KULTUR – MUSEUM – TALK

Villa Stuck: Künstlergarten, Altar der Sünde & Travestie eines Museums

Die Villa Stuck in München fasziniert mich. Zuletzt führte mich ein Tweetup her. Jetzt brachte ich Mini zum Aquarellieren ins Jugendzimmer der Villa. Mir blieb dafür die Zeit, durch die Villa Stuck zu streunen auf der Jagd nach Inspiration für die Blogparade der Ironblogger München. Das Thema „Weiß-Blau // Blau-Weiß“. Zugleich entdeckte ich meine „Museumsperle“ – den Altar der Sünde – sowie die Travestie eines Museums.

Blau-Weiß in voller Pracht: der Künstlergarten der Villa Stuck, eine Museumsperle.

Kinder ins Museum nach München: Villa Stuck lockt

Ist schon witzig, welche Anlässe mich ins Museum führen. Als ich just vor den Osterferien meine Blogserie zu Kinder und Museen in München aktualisierte, sämtliche Links dazu durchging und die neuen Programme und Ausstellungen ergänzte, landete ich auf der Website der Villa Stuck. Et voilà, sie boten am nachfolgenden Samstag gleich zwei Workshops für Kids ab 8 Jahren an. Aquarellieren am Nachmittag war für uns sofort gebongt, zumal wir sämtliches Material bereits zu Hause hatten. Es fehlte nur der Antrieb, damit endlich zu starten. Jetzt sitze ich nach meiner blau-weißen Jagd draußen im Café der Villa Stuck. 30 Minuten bleiben mir, bevor ich Mini abholen muss. Zeit also zum Bloggen.

Im Jugendzimmer der Villa Stuck dürfen die Kids kreativ werden. Minis Aquarelle liegen auf dem rechten Tisch. Sie hatte einen Heidenspaß.

Von Mini zu Blau-Weiß zum Altar der Sünde zur Travestie eines Museums

Schon in #Visionengestalten lobte ich das Freewriting. Bei meinen Artikeln weiß ich oft nicht, wo ich am Ende lande: Ich schreibe einfach darauf los – meine „klug durchdachte“ Strategie. Hach, ich mag es ja, strategisch vorzugehen.

Mini führte mich zur Villa Stuck – ein idealer Anlass also Motive und Ideen für „Weiß-Blau“ zu finden. Ich ging durch die historischen Räume, fotografierte alles, das Blau enthielt, entdeckte dabei manches Weiß. Klar, dass ich auf den sternenglänzenden Nachthimmel im Musiksalon eingehe. Ein besseres Thema für Blau gibt es wohl nicht: Der Sternenhimmel symbolisiert die „Sphärenharmonie des griechischen Mathematikers Pythagoras“ (Margot Th. Brandlhuber, Sammlungsleiterin). Und doch wird er nicht Gegenstand des heutigen Artikels.

Was bleibt dir anderes übrig, als den Sternenhimmel im Musiksalon der Villa Stuck aufzusuchen? Von mir erfährst du nichts darüber.

Danach ging ich in den Garten lustwandeln und beginne zu bloggen. Richtig bemerkt, dieser Absatz ist ein Einschub, nachdem ich fortfuhr nach dem Museumsbesuch zu Hause zu schreiben und zu recherchieren. Und plötzlich standen ganz andere Themen im Raum: Über den Altar der Sünde gelangte ich zum Diskurs über die Travestie eines Museums. Museum kann so viel mehr, wenn man sich darauf einlässt. Gut. Vielleicht ist es auch Lust und Last von Kunsthistorikern nachzufassen. Und klar, digitale Spuren des Museums inspirieren mich grundsätzlich.

Ende des Einschubs, zurück nun zum ersten Texten im Künstlergarten der Villa Stuck.

Blau-Weiß der Sinne – der Künstlergarten der Villa Stuck

Et voilà, mich umgibt fantastisches Blau-Weiß. Blauer April-Himmel, weiße Villa. Weißer Tisch, blau-weißer Besteckkrug. Ich starte gerade das Thema mit dem scheinbar Unwichtigsten überhaupt: dem Café im Künstlergarten der Villa Stuck. Skeptisch werde ich von den anderen Café-Gästen beäugt, denn ich habe mich an den schattigsten Platz zurückgezogen mit Laptop und Kamera, während sie in der Sonne sonnenbebrillt ihren Milchcafé genießen. Dafür sehe ich etwas auf dem Display. Mich fröstelt und ich muss mir die Jacke anziehen. Ist doch noch etwas frisch.

Unwichtig und doch wichtig – Ausdruck einer Künstlerseele

Breche ich mit den Regeln des Bloggens, insofern ich mit dem „Unwichtigsten“ starte? Und ja, ich mache das gerne. Ich versuche die Stimmung für dich einzufangen und die ist grandios. Endlich ist der Frühling da, die Sonne scheint, der Himmel erstrahlt blau, die Natur beginnt zu sprießen und wird bunt, belebend, energiespendend, vor allem aber kommt Glücksgefühl auf. Vielfältig ist es. Kunst macht mich glücklich, wenn ich sie genießen und erschlendern darf, wie just zuvor die Villa Stuck. Nun sitze ich draußen in herrlicher Umgebung über das Gesehene nachdenkend. Ja, auch für mich sind Cafés in Museen wichtig, wie Ricarda von Hiddentraces es in ihrer Antwort zur Frage neun im Montagsinterview herausstellte. Das einzige, was diese intime Idylle stört, ist der Autolärm.

