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Nymphenburger Porzellan: ein Lustgarten en miniature | #Lustwandeln

Was hat Nymphenburger Porzellan mit dem Tweetwalk #Lustwandeln in Schleißheim zu tun? Viel. Barocke Gestaltungsprinzipien kennzeichnen nicht nur die Gärten. Nein. Sie durchziehen sämtliche Kunst der Zeit. So auch den Nymphenburger Lustgarten en miniature. Franz Anton Bustelli gestaltete die elegantesten Porzellanfiguren des prachtvollen Tafelaufsatzes, der im Bayerischen Nationalmuseum zu sehen ist. Frau Dr. Hantschmann, Referentin für Keramik am Bayerischen Nationalmuseum, stellt dir diesen unglaublich luxuriösen und anmutigen barocken Lustgarten der Wittelsbacher vor – eine vortreffliche Weiterführung des Lustwandelns in Schleißheim, oder?

Tafelaufsatz in Form eines barocken Lustgartens aus Nymphenburger Porzellan. Foto: Bayerisches Nationalmuseum.

„Leckeres“ Lustwandeln beim Dessert – ein Lustgarten aus Nymphenburger Porzellan

Einen echten barocken Lustgarten kann man in München im Bayerischen Nationalmuseum bestaunen, natürlich „en miniature“. Er besteht ganz aus Porzellan und schmückte einst die Desserttafel am Hof der Wittelsbacher. Da sind fein beschnittene Zypressenbäume, ornamental gepflanzte Buchsbaumrabatten, Vasen auf Postamenten, ein ganzes Gartenparterre, das mit weißen Porzellansplittern ausgestreut ist. Auf diesen Kieswegen aus Porzellan lustwandeln elegante Kavaliere, die versuchen, die Aufmerksamkeit vornehmer Damen auf sich zu lenken, oder diese bereits am Arm führen. Ein großer, etwas steif geratener schlanker Herr mit grüner Jacke, Kniebundhosen, über die Knie gezogenen weißen Strümpfen und Dreispitz auf dem Kopf, bietet einer Dame galant eine Zitrone an. Und Zitronen waren eine Kostbarkeit in der damaligen Zeit. Sie wurden in den Orangerien der Fürsten gezogen! [Zur Bedeutung von Obst unbedingt ALTE SORTEN – EDLE SORTEN lesen]

Nymphenburger Porzellanfiguren aus Tafelaufsatz von Franz Anton Bustelli. Foto: Bayerisches Nationalmuseum München.

Franz Anton Bustelli und die Nymphenburger Porzellanmanufaktur

Ein anderer Kavalier steht lässig auf ein Postament gestützt. Er sieht einer Dame in großem Reifrock entgegen. Sie macht ihm ein geheimes Zeichen mit ihrem Fächer. Dabei bewegt sie sich so schwungvoll auf ihn zu, dass ihr ausladender Rock samt dem Untergestell aus Weidenruten heftig wippt. Ja, das kann man sehen, auch wenn die Figuren nur aus Porzellan sind. Schließlich sind die Dame und der Herr am Postament Frühwerke des berühmten Rokokomodelleurs Franz Anton Bustelli.

Das höfische Pärchen ist ganz vertieft in ihrer intimen Zwiesprache – Anmut und Eleganz kennzeichnen die Porzellanfiguren von Franz Anton Bustelli. Foto: Bayerisches Nationalmuseum München.

Für mich ist er der beste Porzellanmodelleur aller Zeiten. Bustelli hat 9 ½ Jahre für die Münchner Porzellanmanufaktur gearbeitet. Der bayerische Kurfürst Max III. Joseph 1747 hat diese in seinem Jagdschlösschen Neudeck einrichten lassen, bevor sie dann 1761 nach Nymphenburg umgezogen ist. Dabei hat es sage und schreibe fast sieben Jahre gedauert, bis die Herstellung von Porzellan hier endlich gelang. Der junge Kurfürst wollte zwar aus Prestigegründen so eine Manufaktur, wie sie sein Schwiegervater in Meißen besaß. Doch wusste keiner wirklich wie es ging und in Meißen gab man dieses streng gehütete Geheimnis nicht preis. Nur weil das Wissen von der Porzellanherstellung durch Verrat nach Wien gelangte, kam hier 1754 die Produktion endlich in Gang. Verantwortlich dafür war der kenntnisreiche Techniker Joseph Jakob Ringler. Dieser zog von Wien durch Süddeutschland und brachte so das Geheimnis nach München.

Der Lustgarten aus Nymphenburger Porzellan bietet spannende Perspektiven für die Galanterien der Porzellanfiguren. Nimm dir die Zeit umrunde den Lustgarten und entdecke die spannenden Details. Foto: Bayerisches Nationalmuseum München.

