Selfie – ist es ein tatsächlich so neues Phänomen?

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Das Selfie ist im digitalen Zeitalter nicht mehr wegzudenken. Es boomt und boomt, getragen von einer gigantischen Crowd da draußen im Social Web, den „Normalos“, „Narzissten“, „Hyperindividualisten“ oder „Psychopathen“. Je nachdem, wer das Phänomen bespricht. Überlegt oder weniger überlegt konstruieren bzw. inszenieren sie ihr „Ich“ in der Öffentlichkeit. Sie formen so einen mächtigen Trend. Künstler spielen damit, ob verstärkend, politisierend, ironisierend oder negierend. Politiker nutzen es bisweilen strategisch, um unmittelbarer in der Art „ich bin so normal wie du auch“ zu wirken. Kuratoren entdecken das Selfie als Ausstellungsthema. Museen nutzen es zunehmend als erste Kontaktaufnahme oder zum Austausch mit Besuchern und als Medium für Empfehlungsmarketing. Wissenschaftler versuchen das „neue“ Phänomen zu ergründen. Und ich? Ich schreibe dazu meinen angefragten Beitrag zu „Ich bin hier“ – Blogparade mit der Kunsthalle Karlsruhe zum Thema #Selfie“ (#Selfierade). Ist das Selfie aber wirklich ein so neues Phänomen?

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Selfie und Götterstrafe – Narziss muss sich in sein Spiegelbild verlieben #Selfierade

Diese Frage treibt mich um. Mir geht es dabei um die zugrunde liegende Struktur, die gar nicht so neu ist, wie es die aktuellen Theorien zu den Selfies nahelegen. Selfies sind allemal ein Trend, erwachsen und beschleunigt durch das Aufkommen des Smartphones. Es gibt so viele Selfiearten, ob allein, von hinten, nackt, im Bikini, mit anderen etc. Wolfgang Ullrich stellt sie kurz vor in seinem Katalogbeitrag „Selfies als Weltsprache“ zur Ausstellung „Ich bin hier. Von Rembrandt zum Selfie“ (31.10.2015-31.01.2016) in Karlsruhe. Selfies sind natürlich untrennbar mit Posen und Mimiken verbunden. Sie übermitteln spezifische Botschaften und drücken mitunter bestimmte Gefühlslagen oder Emotionen aus und können ein Wir-Gefühl formen. Diese Botschaften werden klar erfasst, weil sie kodifiziert sind. Und warum?

Emoticons und Selfie

Ganz aktuell klärte mich die shz.de auf, dass das „Duckface“ (entenhaft gespitzter Mund) vom „Fish-Gabe“ (wie ein Fisch leicht geöffneter Mund bei schräggestelltem Kopf) als neuer Selfie-Trend abgelöst wurde – na sauber! Und schon wieder ein zum Selfie gewordenes Emoticon (= Emoji) mehr. Genau das formt, verkürzt gesagt, die „Weltsprache der Selfies“ (immer diese verabsolutierenden Begrifflichkeiten). Emotionen und Gefühle werden durch Emoticons ausgedrückt. Die meisten von uns nutzen sie, wenn wir uns im Netz bewegen. Wir betonen so für jeden ersichtlich unsere Gefühlslage ohne auf Worte angewiesen zu sein. Emojis sind kodifiziert und klar erfassbar, weil sie auf die wesentlichen Emotionen und Gefühle reduziert sind. Sie wirken nun auf die Mimik der Selfies ein, so Wolfgang Ullrich, Anika Meier und andere. Anke von Heyl beleuchtet die Wirkkraft des Gefühlsspiels der Emojis für die Kunstvermittlung.

Trotzdem stellt sich mir eine Gegenfrage: Was steckt denn hinter den Emoticons? Gab es da nicht schon eine universell verständliche Sprache von Emotionen und Gefühlslagen, die für fast jedermann leicht erfassbar war und jetzt über Emoticons einfach nur verstärkt werden? Die tragende Rolle, die Wolfgang Ullrich den Emoticons für die Entstehung und Ausbildung des Selfies einräumt, ist mir einfach zu stark. Ich gestehe, die These löste bei mir einen Denkprozess aus. Er ist noch weit davon entfernt, absolut zu sein, falls so etwas überhaupt geht. Genau deshalb werfe ich erst einmal ein paar Gedankenschnipsel in den Ring. Sie dürfen munter zerrissen oder auch weitergedacht werden.

Exkurs: Emotionen

Tja, da lande ich doch glatt bei meinem letzten Forschungsprojekt – der historischen Emotionsforschung und schwupps gibt es ein Déjà-Vue. Für mich wächst das Fragezeichen hinter „Selfies“ als neues Phänomen oder hinter Wolfgang Ullrichs Aussage:

Wie Emoticons sind Selfies dabei, zu einer Weltsprache zu werden, mit der Stimmungen und Situationen überall verständlich kommunizierbar sind. … [Es] etabliert sich erstmals in der Geschichte der Menschheit eine universal gültige Form der Kommunikation„(1)

In unserem Forschungsprojekt „Fühlen und Erkennen. Kognitive Funktionen der Darstellung von Emotionen in der mittelalterlichen Kunst“ überprüften wir moderne Emotionstheorien auf ihre Übertragbarkeit auf sowie ihre Abgrenzung von Phänomenen im Mittelalter. Auch hier gab es den Emotionsausdruck. Er war stark kodifiziert, ist aber für uns heute nicht grundsätzlich eindeutig bestimmbar, da es kein Handbuch mit Erklärungen dafür gibt. Unsere Ideen und Einstellungen weichen davon ab. Wir müssen uns also erst in die Ideenwelt von einst hineinbegeben, um sie zu verstehen. Und trotzdem werden wir sie nicht zu Gänze erfassen.

