KULTUR – MUSEUM – TALK

Ich trage Eulen nach Europa! Digitale Transformation & #SalonEuropa

Was bedeutet mir Europa? Kultur und Digitale Transformation – was können sie leisten? Die Meinungen und Posts zur Ausstellung und zur Blogparade #SalonEuropa des Museums Burg Posterstein mehren sich. Das freut mich sehr! Hätte ich diese doch alle bereits lesen können … Inspiriert von Barbara Fischer’s tollem ‚Eulenflug‚ wähle ich heute einen spielerischen Ansatz und bringe Eulen in diesen Salon! Eule, schenke uns Weisheit; Eule, öffne unsere Augen für das, was wirklich wichtig ist in diesem Europa …

Loes Botman, „Fünf kleine Eulen“, nach 2010. Pastellzeichnung, 55 x 115 cm. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin. Vgl. www.loesbotman.nl

Eule und Euro

Wer noch Münzgeld in der Tasche hat, trägt sie vielleicht bei sich, die Eule. Auf der griechischen 1-Euro-Münze ist sie abgebildet; und zwar der Steinkauz, die sprichwörtliche Eule aus Athen. Alte Tetradrachmen haben hier Pate gestanden. Und Europa persönlich lässt sich auf der 2-Euro-Münze graziös entführen. Bemerkenswert: ein Teil der griechischen Euromünzen wurde im Europäischen Ausland geprägt – auf gute Zusammenarbeit!

Griechische 1-Euro-Münze. Bild: Bank von Griechenland (gemeinfrei, via Wikimedia Commons)

Europa: hier lebe und wohne ich

Was bedeutet mir Europa? Erstens: der ‚Ort‘, wo ich aufgewachsen bin und lebe. Ich bin geboren in Maastricht, die Stadt des berühmt-berüchtigten Maastrichter Vertrags. Ich bin stolz auf meine Herkunft! Ich habe in Frankfurt am Main und in Potsdam studiert, in Aachen gewohnt und gearbeitet. Dort habe ich meine Frau Ursula aus dem Rheingau kennengelernt. Sie hat in Mainz, Dijon und Yaoundé (Kamerun) studiert. Wir haben gemeinsam in Wien und in München gelebt und gearbeitet. Seit 2000 sind wir in Den Haag zuhause. Europäische Geschichte im Kleinen – ein Stückchen Weltgeschichte sogar!

Wir wissen um unterschiedliche Währungen, Gesetzgebung, Sprachen und Gewohnheiten. Wir haben uns damit herumgeschlagen, aber lieben sie auch. Sprachen und Dialekte sind im Grunde etwas Schönes, weil sich darin der Mensch widerspiegelt, individuell und als kulturell mehr oder weniger einheitliche Gruppe. In Wien bestellen wir immer noch gerne Wurstsemmel, Palatschinken, 10 Deka Liptauer oder einen Grüner Veltliner. Im Rheingau natürlich den Riesling! In Aachen verlangen wir Belgischen Reisfladen. In Ludwigsburg schmecken die Maultaschen wunderbar, aber die kroketjes in Den Haag sind meiner Ursula nach 18 Jahren immer noch ein Graus (genau wie das Knatschbrot). Das gehört alles zum tagtäglichen Leben und ist alles Europa für mich. Jeder hat sein ‚Europa-für-mich‘! Es ist toll, dass durch Blogparade #SalonEuropa diese ‚kleinen, unbedeutenden Geschichten‘ erzählt und gehört werden. Europa ist nicht nur Politik!

Cornelis Bloemaert, „Eule mit Brille und Büchern“, Radierung,1625, 22 x 18 cm. Sammlung Rijksmuseum Amsterdam, gemeinfrei, über Europeana.

Europa: Politik, uiuiui …

In Sachen Politik kann ich nur um den heißen Brei herumreden. Einerseits ist die Europäische Union wunderbar: Jahrzehnte keinen Krieg mehr in Europa (vom Balkan abgesehen). Währungsunion. Offene Grenzen. Andererseits: offene Grenzen heißt auch immer mehr: für bedürftige nicht-Europäer verschlossene Grenzen. Dominanz von ‚Brüssel‘, Dominanz von Geld und Wirtschaft. Unzufriedenheit und nationalistische Tendenzen. Verlust der Menschlichkeit, Mangel an Zusammenhalt. ‚Jeder für sich‘. Wird manchmal kollektiv der Mensch vergessen? Ich kann es nicht so richtig beurteilen, wie gewissenhaft es da zugeht. Eule, wo bist Du?

