KULTUR – MUSEUM – TALK

Kind am Tellerrand – Blog über Kunst & Reisen mit Kindern im Interview

Es gibt wenige Blogs über Kunst & Reisen mit Kindern. Maria Bettina von „Kind am Tellerrand“ schreibt über dieses Nischenthema, speziell über Ausstellungen, Reisen, Bücher, Design und Architektur. Das Montagsinterview mit ihr regt zum Mitdenken über Museen für Kinder und Familien sowie über den Medienkonsum der Kids an. Zudem erfährst du, wie sie Familie und Beruf vereint. Als Journalistin ergreift sie die Chancen des Social Webs: Print und Digital gehen bei ihr Hand in Hand.

Suchbild mit vierköpfiger Familie – in Yayoi Kusamas Rauminstallation „Love is Calling“. Reisen mit Kindern, Foto: Maria-Bettina Eich.

Kind am Tellerrand bloggt über Reisen mit Kindern und Kunst für Kinder

Liebe Maria Bettina, wir kennen uns schon recht lange digital. Beide begannen wir Ende 2012 zu bloggen über Museen, Kultur und Kinder. Dabei verbindest du Familien- und Reiseblogs mit Kulturblogs – eine kleine, feine Nische in der Blogosphäre.

1. Stell dich doch bitte kurz vor. Wer bist du? Was machst du beruflich? Wie klappt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei dir? Und was bedeutet dir dein Blog?

Liebe Tanja, danke für deine inspirierenden Fragen! Ich bin Maria-Bettina Eich, studierte Literaturwissenschaftlerin, freie Journalistin, Mutter zweier Töchter von zwölf und 15 Jahren. Wenn ich nicht blogge, schreibe ich für Zeitschriften, und zwar vor allem über Themen, die sich um Uhren und Design drehen.

Bevor ich meine erste Tochter bekam, war ich Zeitschriftenredakteurin. Da mein Mann den gleichen Beruf hatte und wir beide Verantwortung für ein Magazin trugen, war klar, dass einer von uns sich selbständig machen musste – die Zuständigkeit beider Eltern für redaktionelle Terminpläne ließ sich nicht gut mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten vereinbaren. Beim Arbeiten als freie Journalistin ist das wesentlich einfacher, wenngleich gerade berufliche Telefonate im Home Office mit Kleinkind im Hintergrund für echten Nervenkitzel sorgen können.

Anfangs haben mein Mann und ich uns mit dem Arbeiten abgewechselt – er zu Bürozeiten, ich abends und am Wochenende. Familiär war das manchmal eine Hängepartie, aber es war mir wichtig, mir das freiberufliche Standbein aufzubauen, und letztlich lief es ganz gut. Inzwischen, mit den großen Kindern, sind diese Probleme weitgehend vom Tisch. Trotzdem kann ich unser Vereinbarkeits-Konzept nicht in den Himmel loben, denn ich bin sehr stark von einer schwankenden Auftragslage abhängig. Außerdem kann einem beim Arbeiten im Home Office leicht mal die Decke auf den Kopf fallen. Meinen Blog nehme ich ebenso ernst wie meine reguläre Arbeit, auch wenn ich damit kein Geld verdiene.

2. Warum hast du angefangen zu bloggen? Wirkt sich das Blog auf deine Tätigkeit als Journalistin aus? Wenn ja, wie?

Seit unsere erste Tochter ein wenig sprechen konnte, haben mich als Kulturfan die Berührungspunkte zwischen Kleinkindleben und Kultur fasziniert. Das begann mit Bilderbüchern, deren künstlerische Qualität man nicht unterschätzen darf, und ging mit kindgerechten Entdeckungen auf Reisen sowie Museumsbesuchen weiter. Es war mein Herzensprojekt, darüber zu schreiben, und gelegentlich gelang es mir, einen Artikel zu diesen Themen zu verkaufen – aber bei langem nicht in dem Maße, in dem sie mich begeisterten!