Im Forschungsprojekt beschäftigten wir uns intensiv mit den Theorien von Paul Ekman, Luc Ciompi, Antonio R. Damasio, Ronald de Sousa u.a.(2). Dabei untersuchten wir das Facial Action Coding System von Paul Ekman – ein System nach dem mimische Bewegungen, der Gesichtsausdruck, bestimmt werden können (3). Ekman unterscheidet bereits Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts – also vor den Emoticons – sieben Basisemotionen. Diese allgemeingültig erkennbaren Basisemotionen sind: Furcht, Freude, Traurigkeit, Wut, Ekel, Verachtung und Überraschung, ergänzt um Hass, Liebe und Vertrauen. Seine empirischen Untersuchungen belegen die allgemeingültige Wiedererkennbarkeit dieser Basisemotionen.

Lesbarkeit des Antlitzes: altbekannte Strukturen

Nach Paul Ekman können also Emotionen verstanden bzw. gelesen werden. Ob sie aber tatsächlich nicht gefaket sind, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das ist ihm bewusst, so räumt er ein nur kleines Zeitfenster für die authentische Emotion ein, bevor durch bewusst gesteuerte Gesichtsmuskulatur ein bestimmter Gesichtsausdruck formuliert wird. Ekmans System übertrugen wir nicht auf mittelalterliche Phänomene, wohl aber übernahmen wir seine präzise Beschreibung der Pathognomie. Denn daran krankte es kunstwissenschaftlichen Forschungen. Ihre Beschreibungen des Antlitzes waren oft unsauber und glitten schnell in eine psychologisierende Interpretation ab. Oha, Achtung Tanja und pardon, die Mediävistin bricht durch – ich verweise hierzu einfach mal auf das Kapitel „Das Königsbild: Typus oder Porträt“ meiner Dissertation (4).

Gleichwohl möchte ich kurz auf Maria Männigs Beitrag zur #Selfierade eingehen. Sie nimmt die von Wolfgang Ullrich herangezogenen Porträtbüsten Franz Xavier Messerschmitts (1775-78) zum Anlass, sie mit zeitgenössischen Theorien zur Physiognomie abzugleichen. Hier zitiert sie Messerschmitts Zeitgenossen Johann Caspar Lavater (1741-1801). Dieser sammelte in seiner Studie Physiognomien, um „im Antlitze und dem ganzen Äußerlichen“ eine „Natursprache“ zu finden. … [Diese] deutete er als „Buchstaben eines göttlichen Alphabets“, so Männig.

Tatsächlich leitete Lavater anhand der Physiognomien den Charakter des Dargestellten ab. Er wertet die Physiognomik als Ausdruck der Seele. Damit befindet er sich in einer alten Tradition, die auf die Antike zurückgeht und im 12. und 13. Jahrhundert durch Albertus Magnus und Michael Scotus wiederbelebt werden. Gerade letzterer zieht anhand der spezifischen Form der Gesichtsbildung Rückschlüsse auf den Charakter des Dargestellten. In der Schrift Liber Phisionomie (1228-1236) schreibt er in seiner Widmung an Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen :

„Mit diesem Wissen im Kopfe könne der Herrscher Laster wie Tugenden der ihn Umgebenden so scharf erkennen, als ob er selbst in ihnen wohne.“(5)

– ein am Körper ablesbares, semantisches Zeichensystem also. Es dient dem Herrscher zur Orientierung.

Gegen Lavaters Deutung wendet sich Georg-Christoph Lichtenberg (1742-1799). Er führt den Begriff der Pathognomik ein. Sie bezeichnet Merkmale der belebten Mimik, wie zusammengezogene Augenbrauen, Lächeln etc. Physiognomische Eigenschaften leiten sich vom Körper ab, wie eine breite Stirn, ein eckiges Kinn etc. Pathognomik bedeutet für Lichtenberg die „Semiotik der Affekte oder die Kenntnis der natürlichen Zeichen der Gemütsbewegungen nach allen ihren Gradationen und Mischungen.“(6) Anhand der mimischen Regung, die eine innere Regung widerspiegelt, werden der Gesichtsausdruck und seine Bedeutung erkannt.

Ullrich führt ebenso das Zeichenhafte von Selfies an.

„Bilder [Selfies] nehmen dabei den Charakter von Zeichen an, womit das Abgebildete zugleich zeichenhaft wird. Und so werden Selfies vielleicht einmal als eine frühe Form von Kommunikationsmitteln gewürdigt werden, mit denen Menschen ihre Gesichter und Körper semantisch konditioniert haben.“(7).

Ist das nun tatsächlich so neu?

Emotions-Exkurs und Selfie – warum?

Der Exkurs zeigt, dass Physio- und Pathognomie schon immer gedeutet und in der jeweiligen Zeit klar verstanden wurden. Sie transportierten bestimmte Botschaften und wurden in der Darstellung einer historischen Person berücksichtigt. Das betraf das uniforme oder individualisierte Herrscherbild des Mittelalters gleichermaßen wie das Porträt oder Selbstporträts der Künstler in jüngerer Zeit. Bei Selfies handelt es sich also nicht um eine „erstmals in der Geschichte der Menschheit … universal gültige Form der Kommunikation“, wie es Wolfgang Ullrich nahelegt.

