KULTUR – MUSEUM – TALK

Chance BarCamp bzw. stARTcamp – Wissensvermittlung oder Inspiration hoch zehn

„… doch am Ende des Tages war ich von der ersten “Unkonferenz” meines Lebens absolut fasziniert. Ich glaube fast, es gibt kaum einen besseren Weg, sich inspirieren zu lassen, interessante Menschen kennenzulernen und so viel neuen Input zu einem Themengebiet aufzunehmen.“

So lautete das Fazit von Katja Grintsch über das stARTcamp Köln 2012. Und sie hat recht. Inspiration hoch zehn. Geballte Social Media Power steht für Fragen und Wissensvermittlung bereit. Aber wie läuft so eine „Unkonferenz“ überhaupt ab? Der Begriff ist doch an sich eine Verballhornung, oder? Entweder ist es eine Konferenz oder es ist keine – Punktum! So denkt die Geisteswissenschaftlerin, die davon zum ersten Mal hört und die bisher ausschließlich an klassischen Konferenzen teilgenommen hat, d.h. den „Zuhörer“ erwartet ein fixes Programm mit festgelegten Rednern über ein spezifisches Thema. Ja. Nicht so aber bei BarCamps. Warum? Haben wir es hier mit chaotischen Verhältnissen zu tun? Definitiv nein.

Mein erstes BarCamp war das stARTcamp München 2012 – und es war klasse! Es richtete sich an Kulturschaffende, wie auch die anderen stARTcamps in Köln, Frankfurt und Dresden. Sie alle sind Satelliten der stARTconference, die zuletzt 2011 in Duisburg stattfand. Jedes stARTcamp hat sein eigenes übergeordnetes Thema. Sie sind entsprechend der BarCamp Regeln organisiert. Den Münchnern ging es um das „Machen“ von Social Media, deshalb auch ihr Motto „Werkraum für digitale Handarbeit“. Die Kölner hingegen stellten „Qualifikation und Berufsbilder für digitale Kommunikation für Kunst und Kultur“ in den Fokus. Ihr Motto: „Social Web ist schön, macht aber viel Arbeit“. Hm … so weit, so gut. Aber was ist eigentlich ein Barcamp?

BarCamp – eine partizipative Unkonferenz

Informell ist das Stichwort. Anders als bei Konferenzen, die ein weitgehend anonymes Publikum haben, das im Idealfall am Ende eines Vortrags respektvoll Fragen stellen darf, wird es beim BarCamp persönlich. Gestartet wird mit einer Vorstellungsrunde. Nicht die Sprecher, sondern das Auditorium stellt sich zuerst vor. Jeder nennt drei Hashtags, die auf ihn zutreffen. Das Motto des BarCamps ist zwar festgelegt, wenige Sprecher können auch gesetzt sein, grundsätzlich aber wird der konkrete Ablauf erst vor Ort geregelt. Jeder, der möchte, schlägt dem Auditorium sein Thema für eine Sitzung vor. Das kann ein fertiger Vortrag, eine Präsentation oder eine Frage sein, die gemeinschaftlich diskutiert wird. Per Handhebung wird dann entschieden, ob die Sitzung erfolgt oder nicht. Da es meist mehrere Räume gibt, laufen auch mehrere Sessions parallel. Die Teilnehmer haben also die Qual der Wahl, wo sie zuhören, mitwirken oder Fragen stellen möchten. BarCamps haben den Charakter von Workshops. Fragen sind willkommen. Es gibt keine oder kaum eine dumme Frage. Gerade die scheinbar einfachen Fragen haben es manches Mal richtig in sich. Die viel beschworene digitale Partizipation wird auf dem BarCamp analog gelebt.

Chance BarCamp

Vernetzen, sich austauschen, sich fortbilden, Experten löchern und das alles ohne sich exponieren zu müssen – das trifft den Kern eines BarCamps. Wer ist der Schlaueste? Wer kann am besten sein Nichtwissen möglichst eloquent kaschieren? Auf wen das zutrifft, der sollte einem stARTcamp fernbleiben. Wer aber offen für neue Formate ist, der kommt und bildet sich seine eigene Meinung. Und wer sich fortbilden oder aber sich mit Gleichgesinnten austauschen möchte, der hat einen fixen Termin. Der Workshopcharakter eines BarCamps ist inspirierend. Probleme können zwanglos und informell angesprochen, Ratschlag eingeholt und Kontakte geknüpft werden, ob in der Sitzung, während des Essens oder beim Kaffee. Unterschiedliche Kenntnisse der Teilnehmer und die Bereitschaft zu teilen, bieten Chancen für neue Lösungen und heben die Stimmung. Es tut gut zu erkennen, dass andere ganz ähnliche Fragestellungen haben. Tatsächlich lernt man sehr interessante Menschen kennen. Und am Ende des Tages ist die Euphorie mitunter groß (s. Eingangszitat).

Und der Vorteil von BarCamps für die Kulturinstitution?

Die Kulturinstitution kann sich sicher sein, dass ihre Mitarbeiter relevantes Wissen erhalten, das den Bedürfnissen des Hauses sehr nahe kommt. Vorschläge können verworfen werden, wenn sie nicht konform sind mit den internen Strukturen oder Arbeitsabläufen; andererseits verhelfen Anregungen zu eigenständigen Lösungen.
Muss man für ein BarCamp etwas zahlen? Ja. Das Entgeld ist aber gering. Es inkludiert das Essen und zumeist die Getränke. Kurse bei der VHS, IHK oder bei anderen Fortbildungsinstituten sind erheblich teurer und oftmals nicht auf die Bedürfnisse einer Kulturinstitution zugeschnitten. Ich bin Überzeugungstäterin und das nicht nur, weil ich das stARTcamp München mitorganisiert habe. Nein. Ich habe auch teure Kurse besucht. Und das stARTcamp ist klar im Vorteil. Es gibt nirgendwo sonst so vielfältigen Input von ausgewiesenen Experten und so spannende Leute. Jedes stARTcamp/BarCamp hat seinen eigenen Hashtag, der über den Fortgang und die Atmosphäre informiert. Ein schlagendes Argument pro BarCamp ist vor allem auch die Dokumentation: Blogposts, slideshares, Videoaufzeichnungen, Podcasts u.ä. informieren im Nachhinein über Sessions, an die man nicht teilnehmen konnte, oder die man noch einmal nachvollziehen möchte. Schaut euch dazu einfach mal die Dokumentationen der stARTcamps in Köln und München an.

Nachtrag

Tolles eklärendes Video von lightwerk mit Jan Theofel, Oranisator des Barcamps Stuttgart: „Was ist ein Barcamp? Einfache erklärt. Tipp von @SinnundVerstand – danke!

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Absolute Leseempfehlung von Tine Nowak über die Eigenarten eines BarCamps – danke! Jörg Lohrer zieht in seinem Post die Analogie zwischen Fight Club und Barcamp: „Educamp. Willkommen im Fight Club„, 23.10.2012.

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