Kriege, Flüchtlinge und Inhumanität | #Museumswelt

Es tut richtig gut, nach meinen letzten „Tutorials“ à la Tweetup und Hashtags im Blog wieder über #Lesestoff aus der Museumswelt zu schreiben. Es erstaunt mich immer wieder, welche Titel mich ansprechen, wie Inhumanität und Kunst, die letzten Tage, Refugees welcome, ein Museum im Visier von Drohnen, das letzte Wort und Schwertschwur. Passende Sonntagslektüre zur Kurzweil mit Ausstellungstipps und Stoff zum Nachdenken.

Leidenschaft bedeutet für mich Lesestoff aus der Museumswelt. Die Geschichten faszinieren.

Viele Wege führen zur Kunst. Der Lesestoff aus der Museumswelt fasziniert.

Jegliche Kunst ist heutzutage unangemessen, die Inhumanität der Welt zu repräsentieren“ – Blogerim (23.5.16)

Was Peter Weibel über Boris Lurie im Interview sagt, macht mich neugierig. Nach Weibel sei dieser kein Holocaust-Künstler, obwohl der „Holocaust von zentraler Bedeutung in seinem Werk ist“. Lurie kritisiere mit seiner Kunst den Kapitalismus und die Konsumgesellschaft. Probleme der Repräsentationsfähigkeit von Kunst nach dem Holocaust, Ultra-Realismus und die NO!art regen zum Nachdenken an. Nach Lurie sei „jegliche Kunst heutzutage unangemessen, um die Inhumanität der Welt zu repräsentieren“. Die Boris Lurie-Retroperspektive im Jüdischen Museum Berlin läuft noch bis zum 31.7.16. Wird der Vortrag von Peter Weibel „Der Holocaust und das Problem der visuellen Repräsentation“ am 30.5.16 aufgezeichnet? Das wäre fein!

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„Selbstzerstörung von künstlerischen Darstellungsmitteln führt zur Selbstdarstellung“, wie hier bei Jean Tinguelys »Homage à New York«, eine autodestruktive Skulptur (1960), so Weibel.

Die letzten Tage: 2. Mai 1945 – 8. Mai 1945“ – Landesmuseum Niederösterreich (24.5.16)

Ging es bei Blogerim mitunter um die Nichtdarstellbarkeit von Kunst aufgrund der Gräueltaten der Nazis, beleuchtet die Ausstellung „Kriegsschauplatz Niederösterreich“ (bis 31.7.16) die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Tagebuchartig und eindrücklich werden die letzten Kriegstage in Niederösterreich, das Eindringen amerikanischer Truppen gemäß Archivalien beschrieben. Vor allem die Rundfunkmeldung von Oberst Hans Lepperdinger zeigt Größe:

„Mein ganzes Bestreben ging dahin, alle zuständigen Stellen von der Sinnlosigkeit einer Verteidigung der Stadt [Salzburg] zu überzeugen. Gestern Abend übernahm General von Borgkh den Befehl über meinen Abschnitt und befahl mir, Salzburg zu halten. Dieser Befehl stellt einen Wahnsinn dar, wie ihn nur militärische Unfähigkeit und menschliche Verantwortungslosigkeit gebären können. Ich habe mich daher entschlossen, diesen Befehl, an dem mich seit dem Tode des Führers kein Eid mehr bindet, nicht auszuführen. Ich erkläre die letzte deutsche freie Stadt zur offenen Stadt und biete den Amerikanern die Übergabe an.“

Refugees welcome. Wie Philipp van Oyrl zum Nürnberger wurde“ – Museen der Stadt Nürnberg (25.5.16)

Irreführend vor der aktuellen Lage ist der Titelaufhänger: „Refugees welcome“. Er hat so gar nichts damit zu tun, was ich erwartet hätte zu lesen. Doch lösten Kriege seit jeher Flüchtlingswellen aus. Nach der Einnahme von Antwerpen durch die Spanier mussten die Protestanten fliehen, die nicht zum katholischen Glauben konvertieren wollten. Der Tuchhändler Philipp van Oyrls floh deshalb 1595 von Antwerpen nach Nürnberg. Hier baute er sein Geschäft erneut auf. Jedoch verspekulierten er und seine Söhne sich und mussten das Unternehmen 1627 abwickeln. Ganz nebenbei breitet der Artikel die Geschichte des Stadtmuseums Erlangen aus. Denn das Wohnhaus von Oyrl, das Fembohaus, beherbergt das Museum.