Selfies entsprechen unserem Zeitgeist. Sie arbeiten mit aktuellen Wahrnehmungs- und Kommunikationsformen – bewusst oder unbewusst -, um ihre Botschaft an den Mann oder die Frau zu bringen und kitzeln damit eine wie auch immer geartete Reaktion aus ihm/ihr heraus, angestrebt oder nicht. Damit sind sie von der Struktur vergleichbar mit altbekannten Mustern. Das Gewand ist nur ein anderes als die Darstellung einer historischen Person, das Selbstportrait und Co.

Emoticons entspringen zwar auch der Netzkultur. Ich glaube aber kaum, dass die Selfies sich an ihnen orientierten, nur weil die Nutzer keinen blassen Schimmer von der Genealogie des Selbstporträts in der Kunstgeschichte haben und deshalb das hernehmen, was sie kennen, nämlich die Emojis, wie Ullrich und auch Ann-Kathrin Kohout in ihrem lesenswerten Beitrag „Lasst endlich die Kunst in Ruhe! Selfies haben keine Vorläufer“ feststellen. Wie Wut, Freude, Trauer und Co ausgedrückt werden, ist dem Nutzer auch über Kulturgrenzen hinweg bekannt, das belegen die Ergebnisse des Facial Action Coding System von Paul Ekman.

Für mich bietet die Emotionsforschung den Ansatz, nachzuhaken und weiterzudenken, um das Bildmotiv der Selfies zu verstehen, aber auch, um die Wirkmechanismen und Wahrnehmungsstrukturen der Netzkultur zu fassen und weiterzuverarbeiten pro Kultur.

Selfies – ein Kommunikationsmedium

Selfies spielen mitunter mit bestimmten Emotionen, zumeist positiv besetzten, überzeichnen sie, garnieren sie mit Accessoires oder inszenieren sie in bestimmter Umgebung. Letztere überhöhen, ästhetisieren oder werten das Selfie ab. Und ja, darin stimme ich Wolfgang Ullrich zu, sie sind eine Momentaufnahme eingebunden in der Kommunikation, die ein Gegenüber voraussetzt. Schließlich erwartet der „Selfieraner“ ein Feedback in Form von möglichst vielen Likes oder lobhudelnden Kommentaren. Und genau das ist der Unterschied zu früheren Zeiten. Die Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit ist nicht mehr einem elitären Kreis vorbehalten, sondern jeder, der das Bedürfnis dazu hat, kann nun unmittelbar und zwar sofort mitmischen. Er trifft eine Aussage, die eine Reaktion auslöst. Dazu nutzt er Codes oder Zeichen, die von einer breiten Masse verstanden werden oder er erfindet neue Codes, die sich verbreiten und darüber Akzeptanz finden. Dann gibt es beispielhaft den neuen Selfie-Trend: den Fish-Gabe!

Als ich Junior (14 Jahre) fragte, ob er noch Selfies schießt, verneinte er das. Instagram nutze er nur noch wegen seines Nachrichtendienstes. Ich sehe ihn aber noch immer vor mir, wie er sich mit einem fokussierten Blick vor einer für ihn coolen Kulisse – wie ein neonbeleuchtetes Einkaufzentrum – in Pose und damit ins Netz wirft. Auf die Frage, warum er denn früher Selfies machte, bestätigte er, dass es ihm um möglichst viele Likes ging. In seiner Klasse nutzen aktuell überwiegend die Mädels Selfies, die Jungs spielen da eher dekorative Statisten oder Clowns im Hintergrund.

DRadio Wissen sammelt jüngst in dem Podcast „Der lange Weg zum Selfie“ Erklärungen, warum die Menschen Selfies machen, eben weil sie sich von der Schokoladenseite zeigen wollen, ein großes Mitteilungsbedürfnis haben, die Umgebung oder Menschen cool sind, eine Selbstvergewisserung benötigen, dass ihr Partystyle chick ist …, vor allem nutzen junge Menschen Selfies häufig. Aber nicht nur sie: In Deutschland machen 25 Millionen Menschen täglich ein Selfie.

Wenn das Selfie von so vielen Menschen benutzt wird, warum sollten Museen darauf nicht eingehen? Der Vorwurf der Banalisierung wird schnell erhoben, aber warum nicht auf Wahrnehmungsformen der potentiellen Besucher eingehen?

Museen + Selfie = Museumselfie

Anke von Heyl beleuchtete bereits in ihrem Initialbeitrag zur Blogparade #Selfierade das Potential von Museumselfie. Hier ist vor allem die Diskussion in den Kommentaren, auch von Wolfgang Ullrich bereichernd. Ja, das ist der große Verdienst der Blogparade und seines Aufsatzes: zu polarisieren und zu „pionisieren“, wie Maria Männig in der Diskussion zu ihrem Beitrag herausstellt. Steile Thesen provokativ hinzuwerfen und aufgeschlossen für die Diskussion zu sein, bringen diese und das Verständnis für das Phänomen „Selfie“ erst voran – dafür danke ich. Die Prozesse, die dem Selfie zugrunde liegen sind in meinen Augen nicht so neu. Es gab sie schon in älterer Zeit, nur verändern sich die Codes, Präsentationsformen und Botschaften, da sie von ihrer Zeit abhängig sind.