Ich habe eine koreanische Freundin, die lapidar zu mir sagte: „Du solltest einen Blog machen, in Korea hat jeder einen Blog.“ Voilà, im Dezember 2012 habe ich angefangen – damals noch komplett ahnungslos, was das Publizieren im Netz angeht. Seither habe ich eine Menge gelernt, wenngleich ich technisch immer noch zu den weniger versierten Bloggern gehöre. Das Gelernte kommt meiner bezahlten Arbeit sehr zugute, dann auch meine Auftraggeber verbinden mittlerweile Print mit Online-Publishing. Außerdem empfinde ich den kontinuierlichen Wechsel von der journalistischen Schreibe zur Blogschreibe und von meinen Zeitschriftenthemen zu meinen Blogthemen als extrem fruchtbar. Beides belebt einander und verhindert hoffentlich ein wenig, dass ich mich allzu sehr in einem immer gleichen Stil festschreibe.

3. Mittlerweile hast du den dritten Relaunch (?) deines Blogs durchgeführt – warum? Was sind deine Blogziele für 2017? Unterstützt dich deine Familie dabei?

Begonnen habe ich mit meinem Blog auf äußerst laienhafte Weise. Ich habe Ende 2012 einfach mal ein paar Fotos und Texte unter einem ohne viel Nachdenken gewählten Blognamen auf der Plattform Twoday veröffentlicht. Die hat sich im Laufe der Zeit allerdings als sehr unflexibel und ungeeignet für den Ausbau des Blogs erwiesen. Deshalb bin ich Ende 2014, nach zwei Jahren, zu WordPress umgezogen, diesmal auch mit einer eigenen Domain und dem Blognamen Kind am Tellerrand. Der dritte Relaunch ist gerade im Gange, während dieses Interview entsteht. Diesmal geht es um die Struktur und das Design des Blogs, die zuvor, wie mir immer klarer wurde, zu statisch waren.

Mein Blogziel für 2017 ist es, mit Hilfe des neuen Blogdesigns noch klarer zeigen zu können, wie wunderbar Familie, Reisen und Kultur zusammenpassen, Berührungsängste zu nehmen und zu inspirierenden Familienerlebnissen anzuregen.

Kultur hat viele Gesichter: Abendessen in einem Ryokan, einem traditionellen japanischen Gasthaus. Reisen mit Kindern, Foto: Maria-Bettina Eich.

Wie in so mancher Familie mit bloggendem Elternteil ist Kind am Tellerrand auch bei uns zu einer festen Größe im Familienleben geworden. Meine Töchter lesen manchmal mit, manchmal nicht, manchmal geben sie ihren Input, manchmal kritisieren sie gnadenlos, und ab und zu verdrehen sie die Augen über das, was ihre Mutter so macht – das gehört zum guten Ton, schließlich sind sie in der Pubertät! Mein Mann hegt dem Blog gegenüber väterliche Gefühle und muss in der Regel als Erstleser der Posts herhalten.

4. Wie zeitintensiv ist das Blog für dich? Wie organisierst du dich? Wie kommst du zu deinen Themen? Hast du einen Redaktionsplan oder eine to-do-Liste?

Ich glaube, die meisten Non-profit-Blogger stecken ab und zu mal ihren Kopf aus ihrer Blogblase heraus und denken sich: Huch, ist es nicht verrückt, was für eine Zeit ich in diese Website investiere? Mir geht das immer wieder so, denn auch, wenn ich gerade nicht an einem Blogpost sitze, läuft der Gedanke an den Blog im Hinterkopf immer mit.

Zur Organisation der Blog-Arbeitszeit kann ich sagen: Wenn grade dringende Aufträge anstehen, muss der Blog warten, dafür profitiert er manchmal intensiv von Zeitlücken. Um meine Themen komme ich irgendwie gar nicht herum, sie decken sich stark mit meinen persönlichen Interessen. Ständig fallen mir tolle Bücher in die Hände, dann reizt mich eine Ausstellung, und schließlich und endlich bin ich eine sehr passionierte Reisende. Wobei natürlich hier und da eine Familienunternehmung gezielt im Hinblick auf den Blog stattfindet.

Einen strikten Redaktionsplan habe ich nicht, aber ein paar Regeln, die ich über den Daumen einhalte: Ich versuche, nicht mehr als fünf Tage zwischen zwei Blogposts verstreichen zu lassen, und es ist mir wichtig, zwischen den Themen Reisen, Kunst und Bücher abzuwechseln. Eine kleine Liste mit meinen nächsten geplanten Themen gibt es immer, außerdem einen groben Plan über die während der nächsten Monate anstehenden Reisethemen. Die lassen sich schließlich nicht mal so kurzerhand recherchieren.

5. Du schreibst über Kultur erleben mit Kindern auf Städtereisen, im Urlaub, in Ausstellungen, mit Design, Architektur und (Kultur-)Bücher. Hattest du die Kategorien bei der Blogplanung schon im Kopf oder nicht? Wie kam es dazu?