Ein Lustgarten zur Hochzeitsfeier von Prinzessin Maria Anna Josepha

Der Tafelaufsatz in Form eines barocken Lustgartens ist das erste große Werk der später nach Nymphenburg verlegten bayerischen Porzellanmanufaktur. Nach Fertigstellung wurde das Kunstwerk unter großer Beachtung der Münchner Bevölkerung und eskortiert durch zwei Polizisten in die Residenz gebracht. Hier diente es bei der Hochzeitsfeier der bayerischen Prinzessin Maria Anna Josepha mit Markgraf Ludwig Georg von Baden als Schmuck der Desserttafel. Dabei war der Bräutigam selbst gar nicht anwesend, was bei Fürstenhochzeiten ganz üblich war. Die Braut heiratete meist einen Stellvertreter, in dem Fall ihren Bruder, den jungen Kurfürsten. Damit war die Hochzeit rechtsgültig und die Braut konnte sich mitsamt ihrer ganzen Aussteuer und einer kleinen Entourage auf die Reise in die neue Heimat begeben.

Galanterien durchziehen die Figurenpaare des Tafelaufsatzes aus Nymphenberger Porzellan. Anmutige Figurenpaare lassen höfisches Leben im Barockgarten aufleben. Foto: Bayerischen Nationalmuseum München.

Ob die Prinzessin den Tafelaufsatz überhaupt mitgenommen hat, ist nicht überliefert. Sie könnte ihn auch wieder mit nach München gebracht haben, als sie nach dem Tod ihres Mannes nach Hause zurückkehrte. Jedenfalls fand man Anfang des 20. Jahrhunderts viele Einzelteile davon in der Münchner Residenz und übergab sie dem Bayerischen Nationalmuseum, wo das rekonstruierte Ensemble jetzt wieder zu bewundern ist.

Süße Verführung aus Marzipan wird zu Porzellan

Der Tafelaufsatz knüpft an eine ältere Tradition an. Schon im 16. und 17. Jahrhundert schmückte man bei Hof die Desserttafel bei wichtigen Diners mit Figuren und Dekorationselementen. Diese hatte der Hofkonditor aus Zuckerwerk und Marzipan anzufertigen. Da sich diese Materialien nicht oft wiederverwenden ließen, weil sie bei Hitze oder durch Ungeziefer klebrig und eklig wurden, war man froh, als endlich Objekte aus Porzellan zur Verfügung standen.

Wunderbare galante Szenen spielen sich im Lustgarten ab. Der Tafelaufsatz aus Nymphenburger Porzellan ist der schönste und eleganteste im Bayerischen Nationalmuseum, den Franz Anton Bustelli schuf – nix wie hin! Foto: Bayerisches Nationalmuseum München.

Tatsächlich handelt es sich bei den meisten Porzellanfiguren des 18. Jahrhunderts um Teile von solchen Tafelaufsätzen. Der Nymphenburger Modelleur Franz Anton Bustelli hat viele Figurenserien zu unterschiedlichen Themen gestaltet: Chinesen, Putten, Händler und Passanten sowie 16 Komödienfiguren, die als sein Hauptwerk gelten. Bustellis grazile, oft echt witzige Porzellanfiguren begründen zu Recht bis heute den Ruhm der Nymphenburger Manufaktur. Wie den Lustgarten muss man sie im Original gesehen haben, damit man die vielen amüsanten Details entdecken und so richtig seinen Spaß haben kann. Kommen Sie doch mal ins Bayerische Nationalmuseum und lassen sich überraschen!

Autorin: Dr. Katharina Hantschmann
Referentin für Keramik am Bayerischen Nationalmuseum

Informationen zum Bayerischen Nationalmuseum
Bayerisches Nationalmuseum

Prinzregentenstraße 3
80538 München
Telefon +49 (0)89 21 12 40 1
bay.nationalmuseum@bnm.mwn.de

Öffnungszeiten

Museum
Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr
Donnerstag 10 –    20 Uhr
Montag geschlossen

Eintrittspreis für Museum und Ausstellung

Erwachsene 7 Euro
Ermäßigt 6 Euro
Sonntags 1 Euro
Freier Eintritt für Mitglieder und Besucher bis zum vollendeten 18. Lebensjahr.

Kulinarischer Tipp:

Kontakt und Reservierung
Restaurant Bayerisches Nationalmuseum
Prinzregentenstraße 3
80538 München
Telefon +49 (0)89 45 22 44 30
Fax +49 (0)89 45 22 44 311
Info[AT]bnmrestaurant.de
www.bnmrestaurant.de

Weitere Blogbeiträge zum Bayerischen Nationalmuseum:
  1. Christoph Brech: „Überleben“ im Bayerischen Nationalmuseum
  2. Münchner Museumstour für Kinder mit Migrationshintergrund – Bayerisches Nationalmuseum (1)
  3. Ritter, Helden und Raufbolde
Empehlenswert zur Liebeskonzeption im Rokoko ist auch:

Was sagst du zum grandiosen Lustgarten en miniature? Kennst du das Ensemble schon? Hast du Fragen? Frau Hantschmann beantwortet sie dir sehr gerne!

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