Kehren wir zu den Erörterungen der Emotionsforschung zurück. Sie vermögen einen Ansatz bieten, das Bildmotiv der Selfies zu verstehen. Wenn Museen es dann noch schaffen, das Phänomen der Selfies für sich zu nutzen, dann gewinnt Kultur. Denn Museen holen die Besucher dort ab, wo sie sich befinden bzw. nutzen den möglichen Zugang zu ihnen, um in den Austausch zu kommen. Gleichzeitig lassen sie sich auf ihre Besucher ein. Amerikanische Museen tun das bereits. Sie richten Selfiestationen ein, arbeiten mit präzisen Hashtags, küren das Museumselfie der Woche etc.

Amy Heibel, vice president of technology, Web and digital media des LACMA (Los Angeles County Museum of Art) sagt dazu ganz klar:

I think it’s been proven over time that the use of technology in museums doesn’t really detract from the experience of a work of art. It’s optional, but a lot of people are already doing it — posting selfies and starting conversations on social media. It’s what they’re using, and we want to meet them there.

In Deutschland gibt es nun ähnliche, kleine Gehversuche und Experimente mit dem Selfie. Warum das NRW Forum Düsseldorf die Ausstellung „Ego Update“ machte, kommt sehr gut im Beitrag des WDR’s zur Ausstellung heraus:

Alain Bieber; NRW Forum Düsseldorf; Ego-Update; Selfie; Selfies; #Selfierade

WDR „Die Selfie-Schwemme: Ausstellung „Ego-Update im NRW Forum Düsseldorf“ – Interview mit dem Ausstellungsmacher Alain Bieber. #Selfies

 

Auch die Kunsthalle Karlsruhe setzt in der „Jungen Kunsthalle“ Selfie-Stationen ein:

„Dort kann man sich nämlich in verschiedenen Medien ausprobieren: Fotografie, Video, Montage, Zeichnung, Malerei, Theater, Druck, Textproduktion oder auch in der Musik. So wird auch über verschiedene Kommunikationsmittel der Selbstdarstellung reflektiert und die Medienkompetenz sensibilisiert. …“

So die Kunsthalle im Kommentar zu @mikelbower-s Blogpost: „Was ist ein #selfie?„. Hier geht er nämlich auf Textselfies ein – sehr lesenswert.

So, ich mache jetzt einfach mal Schluss. Gerade der letzte Abschnitt verdient einen eigenen Artikel. Die #Selfierade löste bei mir einen Denkprozess aus. Es entstand ein für mein Blog ungewöhnlicher Beitrag. Was sagst du zu meinen dahingeworfenen Gedankenschnipseln?

–> Disclaimer: Dieser Artikel entstand im Auftrag der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe als einer von fünf Initialposts zur Blogparade #Selfierade. Die Ansichten sind meine.

Die weiteren Initialposts stammen von Christian Gries, Anika Meier, Maria Männig und Kulturtussi.

Anmerkungen:

(1) W. Ullrich, Selfies als Weltsprache, Ausstellungskatalog Karlsruhe 2015, S. 40.
(2) Zur historischen Emotionsforschung siehe Martin Büchsel, Albrecht Dürers Stich MELENCOLIA, I, München 2010, S. 11-25, S. 207 ff.
(3) Paul Ekman (Hrsg.), Gesichtsausdruck und Gefühl. 20 Jahre Forschung von Paul Ekman. Paderborn 1988; ders., Gefühle lesen. Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren. Spektrum, München 2004; Kurzeinführung zu Ekmans Theorien: https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Ekman.
(4) Tanja Praske, Ludwig IX. der Heilige – eine Zäsur für die monumentale französische Königsdarstellung. Bildkonzepte der Zeit Philipps IV., 2015, S. 160 ff, URL: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/36543.
(5) Praske, 2015, S.165, Anm. 553.
(6) Georg Christoph Lichtenberg, Gesammelte Werke, Frankfurt 1949, Bd. 2, S. 57. – Jean-Gaspar Lavater, La physiognomonie ou l’art de connaître les hommes d’après les traits de leur physionomie, übers. v. Bacharach, H., Paris 1998.
(7) Ullrich 2015, S. 45.


Nachtrag – Ausstellungen und Fragen via Social Media (seit 27.10.15)

Auf Twitter und Facebook wird über Selfies diskutiert. Was mich erreicht, werde ich zukünftig für alle sichtbar hier festhalten. Vielleicht heizt es die Diskussion weiter an. Das wäre sehr fein!

Ausstellungen mit Selfie-Anbindung

Es gibt jetzt also so viele parallel laufende Ausstellungen zum Selbstporträt in Verbindung zum Selfie oder über das Selfie allein. Gibt es hier einen Austausch zwischen den Museen? Wäre das nicht etwas, die gemachten Erfahrungen auszutauschen, darzulegen und zu überlegen, was davon in zukünftige Projekte eingehen kann? Wäre es nicht mal angebracht, Synergien zu nutzen, um die Kultur zu pushen? Liebe Kunsthalle Karlsruhe, liebes NRW-Forum Düsseldorf, liebe Kunsthalle Bremen, liebe niederländische Museen, wäre das nicht etwas für euch? Voneinander lernen und digitale Strategien erarbeiten, jeder für sich und im Austausch! Ein Aufruf oder eine Anfrage an alle interessierten Museen.