Hierher verirren sich die Cafégäste kaum.

Idylle ist das Stichwort. Der Künstlergarten ist komponiert: Er vereint pompejianische Vorbilder mit Kunstwerken des 19. Jahrhunderts. Eine Kulisse für Mythen, angelegt in rechteckigen Rasenflächen, umsäumt von Steinblöcken. Hermen zeigen die Konterfeis von antiken Persönlichkeiten.

Ein wunderbares Kleinod ist der Künstlergarten der Villa Stuck – ein Refugium der Künstlerseele damals und ein Ort der Inspiration heute.

Die Westseite des Grundstücks ist spannend. Hier schaffen es die Cafégäste schon gar nimmer mehr hin – schade, denn sie verpassen etwas. Eine Pergola dient als Wandelgang. Sie führt eine Treppe hoch zur Balustrade. Oben tront das Bronzebild der Kapitolinischen Wölfin – Wahrzeichen der Stadt Roms aus dem 5. Jahrhundert vor Christi. Der Ort lädt zum Verweilen ein, gepaart mit widersprüchlicher Atmosphäre: blau, Schatten und Licht. Überall begegnen mythologische Szenen – ein Ort der Muße, lässt man sich darauf ein.

Die Lichtverhältnisse waren hier grandios, gemalte Schatten, ein fast abgeschotteter Bereich, den Franz von Stuck gerne aufsuchte.

Doch nicht so unwichtig, gell? Im Gegenteil, es ist ein Ort der Inspiration – ein intimer Künstlergarten, der Gestaltungsprinzipien der Villa aufgreift und fortsetzt: Licht und Schatten finden sich im Inneren wie Äußeren wieder. Ein Lustwandeln widersprüchlicher Gefühle. Du merkst schon, das Lustwandeln in prächtigen Gartenanlagen erwischt mich vollends. Dieses Mal haschte mich die intime, inspirierende Atmosphäre: Ausdruck einer faszinierenden Künstlerseele!

Franz von Stuck – Künstlerfürst zwischen Muse und Sünde

So ganz ohne ein paar Fakten zum Künstlerfürst Franz von Stuck (1863-1928) geht es dann doch nicht bei mir. Jedoch werde ich dir jetzt keinen kunsthistorischen Exkurs bieten. Nur so viel: Er errichtete zwischen 1897-98 die beeindruckende Künstlervilla. Die Villa mitsamt der außergewöhnlichen Innenraumausstattung entwarf er – eine unglaubliche Symbiose verschiedener Style, Gattungen sowie ein inspirierendes Atelier – Stoff zum Träumen. Die Villa Stuck ist ein Gesamtkunstwert erster Güte. Die historischen Räume sowie Sonderausstellungen faszinieren.

Aktuelle Ausstellungen:
  1. Manifesto. Julian Rosefeldt, 16. Februar – 21. Mai 2017
  2. Private Confessions. Die Zeichnung der Schmuckkünstler, 10. März – 7. Mai 2017

Altar der Sünde

Höhepunkt in seinem Prunkatelier ist der „Altar der Sünde“. Es gehörte im 19. Jahrhundert zum guten Ton, einen Altar in einem Künstleratelier aufzustellen. Er vereinte malerische Arrangements antiker Kunst und bedeutete eine Hommage an die Antike. Sie wurde zu der Zeit sehr verehrt, so die Sammlungsleiterin Margot Th. Brandlhuber in einem Interview von 2013. Schaue und höre es dir unbedingt an! Frau Brandlhuber geht auf die Besonderheiten des Altars der Sünde von Franz von Stuck ein.

So setzte er 1902 anstelle des Altarblattes sein skandalumwittertes Gemälde: „Die Sünde“. Das Bild zeigte der Künstler auf der 1. Münchner Secession 1893, die er mitbegründete. Historie sowie Digitalisate der Münchner Secession führt das ZI auf: wunderbarer Fundus zum Stöbern. Franz von Stucks Gemälde Die Sünde sorgte für einen großen Skandal: die erotische Femme fatale mit der Schlange, Voyeurismus und Scham kombiniert – damals ein Affront. Fassungslos und stumm verließen die Besucher den Ausstellungsraum. Erst außerhalb des Raumes diskutierten sie empört die Dreistigkeit der Bildfindung.

Altar der Sünde von Franz von Stuck.

Frau Brandlhuber verortet den Altar in die Diskussion der Zeit, aus dem Skandal und unerhörte Bildkomposition erklärlich werden. Zentrale Frage war, ob die Kunst die Religion ersetzen wird. Zudem genoss der Künstler eine kultische Verehrung. Das Bild bietet heute einigen Denkstoff, wenn du dich auf die Fragen der damaligen Zeit einlässt.

