KULTUR – MUSEUM – TALK

Kultur weitet mein Herz – Teil 1 #KultDef

Liebe Tanja,

ganz herzlichen Dank für die Chance, einen Beitrag zu #KultDef bei Dir publizieren zu dürfen! Gerne greife ich aus Deinen Vorschlägen einige Fragen heraus und gebe dazu meine sehr persönliche Antwort. Ein Mosaiksteinchen für das Gesamtkunstwerk: Kultur weitet mein Herz!

 

Was ist für mich Kultur?

Wenn ich definieren soll, was für mich persönlich das Wesen von Kultur ausmacht, dann sage ich: etwas, das von Menschen erschaffen ist und meinem Herzen Weite gibt. Mein Herz geht auf, wenn ich über eine beinahe menschenleere Wattenmeerlandschaft hinweg gucken kann, Licht, Farbe, Wolken sehe, Vogelgezwitschere höre, Wind und Weite verspüre. Und mein Herz geht genauso auf, wenn ich vor bestimmten Gemälden stehe. Ich bekomme das Gefühl, einem besonderen, wohltuenden, lange andauernden Ereignis beizuwohnen – einen Raum zu betreten, worin ich leben kann. Buchstäblich einen Lebensraum. Ich verspüre an meinen Körper, dass sich etwas ändert: die Weite meines Herzens. Ich kann aufatmen.

Nun, was soll sie, diese Poesie? Ganz einfach: sie ist manchmal wirklich da! Und sie ist meine #KultDef!

Formen von Kultur: Farbe und Materie

Kultur hat viele Formen; manche lassen mich ziemlich unberührt. Ich lese keine Literatur, höre kaum Musik, gehe nicht ins Theater, schaue mir keine Filme an (außer Dokumentarfilme, die mir Persönlichkeiten und Geschichte näherbringen). Skulpturen sind auch selten meine Sache. Und was die Malerei und Graphik angeht, vermag hauptsächlich die Periode 1850-1920 mich wirklich zu begeistern. Und die gegenwärtige Pleinair-Malerei, die in manchen Gegenden fast ausgestorben ist. Bin ich doch eher ein Kulturbanause? Für mich ist dieser kleine Abschnitt aus der Kunsthistorie groß genug …

Ich vermag nicht zu erklären, weshalb meine Vorliebe eben diese ist. Wer vermag es wohl? Einige Komponenten kenne ich schon. Erstens: ich will Farbe erkennen können. Farbe im Sinne von Materie – die flüssige Masse, die meistens aus der Tube kommt, „paint“, „peindre“, „verf“. Bemerkenswert, dass es in der deutschen Sprache für „colour“ und „paint“ nur das eine Wort „Farbe“ gibt …

Sehr fein und sehr detailliert, ist nicht meine Sache, Materie und breite Striche sollen her, ich will die sich bewegende Hand noch erkennen können. Bei Radierungen liebe ich tiefes Schwarz und richtige ‚Kratzspuren‘ im Papier. Zweitens: was die Vorstellung angeht, will ich etwas Gegenständliches sehen. Abstraktes berührt mich nicht. Bei Mark Rothko bleibe ich gefühlsneutral.

Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann ich mich für Gemälde richtig begeistern. Auch wenn sie einfach sind und von Kunstkennern oder Auktionshäusern nicht hoch gehandelt werden. Wie z.B. für „Knecht mit Kürbissen“ vom dänischen Maler Peter Hansen von 1914 (Faaborg Museum).

Peter Hansen, Knecht mit Kürbissen, 1914, Faaborg Museum. Foto: Peter Soemers, CC-BY-SA.

Aber auch Virtuosität wie die des Peder Severin Krøyer oder Joaquín Sorolla, symbolistische, manchmal dunkle Themen wie in Gemälden von Laurits Andersen Ring und Giovanni Segantini berühren mich. Ebenso die Stimmungsbilder der Maler von Skagen (wozu auch P.S. Krøyer gehört – in Dänemark) und der heimischen Haager Schule. Radierungen? Nichts geht über den Schweden Anders Zorn (vgl. Sommer-expo in Stockholm).