Diskussionen auf FB und Co

In einer Facebookgruppe kam Folgendes auf:

  • Man hat sich schon immer selbst dargestellt oder darstellen lassen oder irgendwann fotografiert und jetzt heißt es eben „Selfie“.
  • Das Neue ist jetzt die sofortige Veröffentlichung der Selfies in den sozialen Netzwerken.
  • Warum wird das Thema aktuell dermaßen ausgereizt?
  • „Zum einen steht der Blick an sich zur Debatte, die Art des Anschauens. Die Schleife aus Sehen und Gesehen werden ist für die Entwicklung unseres Bildverständnisses relevant und kann Abbildungsprozesse in ihre Mechanik auflösen, somit ein Feld der Metaanalyse ermöglichen. Des Weiteren geht´s da auch um Geld, wie Udo sagen würde .) Bring ur kids to the show oder so.“, so Gustaf Öl.

Wer mag darauf antworten?

Linktipp zu #Selfies

 

20 Kommentare

  1. Pingback: Tipps für erfolgreiche Blogger Relations im Kultursektor #bpbr13

  2. Pingback: Kulturbegriff - brauchen wir Kultur? #KultDef 1

  3. Liebe Tanja,

    es ist wirklich interessant zu sehen, wie viele, auch durchaus verschiedene Themen durch die Blogparade angestoßen wurden und werden.
    Die Beiträge der Selfierade haben viele neue Aspekte zum Unterschied zwischen Selbstporträt und Selfie sowie zum zeitgenössischen Phänomen des Selfies allgemein beleuchtet. Die Inhalte unserer Ausstellung wurden durch die digitalen Veranstaltungsformate (Blogparade und Tweetup) nicht nur online fortgesetzt, sondern auch in die unterschiedlichsten Richtungen weitergedacht. Dies gibt dem digitalen Besucher die Möglichkeit, sich auch auf fachlicher Ebene einzubringen.
    Zudem hat das Thema der digitalen Vermittlung natürlich gerade bei einer Selfie-Ausstellung besondere Bedeutung.
    Unserer Meinung nach stehen wir erst am Beginn neuer digitaler Vermittlungsangebote, wir sehen, was auf Interesse stößt und im Rahmen unserer Vermittlungsstrategie gut funktioniert. Dabei haben wir sowohl die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Besucher als auch die gezielte Vermittlung von Inhalten im Blick.

    Themen aus der Selfierade wie zu den Unterschieden zwischen Selfies und Selbstporträts sowie die Herausforderungen digitaler Vermittlungsformate werden wir in der Podiumsdiskussion am 25.11. aufgreifen.

    Herzliche Grüße vom Kunsthallen-Team

    • Liebe Isabel,

      ich bin sehr gespannt auf eure Erkenntnisse aus den bisherigen Aktionen. Es ist ja immer auch ein Experiment. Und wie du ganz richtig sagst: man muss in diesem Spannungsfeld zwischen Inhalt und Rezipient viele Dinge beachten. Alles nicht so einfach. Aber man lernt ja wahrscheinlich immer dazu. Ich finde es auch wichtig, mit solchen begleitenden Aktionen eine gewisse Sichtbarkeit im Netz zu haben und Schnittstelle für die unterschiedlichsten Beiträge zu sein.
      Bin sehr gespannt auf die Diskussion. Aber ist die ist doch am 25.11. (hab gerade einen kleinen Schreck bekommen …)?!!

      Herzlichst
      Anke

    • Tanja Praske

      Liebe Isabel, liebe Anke,

      merci für eure Kommentare hier. Der 25.11.15 ist der korrekte Termin für die Podiumsdiskussion, habe ihn just korrigiert. Ich kann leider nicht dabei sein, bin aber auf die Berichterstattung sehr gespannt.

      Tja, liebe Isabel, liebes Kunsthallen-Team, ich kann nicht umhin – wann habt ihr endlich euer eigenes Blog? Damit ließe sich so einiges viel besser visualisieren. Ressourcen hin oder her, ihr macht ja gerade schon so viel hinsichtlich Social Media mit großem Einsatz. Es ist schade, wenn das einfach alles so verpufft. Hartes Wort, aber das Blog böte euch hier mehr Nachhaltigkeit. In Kulturtussis aktuellem Beitrag berichtete sie im Kommentar, dass alles eine Frage der Haltung sei bzw. sie zitiert jemanden. Ich kann mich nicht erwehren, aber sie hat recht.

      So, jetzt noch etwas anderes. Ich lese die Beiträge erneut zur Blogparade #KultDef durch, dabei bin ich auf Petras Beitrag: „Hundifiziert euch gestoßen“ – hier gibt es auf amüsanter und ironischer Art einiges zu und über Selfies: http://cronenburg.blogspot.de/2015/06/kultur-hundifiziert-euch.html

      Herzlich,
      Tanja

  4. Liebe Tanja Praske,

    „Zu Ihrer Bemerkung, dass sich Museen von ihrer „normalen“ Vermittlungspraxis lösen und „Neues“ ausprobieren sollen: Interessant ist doch auch die Frage zu diskutieren, wo ein Museumsbesuch anfängt und wo er endet, wenn die Vermittlungsarbeit auch über Facebook, den Blog etc. abläuft. Verschiebt sich dann eventuell sogar der Wert der analogen Ausstellung als wichtigstes Medium?