Am Anfang hatte ich die Themen Reisen und Ausstellungen im Kopf. Reiseplanung und Reisestorys gehören zu meinen Steckenpferden, das Thema lag auf der Hand. Und bei Kunstausstellungen mit Kindern stellte ich in der Medienlandschaft ein ziemliches Vakuum fest – sowohl im Print als auch online gab und gibt es dazu extrem wenig. Diesbezüglich etwas zu machen, reizte mich. Architektur, Design und die Buchbesprechungen ergaben sich relativ organisch aus diesen ersten Themen.

Mit etwas Glück funktionieren Ausstellungen wie „Sneaker. Design für schnelle Füße“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe auch mit Teens. Reisen mit Kindern, Foto: Maria-Bettina Eich.

6. Was war bislang deine größte Herausforderung beim Bloggen? Gibt es für dich berührende Momente, die sich aus deinem Blog ergeben haben?

Wie dir vermutlich nicht unbekannt ist, sind Kulturthemen im Netz nicht gerade die Straßenfeger, und mit meinem auf Kultur und Reisen mit Kindern zugeschnittenen Blog befinde ich mich in einer sehr schmalen Nische. Es gibt Leser, mit denen es einen herrlichen Austausch gibt, das ist sehr inspirierend und motivierend. An dieser Stelle auch einen Dank an dich, denn deine Blogparaden haben mir sehr bei der Vernetzung geholfen!

Gleichzeitig würde ich mir mehr Echo wünschen. Ich habe Kontakt mit klassischen Reisebloggern, und wenn ich sehe, welche Leserzahlen da existieren, frage ich mich manchmal, ob es sich für mich lohnt, weiterzumachen. Aber dann stoße ich wieder auf ein Thema, das mich begeistert, und die Sache ist vergessen. Berührend ist für mich immer, wenn ich höre, dass jemand sich durch einen Blogartikel persönlich angesprochen fühlt, ein empfohlenes Buch kauft, eine Ausstellung aufgrund eines Posts besucht oder einen Reisetipp in die Tat umsetzt.

7. Mein 15-Jähriger interessiert sich gar nicht mehr für Museen. Wie müssten Museen oder Ausstellungen für deine Kids beschaffen sein, um ihr Interesse sowie Begeisterung dafür zu wecken? Geht ihr alleine durchs Museum oder nehmt ihr auch mal spezielle Programme/Angebote wahr – welche?

Hach, jetzt würde ich gern mit einer Zauberformel antworten! Grundsätzlich finde ich es für das Wohlbefinden der Kinder im Museum wichtig, dass sie eine gewisse Bewegungsfreiheit haben. Es scheint mir durchaus zumutbar für Kids, im Museum vorsichtig und leise zu sein, aber ein bisschen nach Lust und Laune herumgehen und sich einen eigenen Überblick verschaffen zu können, ist meiner Erfahrung nach essentiell.

Abwechslungsreiche Ausstellungen und Museen funktionieren oft besser als andere. Raumfluchten voller Gemälde sind schwierig; hier sollte man zusehen, dass man die Kinder an den weniger interessanten Sachen vorbeischleust und ihnen ein paar sehenswerte Highlights zeigt – die man in diesem Fall vorher ausgewählt haben muss. Interaktionsmöglichkeiten sind immer eine gute Sache. Und dann natürlich immersive Kunstwerke, zum Beispiel Rauminstallationen, in die man eintauchen kann wie in eine Zauberwelt.

Zeitgenössische Kunst, kindergeeignet: In Alan Shields‘ Textillabyrinth auf der Art Basel 2016. Reisen mit Kindern, Foto: Maria-Bettina Eich.

Im Laufe der Jahre haben meine Töchter an verschiedenen museumspädagogischen Veranstaltungen teilgenommen, bei denen sie selbst kreativ wurden. Da gab es tolle Erlebnisse. Auf Audioguides und spezielle Kinderführungen hatten sie nie Lust – das mag daran liegen, dass wir von Anfang an oft zusammen nach unserem eigenen Rhythmus durch Museen gelaufen sind. Ich selbst finde solche Angebote für Kinder allerdings oft sehr gut, manchmal höre ich mir selbst die Kinder-Audioguides an und bin begeistert.

