noch erlaubt: Moderne Medien und Social-Media-Einsatz waren auf der Tagung nicht nur feigenblattmäßig in Form von Twitter präsent, sondern auch mittels diverser multimedialer Vermittlungsaspekte von der Virtual-Reality-Brille bis zum 3D-Scan von Objekten. Erstaunlich wenig wurde dabei über die neuen Medien geredet, sondern eher mit ihnen. Auch wenn vereinzelt noch alte Reflexe – „lenkt vom Objekt ab“ – zu spüren waren, so dürfte doch die große Mehrzahl der Teilnehmer verstanden haben, dass die Vielfalt an medialen Vermittlungsangeboten unseren Auftrag, authentisch zu bleiben, weit mehr unterstützt als erschwert. Gut so!

 
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