    Einen Einwand habe ich zu Ihrer These, dass Chancen entstehen, wo sich Museen an den Wünschen der BesucherInnen orientieren: Im Grunde ist die Orientierung an den Wünschen zu wenig, es sollte vielmehr gemeinsam zwischen Museum und Besucher etwas entstehen. Aber auch hier die Frage: Wie viele konventionelle Strukturen lassen es zu, dass sich etwa Kuratoren und Besucher auf Augenhöhe begegnen. Und wieviel Macht will und darf der Ausstellungskurator an den Besucher abgeben? Wenn sich Bürger etwa eine Blockbuster-Ausstellung zu #FridaKahlo wünschen, inwieweit ist das Museum dazu bereit oder in der Lage und welchen Erkenntniswert könnte sie haben? Auch hier die Frage, wieviel Mainstream ist vertretbar und ist es nicht auch Aufgabe des Kurators sich einem Trend und dem Gefallen entgegen zu stellen?“

    Der ganze Blogbeitrag kann hier nachgelesen werden: http://marta-blog.de/besuchermacht-die-doppelte-macht-des-besuchers/

    Herzliche Grüße aus dem Marta,

    Sarah Niesel

    • Tanja Praske

      Liebe Sarah,

      wir machen heute „Quershooting“, stelle ich fest. Ich habe just bei Ihnen im Blog kommentiert und pardon für das Duzen dort, war einfach auf den Inhalt konzentriert und bin dann in die informelle Blogger-Manier abgedriftet.

      Ich mach jetzt auch einfach mal copy und paste, was ich im @martablog schrieb und damit meine Leser bei euch nochmals genauer nachlesen:

      „… solche Hermes-Botschaften liebe ich! Und ja, ich bin ganz bei dir, Sarah, wenn du sagst, Blogparaden sind kein überholtes Medium. Tatsächlich standen mir die Haare zu Berge, als ich bei Anika Meier lesen musste, dass das doch überholt sei. Etwa nur weil Instagram so sexy ist? Klar, ist das auch eine spannende Plattform, mit der sich einiges erreichen lässt. Aber auch das ist nur ein Mosaiksteinchen im Ganzen, neben Twitter, Facebook, Youtube und Co!

      Blogparaden können gute Impulse vermitteln. Das erlebte ich aus eigener Erfahrung , sowohl in der Konzeption von Blogparaden für Museen (s. das Blog des Residenzmuseums als Starter dieser Aktionen im musealen Bereich) als auch bei mir im Blog (74 Beiträge zur Blogparade #KultDef). Wenn ich mir dazu die Blogparaden des Städelmuseums, der Schirn und ganz aktuell die #Selfierade der Kunsthalle Karlsruhe und auch eure hier ansehe, dann sage ich – klasse!

      Warum? Weil sie Auseinandersetzungen anstoßen mit der Kunst, mit dem Museum und mit dem Selbst, der Eigenerfahrung von Kunst. Hier sind viele spannende Gedanken im Post und tatsächlich gibt es keinen Widerspruch zwischen unseren Positionen, denn für mich und einige andere spielt der digitale Besucher eine große Rolle. Darauf ist eine Vielzahl der deutschen Museen noch nicht so richtig vorbereitet. Mir geht es nicht darum, dass Ausstellungen bzw. die Themen von den Besuchern diktiert werden können und am Ende vielleicht „nur“ Mainstream vorliegt (wobei, was ist daran falsch, wenn man eine Vielzahl der Menschen dort abholt, um sie dann auch auf andere Themen einzustimmen?). Die Chancen sehe ich, wie du, Sarah, im Dialog und in dem, was dieser Dialog gebären kann.“

      Verschiebt sich deshalb etwa der Wert der analogen Ausstellung? Ich weiß es nicht! Die analoge Ausstellung wird durch die digitale Partizipation nicht ersetzt, sondern ergänzt, bereichert und im Idealfall kann man darüber ganz andere Akzente setzen, die in einer analogen Ausstellung vielleicht nicht so möglich wären. Der digitale Besucher ist im Zentrum. Ob es dann gelingt einen analogen aus ihm zu machen, sei dahingestellt. Ist aber allemal ein Versuch wert.

      Wenn wir von Wertevorstellungen sprechen, dann müssen wir uns vielleicht von unseren „analogen“ Wertvorstellungen, denen ein bildungsbürgerlich elitäres Wertesystem zugrunde liegt, verabschieden und stattdessen zeitgemäßige sowie dialoggemäße Gespräche aufnehmen.

      Die Gespräche werden vielfältiger und lösen sich von dem Anspruch „ich (das Museum) lehre dich jetzt, wie du zu schauen und was du wie wahrzunehmen hast“. Aber davon habt ihr euch auch ein kleinwenig gelöst mit eurer „Paaraktion“.

      Merci für diesen konstruktiven Austausch, der viel Geistesfutter bietet!