Was deinen 15-Jährigen anbetrifft: Ich habe ja auch eine 15-Jährige, und ich glaube, wenn sie in dieser Phase nicht ins Museum wollen, dann sollte man sie lassen. Ich habe den Eindruck, oft geht es dabei gar nicht so sehr um den Museumsbesuch als solchen, sondern in erster Linie darum, sich von dem, was die Eltern wichtig finden, abzusetzen. Am ehesten, scheint mir, bekommt man die Teens mit Themen ins Museum, die ihre eigenen Interessen berühren. Ich erinnere mich gern an die Sneakers-Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, und manchmal funktionieren auch ökologische und politische Fragestellungen in der Kunst. Manchmal allerdings auch nicht; es gibt keine Garantie!

Vielleicht geht dein Sohn nach dieser Phase von selbst ins Museum. Als du mir deine Fragen geschickt hast, war ich gerade in Paris, dort sieht man nicht nur in jeder Ausstellung viele Familien mit Kindern, sondern auch eine Menge sehr junger Erwachsener, die offenbar mit Freunden unterwegs sind. Sehr ermutigend!

8. Stichwort Digitalisierung: Wie bewertest du die „Neuen Medien“ für deine journalistische Tätigkeit? Und wie gehen deine Kids mit den digitalen Medien um? Lernst du etwas von ihnen dazu?

Ich werde Printmedien zwar immer mögen, und ich liebe richtige, echte Bücher aus Papier, aber ich sehe gleichzeitig die Möglichkeiten, die mit den Neuen Medien entstanden sind. Es gibt Publikationsformen – Stichwort Blogs –, die neue Horizonte eröffnen; über soziale Medien erhalte ich viel interessanten Input und wichtige Lesetipps. Gleichzeitig kann man gewisse Gefahren nicht leugnen. Wer vor allem online liest, nimmt viele Informationen nur in knappen Häppchen zu sich, was schnell zu einer undifferenzierten Wahrnehmung bestimmter Themen führen kann.

Je nachdem, in welcher Social-Media-Filterblase man sich bewegt, kann man leicht manipuliert und sehr einseitig informiert werden – und so weiter. Dennoch: Wir müssen lernen, auf bestmögliche Weise damit umzugehen; das Rad lässt sich nicht zurückdrehen.

Ich finde es sehr schwierig, die Kinder beim Umgang mit den digitalen Medien zu begleiten. Ich möchte ihren Zugang auf keinen Fall übermäßig reglementieren, denn einen vernünftigen Umgang können sie nur durchs „learning by doing“ einüben. Dennoch bin ich täglich unsicher, wann der Zeitpunkt ist, an dem ich „jetzt reicht’s“ sagen sollte. Gerade die Handys sind einfach omnipräsent, und hohles Gesurfe auf unsäglichen YouTube-Kanälen wechselt sich im Handumdrehen mit dem netten Austausch mit Freunden und der Lektüre guter Texte ab, ohne dass ich als Mutter sehe, was die Kinder gerade mit ihren kleinen Geräten tun.

Im Kopf haben meine Kinder zwar eine kritische Distanz zum „Herumdaddeln auf dem Handy“; sie wissen, dass es Wichtigeres gibt, Playstations und ähnliches sind bei uns tabu, aber der Konsum ist für sie trotzdem sehr reizvoll.

Und ja, ich lerne durch sie! Vor allem sehr, sehr viel über Jugendkultur, was mir die Augen öffnet für so manches Phänomen unserer Tage.

9. Wie lautet dein Lebensmotto? Was möchtest du den Lesern hier mitgeben?

Lebensmotto? Hm. „Be inspired?“ Passend zum Thema werde ich hier zitieren, was der britische Modedesigner Paul Smith einmal auf Instagram von sich gegeben hat: „You can find inspiration in everything, and if you can’t, look again!“

Liebe Maria-Bettina, ich bedanke mich sehr herzlich bei dir für dieses facettenreiches Montagsinterview. Es freut mich sehr, welchen Denkprozess meine Fragen bei dir ausgelöst haben. Ob für Mamis, Eltern, Kulturschaffende, Journalisten, Blogger, Museen und Kulturinstitutionen, du bietest für alle reichhalten Denkstoff – merci dafür!

Wenn man das Kind in Venedig das iPad in die Hand drückt, fällt auch mal ein Porträt der Mutter ab.

Du findest Maria-Bettina Eich auf „Kind am Tellerrand“ und:
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