Wer sich als Gedankenspiel einmal andere Europäische Strukturen überlegen möchte, könnte sich mit den von Ulrike Guérot vertretenen Positionen beschäftigen: die ‚Utopie‘ einer Europäischen Republik, worin von einer quasi-einheitlichen Kultur geprägten Regionen eine entscheidende Rolle spielen. Ich habe mich nicht eingehend mit ihren Ideen beschäftigt, aber ich habe gute Erinnerungen an eine Fernsehsendung über ihre Thesen. Hätte Ulrike Guérot im frühen 19. Jahrhundert gelebt, wäre sie bestimmt Gast in dem Salon der Herzogin Dorothea von Kurland gewesen. Hätte Ernst Welker dann vielleicht auch sie als Eule porträttiert?

Aquarellierte Bleistiftzeichnung von Ernst Welker (1819-1820; 19 x 12,6 cm): Porträt Johanna von Acerenzas( 1783-1876), der dritten Tochter der Herzogin Anna Dorothea von Kurland. Johanna ist als Uhu/Vogel mit Porträtkopf dargestellt. Vers: „Der Uhu sieht auch in der Nacht/ Aus Milch oft Butter wird gemacht“. Welche ‚Butter‘ beschert uns künftig die Europäische Union?
Sammlung und Bild: Museum Burg Posterstein, CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Europa: von Migration geprägt

Grundsätzlich sind wir alle Migranten oder von Migration geprägt. Wer sich mit den Blogposts von #SalonEuropa oder mit Geschichte allgemein befasst, lernt, wie oft in der Geschichte kleine oder große Völkerwanderungen, individuelle Umzüge oder auch Zwangsumsiedlungen stattgefunden haben. Daher gibt es einfach keine ’sauber trennbare‘, nationale kulturelle Identität. „Our national cultural heritage is but a patchwork of various cultural influences, hailing from all over the Europe“ meint Uldis Zariņš aus Lettland in seinem #SalonEuropa-Blogpost. Und Karin Svadlenak aus Wien sagt in ihrem Beitrag: „In fact our present cultures are historically grown conglomerates constructed from hundreds of years of people´s migrations and re-settlement“. Salon Europa ist eine Schatztruhe mit Belegen dafür, auch wie sich diese Konstellation auf manche Familiengeschichte auswirkt!

Außerdem versucht u.a. Europeana dies zu dokumentieren in der Migration Collection. Hier können wir auch selbst online unsere eigenen Migrationsgeschichten einbringen.

Pablo Picasso, „Petite chouette / Kleine Eule“, 1951 – 1953. Gips, Keramik, Metall, Schellack. Sammlung Kröller-Müller Museum, mit freundlicher Genehmigung. Wäre Picasso nicht nach Vallauris migriert, …

Europa, Europeana, Digitale Transformation – muss das sein?

Ich fühle mich der Europeana sehr verbunden. Ich liebe es, Kunst und Kultur nicht ausschließlich in bestimmten Sprachbereichen zu genießen, zu diskutieren und zu verbreiten, sondern über Sprachbarrieren hinweg, europa- und weltweit. Die Möglichkeiten, die die digitale Welt uns dazu bietet, sind quasi unbegrenzt. Auch in Sachen Kultur ist die Entfernung zwischen europäischen oder auch nationalen Entscheidungsträgern einerseits und Kulturliebhabern und Bloggern andererseits viel zu groß. Die verwendete Sprache und Begrifflichkeit klafft manchmal sehr auseinander, wobei im Grunde manchmal dasselbe gemeint wird.

In der Europäischen Kommission ist die „Digital Transformation“ der Gesellschaft ein großes Thema; viele Geldmittel werden dafür in 2021-2027 freigemacht – auch für Kultur. Haut der Begriff ‚Digital Transformation‘ uns vom Hocker? So schön abstrakt und abgehoben? Wir brauchen Dolmetscher!