      Herzlich,
      Tanja

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  9. Fürs Selbstporträt gab es klassisch vermutlich nur wenige Veranlassungen – die Selbstbefragung war vielleicht die häufigste innere Stimmung, der Eigenstolz, der beim Porträt so wichtig ist, war beim Selbstporträt eher seltener.
    Dann kam der Selbstauslöser – schon ziemlich früh, Ende des 19. Jahrhunderts, und da scheint die Veranlassung gewesen zu sein, sich unterwegs an bestimmten Orten zu dokumentieren, also Fotobeweise und Fotoerinnerungen zu schaffen.
    Mit dem Photo-Phone fächern sich die Veranlassungen nun, scheint mir, auf sämtliche denkbaren kommunikativen und psychischen Motive auf – an kommuniziert Einsamkeit, Unsicherheit, Freude, und es haben schon Attentäter Minuten vor dem Angriff in die Kamera geredet, andere filmen sich beim Sex etc. Beziehungsweise: Die Bilder saugen andere Kommunikationsformen auf – wo man früher beschrieb, was man sah, erlebte und wie es einen in der Ferne erging oder was man schon lange einmal loswerden wollte, da erledigt man das jetzt per Fotoversand.
    Gut möglich, dass die Welle losgetreten wurde, weil die technischen Möglichkeiten sich verbreiteten. Plötzlich hatten die Geräte nicht nur auf der Rückseite, sondern auch auf der Vorderseite eine Kamera. Entsprechend kann alles in den Blick kommen, auch man selbst. Ich zeige meine Schuhe, mein Essen, meine Hände, meine Welt, mein Gesicht. Der Uebergang von „subjektiver Kamera“ zum sich selbst zum Objekt machen ist da beinahe fließend. Es ist einfach logisch, die Kamera in der Hand auch auf sich zu richten.
    Am interesssantesten sind dann wieder die Formen der Selbstfotografie, die näher am klassischen Selbstproträt sind – der einsame Mensch, der sich selbst befragt. Sieht man mir an, was in mir vorgeht? Wie schrecklich sehe ich aus? Finde ich mich schön? Etc. Also der Selfie als selbstreflexives Kunstmittel. Da wird es spannend, finde ich, während vieles andere, was unter dem Titel subsummierbar wäre, gerade ohne diese reflexive Ebene und daher ziemlich langweilig ist.

    • Tanja Praske

      Lieber Fritz,

      merci für deine Gedankengänge hier! Ja, wir leben in einer zunehmend mehr visuell geprägten Welt. Bilder werden mitunter zu Platzhaltern für das Gesprochene. Die Funktion „Erinnerung“, die in der frühen Fotografie im Selbstbildnis einspielte, ist auch den heutigen Selfies gemein.

      Nicht alle Selfies besitzen ein selbstreflexives Moment. Auch mich interessiert das Selfie als „selbstreflexives Kunstmittel“ sowie das Selfie als Ansatz der Kulturvermittlung, befreit vom Empfehlungsmarketing, wobei das ganz klar eine Rolle spielt. Hier sind die amerikanischen Museen sehr ehrlich.

      Ob das der Kunsthalle Karlsruhe gelungen ist, weiß ich nicht.

      Definitiv ist die Rolle von Selfies vielfältig, persönlich, in einem Kanon gefangen, unbedarft, abwertend, künstlerisch und nicht künstlerisch, natürlich, gekünstelt etc. Von Fall zu Fall eben. Ich bin sehr neugierig, wie die Ausstellungen in Karlsruhe, Düsseldorf und den Niederlanden ankommen und wie die Diskussion weitergeht. Die Rezension zur Karlsruher Ausstellung in der SZ ist da kritisch: http://www.sueddeutsche.de/kultur/selfies-einst-aussenansichten-1.2713926. Das heißt nicht unbedingt etwas.

      Ich finde es gut, wenn Museen auf den Zeitgeist eingehen und etwas versuchen. Sicherlich lässt sich immer etwas optimieren oder anders aufzäumen. Die Besucher fordern das vielleicht ein.

      Meine Gedanken sind hier vielleicht gerade verwirrend, aber auch das ist legitim. Ich freue mich jedenfalls sehr über weitere Meinungen.

      Schönes Halloween-Wochendende!

      Tanja

  10. Pingback: Blogparaden - die Top 7 im Herbst

  11. Liebe Tanja,

    vielen Dank für deine Zusammenfassung der Initialposts zur #selfierade und deinen Verweis auf das Konzept um Emojis und Selfies.

    Was ich bisher in der Debatte vermisse, ist die Lösung vom Konzept, ein Selfie würde sich immer primär um die abgebildete(n) Person(en) drehen. Das ist natürlich häufig genug der Fall, aber nicht ausschließlich. Hinter Selfies stehen unterschiedliche Motivationen und mitunter steht eben auch nicht das „Selbst“ sondern eher der Kontext im Mittelpunkt. Ein Beispiel ist für mich hier das in Twitter alle Rekorde brechende Oscar-Selfie aus dem letzten Jahr, in dem es nicht primär um die Inszenierung einzelner Personen ging oder um die Darstellung oder Vermittlung von Emotionen. Primär ging es um den Kontext in dem das Selfie entstand. Es ging hier um die schiere Masse an Hollywoodstars, die im Prinzip austauschbar gewesen wären gegen andere Prominenz – ob hier Brad Pitt zu sehen ist oder statt dessen Johnny Depp, wäre keinem aufgefallen – und um die Entstehung live im Rahmen der Gala der Oscars. Manchmal hat ein Selfie also auch nichts mit abgebildeten Individuen zu tun. Bezogen auf den Titel „Ich bin hier“ der Ausstellung der Kunsthalle Karlruhe geht es bei Selfies demnach nicht nur um die Botschaft „ICH bin hier“ sondern oft genug auch um die Aussage „Ich bin HIER“.