Was bedeutet mir Kultur?

Inzwischen hat ‚Kultur‘ sich hier schon verringert zu ‚Kunst‘. Was bedeutet mir Kunst? Weshalb gibt sie mir Weite, ist sie mein Lebenselixier?

Die Antwort gebe ich mir in einem Tweet, den ich an mein Profil geheftet habe (den sieht man auf Desktops immer ganz oben in meiner Timeline; in dem Twitter-App auf Smartphones und Tablets funktioniert das leider nicht).

Wenn man das Leben einem Film gleichsetzt, sind Kunstwerke Stand-bilder. Sie ermöglichen mir, alles, was in diesen vorbeieilenden Momenten enthalten ist, in Ruhe zu betrachten und zu durchleben. Wie viele Sinneseindrücke erleben wir tagtäglich? Wie schnell werden sie durch weitere weggeschwemmt? Kunst gibt mir die Gelegenheit, irgendwann Erlebtes, Erfahrenes oder Erahntes – sei es von mir oder von anderen – wirklich auszukosten.

Ich bevorzuge Gemälde, Pastelle, Aquarelle und Grafik, weil ich selbst entscheiden kann, wie lange ich mich diesen Eindrücken aussetze. Ich entscheide, wie lange ich hinschaue, von welcher Distanz, welche Kunstwerke und welche nicht. Bei Konzerte, Kino- und Theaterbesuchen hätte ich diese Möglichkeiten nicht.

Was sind meine Zutaten für einen prägenden Kulturgenuss?

Bloggerin Alli Burness (@alli_burnie auf Twitter) aus Australien hat vor zwei Jahren einen Blogpost geschrieben, der erst neuerdings viel beachtet, kommentiert und reblogged wird: „Reacting to Objects: Mindfulness, Tech and Emotion„. Sie erzählt, wie sehr sich während Museumsbesuchen eine kontemplative Grundhaltung (Mindfulness) einerseits und Fotografieren und Teilen über Smartphone andererseits wunderbar ergänzen. In einem Kommentar dazu vom 31.01.2015 erinnert Fred Bickham („fbickham2012“) sich an zwei grundlegenden Wünsche, die er vor Jahrzehnten während seiner Museumsbesuchen verspürt hat: „1) the need to exclude “others” in connecting with the objects on display; 2) the desire to include “others” in connecting with the same objects“. Und spricht davon, wie leicht das heutzutage über Social Media möglich ist – in Dimensionen, die es damals überhaupt nicht gab.

Peter Soemers in Action im Skissernas Museum in Lund. Foto: Ursula Oberst, CC-BY-SA.

Dies gilt für mich genauso. Ich möchte in Ruhe schauen können. Ich fotografiere aber auch gerne und viel, und kommuniziere zeitgleich oder im Nachhinein gerne mit anderen Leuten vor Ort und über Social Media. Eben: Blogposts lesen und via Social Media über Kunst und Museen reden gehört mittlerweile für mich genauso wesentlich zum Kulturgenuss hinzu.

Übrigens hat Alli Burness seitdem Ihr Fokus noch mehr darauf verlagert, „the many ways we look at art with technology“ zu erforschen. Ihre eigenen ‚Museum experiences‚ sind immer mehr vernetzt, wobei die Grenzen zwischen analog und digital, zwischen innerhalb und außerhalb der Museumsmauern immer mehr verwässern, bedeutungslos werden. Alli erzählt und zeigt es in diesem kurzen Video:

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Tolle Sache; ich finde mich darin ein ganzes Stück wieder. Die digitale Welt hat meinen Kulturgenuss ziemlich erweitert. Und ja, liebe Museen, die Erlaubnis zum Fotografieren ist also wirklich keine Nebensächlichkeit für mich; sie ist eine wesentliche Zutat für einen prägenden Kulturgenuss, der sich auch im Nachhinein fortsetzen kann.

Ob ich Kultur gestalte? Darüber erzähle ich gerne mehr im zweiten Teil meiner #KultDef!

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