Marta im Visier einer Drohne, allerlei Grünes u.v.m. …“ – Marta Herford Museum (25.5.16)

Was gibt es besseres als eine Ausstellungseröffnung und den Internationalen Museumstag (#IMT16, 22.5.16) gemeinsam zu feiern? Ein facettenreiches Programm begleitete den Auftakt zur Ausstellung „Grün stört – im Fokus einer Farbe“ (bis 14.8.16): Knall mit grünem Glitter, Diskussion zur Farbe Grün, Kreativität mit #PaintMuseum und künstlerisch-politisches Statement zu Drohnen. Die kritischen Fragen der Kuratorin Franziska Brückmann zum Aktionstag #IMT16 stimmten mich nachdenklich:

„Aber wie steht es eigentlich um die Wahrnehmung der Museen außerhalb solcher (kostenfreier) Aktionstage? Museen, die aufgrund unzureichender Strukturen immer mehr Bildungsaufgaben übernehmen (müssen)? Museen, die ihre Aufgaben in Gänze – Sammeln, Forschen, Vermitteln, Präsentieren – unter zunehmend schlechteren (finanziellen) Bedingungen leisten müssen oder diese nicht mehr komplett leisten können?“

Zur Wahrnehmung von Museen und ihrer gesellschaftlichen Rolle ist einiges zu tun: von den Museen, den Besuchern und der Politik. Diese Aspekte sollten vertieft und breit diskutiert werden.

Anna Heyde: »Das letzte und das erste Wort«“ – Blog Klassik Stiftung Weimar (26.5.16)

Was für ein Vergleich – Schwert vs. Schreiblerngerät: Die Künstlerin Anna Heyde vergleicht bzw. interpretiert das Machtsymbol Kaiser Karls V. neu. Während die Ornamentik des Schwertes die „Aufstiegsgeschichte des Habsburger Hauses“ symbolisiert und Zeugnis von Macht einer Einzelperson ist, verkörpert das Schreiblerngerät eine subtilere Macht, so Anna Heyde, denn

„Wer es zu führen weiß, dem öffnet sich ein Kosmos – das geschriebene Wort auf Papier.“

So so. Eine interessante Blogserie „»Ernestiner« trifft Bauhaus“ – KünstlerInnen der Bauhaus-Universität Weimar reinterpretieren Objekte der Ernestiner-Ausstellung (bis 28.8.16).

Mein Lieblingsobjekt – Drei Schwerter von der Ruhr. Ein bronzezeitlicher Schwertschwur in Hagen?“ – LWL Museum für Archäologie (27.5.16)

Bleiben wir doch gleich beim Schwert – hier nun gleich bei drei Schwertern – und der Frage, was bedeuten sie? Sind sie Ausweis von Macht? Bestimmen sie eine präzise Standesgruppe? Warum gab es eine zeitlang keine Schwertbeigaben bei Gräbern? Die Fragen, die sich um die drei Griffzungenschwerter aus der Spätbronzezeit entspannen, sind komplex und nicht gänzlich zu lösen. Archivalien fehlen. Archäologische Detektivarbeit ist manches Mal „nur“ eine Annäherung, dafür aber spannend. Der Artikel erinnerte mich sofort an jene archäologischen Krimis aus „Leidenschaft – Partizipation, Leiche & Krimis“.

Facettenreich war der Lesestoff aus der Museumswelt – was berührte dich besonders bzw. hast du für uns auch Lesetipps?

4 Kommentare

  1. Liebe Tanja,
    freut mich, dass mein Interview mit Peter Weibel neugierig auf den heutigen Vortrag macht! Gefilmt wird er leider nicht – umso mehr hoffe ich, dass alle Interessierten es heute Abend ins Jüdische Museum Berlin schaffen. Eventuell wird es irgendwann immerhin einen Audiomitschnitt auf der Website des Jüdischen Museums Berlin geben …
    Herzlich, Mirjam

    • Tanja Praske

      Liebe Mirjam,

      vielen Dank für die den Kommentar hier – so blogge ich gerne über Museen! Ich wünschte mir, es verständen noch mehr Museen, wie Kommunikation im Social Web, in Blogs funktioniert. Gerade lief die #Maitagung, spannende Themen und Hightech wurde diskutiert. Mich würde es freuen, wenn die Basics der Kommunikation eingelöste werden, so wie Ihr/Du es hier bei mir gemacht habt.

      Falls es einen Audiomittschnitt geben sollte, den Ihr veröffentlicht, dann teilt mir das doch bitte gerne mit. Ich werde ihn hier für die Blogleser einbinden!

      Ich wünsche noch einen schöne Woche!

      Herzlich,
      Tanja

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