    Viele Grüße
    Angelika

    • Liebe Angelika,

      das ist ein wichtiger Einwurf, den du da machst. In meinem Blogbeitrag habe ich versucht, das herauszustellen. Dass Selfies eben auch als eine Art Kommentar verstanden werden können. Und das ist eben der Ansatz, der für die Museen interessant werden könnte. Das erfordert eine andere Perspektive auf das Selfie als die künstlerische.

      Liebe Grüße
      Anke

    • Tanja Praske

      Liebe Angelika,

      da gebe ich dir Recht. Das „Ich bin HIER“ ist ebenso wichtig wie das „ICH bin hier“. Für diejenigen, die das Oskarfoto machten, trifft beides zu, gleichgewichtig. Für die Rezipienten hingegen kann schnell ein „HIER“ werden, während das „ICH“, also in dem Fall das „DU“, in den Hintergrund tritt.

      Vielleicht magst du darüber etwas schreiben und die Diskussion weiter voranbringen. Das würde mich sehr freuen. Mich freut genauso, wenn andere Blogger jenseits des „Kulturgedöns“ ihre Sicht auf Selfies schildern. Denn ursächlich soll das Selfie ja Spaß machen, es drückt eine persönliche Stimmungslage aus. Wenn es dann Gegenstand der Forschung wird, verschwimmen rein intuitive Handlungsweisen, treten in den Hintergrund, denn es wurde jetzt das dargestellt, weil!

      Bis zum 20. Dezember gehen hoffentlich noch gaaanz viele Blogposts zu diesem Thema ein. Interessant wäre es, wenn auch über den Umgang mit den Selfiestationen in der Jungen Kunsthalle geschrieben wird. Sei es, dass man Besuchern einen Gastbeitrag ermöglicht, wenn sie selber nicht bloggen, sei es, dass man gezielt Blogger dazu einlädt, sei es aber auch, dass die Kunsthalle proaktiv ein Feedback einholt und uns übermittelt, ob das, was sie damit erreichen wollten, auch tatsächlich erreicht wurde. Oder was anders lief, in die Hose ging, überraschte, was daraus gelernt wird. Das genau fände ich superspannend zu erfahren.

      Wenn dann noch die mittlerweile mehrwerdenden Museen, die das Selfie in der Ausstellung thematisieren, sich dazu austauschten und ihre Erfahrungen uns offenlegten, wäre das super genial.

      Herzlich,
      Tanja

  12. Pingback: Blogparade mit der Kunsthalle Karlsruhe zum Thema #Selfie : Kulturkonsorten

  13. Liebe Tanja,

    dein Beitrag ergänzt tolle Gedanken, die man auf jeden Fall weiter verfolgen muss. Emotionsforschung – welch ein spannendes Feld.
    Ja, das wäre toll, wenn die Museen anfingen, die Selfies zu „lesen“. Klar, das ist in der Praxis wahrscheinlich kaum machbar. Oder vielleicht doch? Es erfodert natürlich Einsatz und auch eine gewisse Kenntnis.
    Aber genau an dieser Schnittstelle liegen für mich die Schrauben, an denen man drehen muss. Spannende Bildmotive der Kunstgeschichte – Kommunikationstechniken – Partizipation – aus all dem könnte eine tolle Strategie für die Kunstvermittlung werden.

    Herzlichst
    Anke

    • Tanja Praske

      Liebe Anke,

      vielen Dank! Ja, die historische Emotionsforschung hatte ich schon die ganze Zeit im Hinterkopf bzgl. der Wirkmechanismen der digitalen Kulturvermittlung. Ich wollte immer mal dazu schreiben und habe jetzt einen Anfang gefunden – rudimentär, aber immerhin!

      Mir ging es tatsächlich weniger darum, ob Museen Selfies jetzt lesen sollen können, im Sinne von der Selfieaner ist so und so dargestellt, also meint er das und das damit, sondern darum, auf altbewährte Strukturen hinzuweisen, dass das Phänomen „Selfie“ gar nicht so neu ist. Es entstand aus unserer Zeit heraus und verwendet unsere Codes. Genau deshalb aber bietet es, wie du zurecht sagst, einen prima Ansatz für Museen, sich von ihrer „normalen“ Vermittlungspraxis zu lösen und Neues auszuprobieren. Sogar mit Menschen in Kontakt zu treten, die vielleicht gar nicht in das Museum kommen, aber weil ihre Freunde im Museum etwas tun, ihre Freunde darüber informieren, der Name des Museums mal fällt, kann das Museum, wenn es das aufmerksam beobachtet, hier einschreiten und mitmachen, natürlich nur so weit, wie es akzeptiert wird. Wenn aus dem Reagieren dann ein Agieren wird, dann kommen wir dahin, was du im letzten Absatz meinst.

      Wie gesagt, amerikanische Museen haben das erkannt, auch wenn dort nicht alles eitler Sonnenschein ist, auch dort wird das Museum als Disneyland von den eigenen Leuten schnell abgekanzelt. Die die es tun hingegen, nutzen ihre Chancen. Ich denke der Ansatz muss sich am potentiellen Besucher und seinen Wünschen orientieren. Manche von ihnen wollen sich im Museum engagieren. In wie weit ist eine ganz andere Frage.

      Herzlich,
      Tanja

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