Ein Museum wird travestiert – Diskussion von 1968

Hach, ich liebe das Netz, auch als erste Anlaufstation für Informationen nach einem Museumsbesuch. Wohl kaum wäre ich sonst auf den Artikel „Ein Hausaltar für die Sünde. Die Stuck-Villa in München – Travestie eines Museums“ von Gottfried Sello in der Zeit vom 5. April 1968 gestoßen. Das Museum wurde gerade nach aufwändiger Restaurierung wiedereröffnet und löste Gesellschaftskritik aus.

Mich fesseln die Gedankengänge und Dispute. Der Autor stellt die Villa Stuck und den Künstler vor. Zugleich kritisiert er, dass es das Museum überhaupt gibt. Als Wahlmünchnerin und Kunsthistorikerin erfahre ich gerne mehr darüber. Lies den Artikel, er bietet einigen Denkstoff, eine Einordnung des Künstlers in seiner Zeit und in späterer Rezeption.

„Sie ist in alter Pracht und Pseudoherrlichkeit wiedererstanden, die Stuck-Villa, Tuskulum des letzten deutschen Malerfürsten römischer Nation, mit dem er seinen ausschweifenden Kunst- und Lebenstraum Architektur werden ließ, einen Traum, den nicht er selber, sondern ein anderer, ein besserer Träumer und besserer Künstler, Arnold Böcklin nämlich, geträumt hatte.“

Zur „Sünde“ und zum Künstler schreibt Gottfried Sello:

„Stucks „Sünde“, mindestens in fünf Fassungen wiederholt, war schon zur Zeit ihrer Entstehung ein Anachronismus. Seine Malerei war ein Protest gegen das Neue, das sich nicht nur in Paris, das sich auch in München zu Wort meldete, Protest gegen den Impressionismus, gegen den Realismus Leibischer Art. Als Verächter der bürgerlichen Moral, als Erneuerer antiken Lebensgefühls, heidnischer Sinnenfreude betritt er die Bühne, um noch einmal das große Thema, den Symbolgehalt, die Mythologie zu etablieren.“
Museen zeigen „Vergangenheit als virtuelle Gegenwart“

Museen lösen Diskurse aus, die gesellschaftliche Relevanz besitzen. Ein Prozess, der ernst genommen, nie endet. Deshalb erneut noch einmal ein Zitat Sellos:

„Mit dem Stuck-Jugendstil-Museum wird die Idee des Museums travestiert.
Museen haben nicht die Aufgabe, das Tote zu mumifizieren, sie präsentieren Werke der Vergangenheit als virtuelle Gegenwart. Aber Stuck ist trotz aller Bemühungen seiner Apologeten nicht wiederzubeleben.“

Was ist die Aufgabe der Museen? Daran rührt Sello an, aber anders als wir es heute tun, wenngleich sein Ausspruch über Vergangenheit und virtuelle Gegenwart heute eine ganz andere Qualität besitzt – Stoff für einen anderen Artikel. Damit reicht es jetzt mit der oberflächlichen kunsthistorischen Spurensuche.

Blogparaden #perlenfischen & „Blau-Weiß“

Die Sünde von Franz von Stuck ist also meine Museumsperle und damit Beitrag zur Blogparade #perlenfischen der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern (bis zum 14.5.2017). Weitere Einblicke über die Kunst der Villa Stuck erhälst du bei MUSERMEKU. Ein Artikel, zwei Blogparaden erwischt und zwar ganz aus Versehen: Von Mini und Kinder in Museen zu Blau-Weiß zum Altar der Sünde zur Travestie eines Museums – Freewriting beflügelt und bleibt unvorhersehbar.

Bei den Ironbloggern freut es mich besonders, dass bislang zwei Bloggerkolleginnen über Ausstellungen und Museen schrieben:

  1. Kultur Natur: „#Bildschön. Blau-weiße Landschaftsstimmungen“ – Carl Rottmann im Lenbachhaus.
  2. Claudia plaudert: „Erstaunlich bunte Vielfalt, weiß-blau, blau-weiß und eine Reise in die Kunst“.

Grundsätzlich lohnt der Blick auf die Beiträge der Ironblogger München zu werfen – raus aus der Filterblase! Zuletzt schrieb Wasserfrosch und morgen kommt eine Zusammenfassung auf der Seite der Ironblogger München.

Ein Besuch der Villa Stuck lohnt. Erst in die Villa, dann nach draußen in den Künstlergarten.

Infos zum Museum Villa Stuck

Prinzregentenstr. 60
D-81675 München

Öffnungszeiten: Di – So 11–18 Uhr, erster Freitag im Monat bis 22 Uhr
Eintrittspreise: 4 bis 9 Euro / Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre freier Eintritt / Jahreskarte 20 Euro.

Was ist deine Museumsperle? Gehst du #perlenfischen? Ein sehr dankbares Thema für eine Blogparade, oder?

 
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