Harry Verwayen, Direktor von Europeana, macht einen Versuch in einem Blogpost, wo er sich fragt: „When we discuss the digital transformation, sometimes it is difficult to pinpoint just what that means – let alone what it means for citizens in their daily lives.“ Aha, es sollte also gehen um etwas, das Bedeutung hat für die Bürger Europas, und zwar in ihrem tagtäglichen Leben. Bravo! Verwayen gibt dann einige Beispiele aus der Praxis der Europeana. Lesen wir daraufhin Blogpost „Culture, impact and artistic expression in the digital transformation of society“ von Professor Pier Luigi Sacco, begegnet uns auf einmal unvermutet eine tolle Definition von Blogparaden: „the meaning in a digital space comes from the shared experience of many people using digital tools to create content at the same time“. Für wen sich darauf einlässt, IST Blogparade #SalonEuropa Digital Transformation‘ … Wir ziehen schon an einen Strang!

In der Europeana Communicators Community versuchen wir, gerade diese „Übersetzungstätigkeit‘ zu unterstützen, z.B. durch das europa-, sogar weltweite Austauschen von und über Erfolgsrezepte im (hauptsächlich digitalen) Kulturbereich. Ich würde  behaupten: in der gut bewährten Tradition des Salons, worin europaweite Verbindungen keine Seltenheit waren. Europeana hat sich mit bisher drei Blogposts an #SalonEuropa beteiligt, und mehrere Mitglieder vom Europeana Netzwerk haben privat Posts beigesteuert – ‚der Groschen ist gefallen‘. :)  Daher erhoffe ich mir, dass unser Aufruf an Kulturschaffenden fruchtet; herzlich willkommen in unsere Community / ‚Salon‘ (zur Zeit 54 Personen)!

Die Vermittlungsarbeit zwischen Entscheidungsträgern und im Kulturbereich Tätigen soll geleistet werden, sie muss einfach sein! Austausch vice versa ist von Nöten; lässt uns Brücken bauen!

Bin ich ein Europäer? Ich will Mensch sein!

Ja, ich bin schon ein Europäer! Ich bin aber vor allem Mensch. Letzteres ist bei weitem das Wichtigste. In der offiziellen Verlautbarung „Ziele und Werte der EU“ steht bei den Werten an oberster Stelle: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Als Europäer tragen wir Verantwortung für die Würde und auch für die kulturelle Eigenart eines jeden Menschen, wo auch immer auf der Welt. Für mich gibt es diesbezüglich kein schöneres Manifest als das kurze „Europeana Dream„-Video von Nick Poole.

Jan Mankes, „Selbstportrait mit Eule“, 1911, Öl auf Leinwand, 20,5 x 17 cm. Sammlung Museum Arnhem. Bild: Museum Arnhem, gemeinfrei (via Wikimedia Commons). Der Deutsche Wikipedia-Artikel über diesen Niederländischen Künstler verdanken wir einer kurzen Twitter-Diskussion anlässlich des SalonEuropa-Beitrags von Barbara Fischer. Er wurde flugs von Wikipedia-Editorin Elya erstellt – auch ein Beispiel von digitaler Transformation! Herzlichen Dank!

Europa = Zusammen

Wir brauchen nicht tatenlos abzuwarten. Wir können uns politisch engagieren und gemeinsam mit Gleichgesinnten kleine Schritte als ‚kluger, gewaltloser Aktivist‘ machen. In „Practivisme – Handboek voor heimelijke rebellen“ (Praktivismus – Anleitung für heimliche Rebellen; leider noch nicht in deutscher Übersetzung), versucht Kulturhistorikerin Eva Rovers ‚Wohnzimmer-Aktivisten‘ wie mich dazu zu ermutigen, ein in der Gesellschaft sichtbarer Weltverbesserer zu werden; einer, der etwas mehr tut, als nur im stillen Kämmerlein Petitionen unterschreiben und Müll trennen.
Auch wenn die Zukunft Europas und der Welt manchmal etwas düster erscheint, möchte ich auch weiterhin in die Zukunft blicken wie diese junge Eulen von Loes Botman: aufmerksam, neugierig, erwartungsvoll – ZUSAMMEN!

Loes Botman, „Vier kleine Eulen“, nach 2010. Pastellzeichnung, 75 x 120 cm. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin. Vgl. www.loesbotman.nl .

-> Gefällt dir der Artikel? Dann teile ihn doch bitte gerne weiter. Für mehr Kulturpower folge KulturTalk auf Facebook und abonniere meinen monatlichen Newsletter – ich freue mich auf dich!

Die mobile Version verlassen